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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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109. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr,
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,

Und hier würde noch iederman hinzusezen: verdamter Herr Ver-
fasser der Raffinerien, der von den Synoden in der That mit gar zu5
wenig Schonung redet. -- Denn in Hof weis ieder, daß Sie raffiniret
haben und ich denke keiner, der hier dum ist, wird es billigen können,
daß ein Priester, der blos glauben solte, zu raffiniren wagt. Wie aber
ein Regent seine Münze mit Kupfer versezt, um ihr die Härte zu geben,
die sie zum Umlauf tüchtig macht: so versezt man alzeit die Wahr-10
heit mit einigen Lügen, um sie zum Kurs besser zuzubereiten; man sagt
hier nämlich, daß Sie, der H. Pfarrer in Schwarzenbach und ich --
eine Art von heterodoxer Dreieinigkeit -- die Raffinerien gezimmert
haben; indessen gelten Sie doch für den Hauptvater und einige wissen
von dieser Tripelalliance nichts. H. Maier, der Buchhändler, macht15
iedem Käufer Ihres Buches weis, daß es in Ungarn gedrukt worden;
z. B. dem H. Superintend. lies er diese Lüge sagen, da selbiger es
neulich kaufte. -- Ich habe von demselben bis iezt nichts lesen können,
als die kleinen Aufsäze, die mir (wie z. B. der über die Ehescheidung)
in Rüksicht des Gehaltes und des Tones vortreflich vorkommen: denn20
ich gebe es überal zum Lesen herum; Örthel bekam es zuerst und iezt hat
es H. Trogenprediger Müller.

Mich dünkt, Sie würden die Pfar Selb wol bekommen haben; allein
[178]Sie hatten -- und daran sind Sie schuld -- sie verdienet. Selten wird
man einem Manne eine Beföderung abschlagen, von dem man gewis25
weis, daß er ihrer nicht werth ist; zum Unglük war aber dies eben der
Fal bei Ihnen nicht. Man steigt glaub' ich zur Ehre und zum Reich-
thum hinauf entweder auf Galgenleitern, oder auf geheimen
Treppen,
oder auf Sturmleitern (mit Gewalt) aber selten auf
dem Gradus ad Parnassum. Sie hatten wahrscheinlich nur diese30
leztere Leiter anzulehnen und deswegen stehen Sie noch unten.

Ich hätte beinahe vergessen, Ihnen für das Geschenk Ihres Buches
schriftlich zu danken; aber ich werde nicht vergessen, Ihnen dafür
thätiger zu danken, wenn ich Ihnen (aber nicht bald) selbst ein Buch
von mir übersende.35

Ich schikke Ihnen von den vielen Büchern, die ich von Ihnen habe,
nur einige; und wage Sie doch noch um folgende sehr zu bitten:

109. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr,
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,

Und hier würde noch iederman hinzuſezen: verdamter Herr Ver-
faſſer der Raffinerien, der von den Synoden in der That mit gar zu5
wenig Schonung redet. — Denn in Hof weis ieder, daß Sie raffiniret
haben und ich denke keiner, der hier dum iſt, wird es billigen können,
daß ein Prieſter, der blos glauben ſolte, zu raffiniren wagt. Wie aber
ein Regent ſeine Münze mit Kupfer verſezt, um ihr die Härte zu geben,
die ſie zum Umlauf tüchtig macht: ſo verſezt man alzeit die Wahr-10
heit mit einigen Lügen, um ſie zum Kurs beſſer zuzubereiten; man ſagt
hier nämlich, daß Sie, der H. Pfarrer in Schwarzenbach und ich —
eine Art von heterodoxer Dreieinigkeit — die Raffinerien gezimmert
haben; indeſſen gelten Sie doch für den Hauptvater und einige wiſſen
von dieſer Tripelalliance nichts. H. Maier, der Buchhändler, macht15
iedem Käufer Ihres Buches weis, daß es in Ungarn gedrukt worden;
z. B. dem H. Superintend. lies er dieſe Lüge ſagen, da ſelbiger es
neulich kaufte. — Ich habe von demſelben bis iezt nichts leſen können,
als die kleinen Aufſäze, die mir (wie z. B. der über die Eheſcheidung)
in Rükſicht des Gehaltes und des Tones vortreflich vorkommen: denn20
ich gebe es überal zum Leſen herum; Örthel bekam es zuerſt und iezt hat
es H. Trogenprediger Müller.

Mich dünkt, Sie würden die Pfar Selb wol bekommen haben; allein
[178]Sie hatten — und daran ſind Sie ſchuld — ſie verdienet. Selten wird
man einem Manne eine Beföderung abſchlagen, von dem man gewis25
weis, daß er ihrer nicht werth iſt; zum Unglük war aber dies eben der
Fal bei Ihnen nicht. Man ſteigt glaub’ ich zur Ehre und zum Reich-
thum hinauf entweder auf Galgenleitern, oder auf geheimen
Treppen,
oder auf Sturmleitern (mit Gewalt) aber ſelten auf
dem Gradus ad Parnaſſum. Sie hatten wahrſcheinlich nur dieſe30
leztere Leiter anzulehnen und deswegen ſtehen Sie noch unten.

Ich hätte beinahe vergeſſen, Ihnen für das Geſchenk Ihres Buches
ſchriftlich zu danken; aber ich werde nicht vergeſſen, Ihnen dafür
thätiger zu danken, wenn ich Ihnen (aber nicht bald) ſelbſt ein Buch
von mir überſende.35

Ich ſchikke Ihnen von den vielen Büchern, die ich von Ihnen habe,
nur einige; und wage Sie doch noch um folgende ſehr zu bitten:

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[168/0193] 109. An Pfarrer Vogel in Rehau. Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Hochzuverehrender Herr Pfarrer, Und hier würde noch iederman hinzuſezen: verdamter Herr Ver- faſſer der Raffinerien, der von den Synoden in der That mit gar zu 5 wenig Schonung redet. — Denn in Hof weis ieder, daß Sie raffiniret haben und ich denke keiner, der hier dum iſt, wird es billigen können, daß ein Prieſter, der blos glauben ſolte, zu raffiniren wagt. Wie aber ein Regent ſeine Münze mit Kupfer verſezt, um ihr die Härte zu geben, die ſie zum Umlauf tüchtig macht: ſo verſezt man alzeit die Wahr- 10 heit mit einigen Lügen, um ſie zum Kurs beſſer zuzubereiten; man ſagt hier nämlich, daß Sie, der H. Pfarrer in Schwarzenbach und ich — eine Art von heterodoxer Dreieinigkeit — die Raffinerien gezimmert haben; indeſſen gelten Sie doch für den Hauptvater und einige wiſſen von dieſer Tripelalliance nichts. H. Maier, der Buchhändler, macht 15 iedem Käufer Ihres Buches weis, daß es in Ungarn gedrukt worden; z. B. dem H. Superintend. lies er dieſe Lüge ſagen, da ſelbiger es neulich kaufte. — Ich habe von demſelben bis iezt nichts leſen können, als die kleinen Aufſäze, die mir (wie z. B. der über die Eheſcheidung) in Rükſicht des Gehaltes und des Tones vortreflich vorkommen: denn 20 ich gebe es überal zum Leſen herum; Örthel bekam es zuerſt und iezt hat es H. Trogenprediger Müller. Mich dünkt, Sie würden die Pfar Selb wol bekommen haben; allein Sie hatten — und daran ſind Sie ſchuld — ſie verdienet. Selten wird man einem Manne eine Beföderung abſchlagen, von dem man gewis 25 weis, daß er ihrer nicht werth iſt; zum Unglük war aber dies eben der Fal bei Ihnen nicht. Man ſteigt glaub’ ich zur Ehre und zum Reich- thum hinauf entweder auf Galgenleitern, oder auf geheimen Treppen, oder auf Sturmleitern (mit Gewalt) aber ſelten auf dem Gradus ad Parnaſſum. Sie hatten wahrſcheinlich nur dieſe 30 leztere Leiter anzulehnen und deswegen ſtehen Sie noch unten. [178] Ich hätte beinahe vergeſſen, Ihnen für das Geſchenk Ihres Buches ſchriftlich zu danken; aber ich werde nicht vergeſſen, Ihnen dafür thätiger zu danken, wenn ich Ihnen (aber nicht bald) ſelbſt ein Buch von mir überſende. 35 Ich ſchikke Ihnen von den vielen Büchern, die ich von Ihnen habe, nur einige; und wage Sie doch noch um folgende ſehr zu bitten:

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/193>, abgerufen am 18.12.2024.