feige Auge nur auf sie und gehet so lange hinter ihr her, bis sie ver- schwindet und er sich auf einmal vor dem gefürchteten Schrekkenbilde stehen siehet.
Es wäre für mich schmeichelhaft, wenn meiner satirischen Abhandlung nichts den Eingang in Ihr Journal versperte als ihre Grösse: denn5 man könte sie sehr gut in die 2 Hälften zerfallen lassen, deren eine von der Tugend unsrer Zunge und deren zwote von der Tugend unsres Gesichtes handelt. Das Schiksal, das meine Abhandlung in Ihrem Journale erfähret, sei wie es wil und [wenn] sie darin geviertheilet wird, so mus sie zufrieden sein: mein Wunsch ist nur, daß sie hinein-10 gelassen werde.
Der offenherzige Ton, dessen Sie mich .. würdigen, macht mir mehr Vergnügen als alles Lob, womit Sie mich aufmuntern. Denn er be- weist, daß Sie nicht wie man gewöhnlich thut, iedem, der oft mehr aus Nachahmerei als angeborner Neigung, auf das Spotten sich leget, ein15 zweideutiges Herz zutrauen. Warlich könte mich etwas meine geringe Geisel an die Wand zu hängen bewegen, so wär' es dies, daß der, so sie führet, nur kaum von denen nicht verkant wird, die ihn kanten, eh' er sie in die Hand [nahm], von allen andern hingegen für ein Wesen gehalten wird, das Galle stat des Blutes hat. Ihrer Offenh[erzigkeit],20 die iezt [?] so etwas seltenes ist, glaub' ich mich nur durch ihre Er- wiederung würdig zu machen. Es stehe also denn da, was ich sonst keinem Menschen ohne Bemäntelung sagen würde. Ich bin arm; und bin es iezt, da mir soviele unreife Hofnungen zu Grunde gegangen, mehr als iemals und als vermuthlich künftighin. Ich mus daher troz25 der Überwindung, mit der man sich dem Scheine der Eigennüzigkeit unterzieht, zu bitten wagen, daß Sie mir durch etc. Anweisung an den H. .. soviel Lohn für meine Arbeit möchten zukommen lassen als Ihr Geschmak, der Debit Ihres Journals und andre Umstände, die ich nicht weis, dafür etwan bestimmen mögen. Ich wünschte mir30 nichts als eine Lage, die mir das zu sein erlaubte, von dem mich die iezige das Gegentheil zu scheinen zwingt ... Ich wil Leipzig in 8 Tagen verlassen; ich darf hoffen, Sie tragen dazu bei, daß ich es kan. Unter der Versicherung einer ungeheuchelten Liebe gegen Ihr Herz, das nicht nur Ihre Schriften sondern auch Ihr Leben adelt, etc.35
feige Auge nur auf ſie und gehet ſo lange hinter ihr her, bis ſie ver- ſchwindet und er ſich auf einmal vor dem gefürchteten Schrekkenbilde ſtehen ſiehet.
Es wäre für mich ſchmeichelhaft, wenn meiner ſatiriſchen Abhandlung nichts den Eingang in Ihr Journal verſperte als ihre Gröſſe: denn5 man könte ſie ſehr gut in die 2 Hälften zerfallen laſſen, deren eine von der Tugend unſrer Zunge und deren zwote von der Tugend unſres Geſichtes handelt. Das Schikſal, das meine Abhandlung in Ihrem Journale erfähret, ſei wie es wil und [wenn] ſie darin geviertheilet wird, ſo mus ſie zufrieden ſein: mein Wunſch iſt nur, daß ſie hinein-10 gelaſſen werde.
Der offenherzige Ton, deſſen Sie mich .. würdigen, macht mir mehr Vergnügen als alles Lob, womit Sie mich aufmuntern. Denn er be- weiſt, daß Sie nicht wie man gewöhnlich thut, iedem, der oft mehr aus Nachahmerei als angeborner Neigung, auf das Spotten ſich leget, ein15 zweideutiges Herz zutrauen. Warlich könte mich etwas meine geringe Geiſel an die Wand zu hängen bewegen, ſo wär’ es dies, daß der, ſo ſie führet, nur kaum von denen nicht verkant wird, die ihn kanten, eh’ er ſie in die Hand [nahm], von allen andern hingegen für ein Weſen gehalten wird, das Galle ſtat des Blutes hat. Ihrer Offenh[erzigkeit],20 die iezt [?] ſo etwas ſeltenes iſt, glaub’ ich mich nur durch ihre Er- wiederung würdig zu machen. Es ſtehe alſo denn da, was ich ſonſt keinem Menſchen ohne Bemäntelung ſagen würde. Ich bin arm; und bin es iezt, da mir ſoviele unreife Hofnungen zu Grunde gegangen, mehr als iemals und als vermuthlich künftighin. Ich mus daher troz25 der Überwindung, mit der man ſich dem Scheine der Eigennüzigkeit unterzieht, zu bitten wagen, daß Sie mir durch ꝛc. Anweiſung an den H. .. ſoviel Lohn für meine Arbeit möchten zukommen laſſen als Ihr Geſchmak, der Debit Ihres Journals und andre Umſtände, die ich nicht weis, dafür etwan beſtimmen mögen. Ich wünſchte mir30 nichts als eine Lage, die mir das zu ſein erlaubte, von dem mich die iezige das Gegentheil zu ſcheinen zwingt … Ich wil Leipzig in 8 Tagen verlaſſen; ich darf hoffen, Sie tragen dazu bei, daß ich es kan. Unter der Verſicherung einer ungeheuchelten Liebe gegen Ihr Herz, das nicht nur Ihre Schriften ſondern auch Ihr Leben adelt, ꝛc.35
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der Tugend unſrer Zunge und deren zwote von der Tugend unſres
Geſichtes handelt. Das Schikſal, das meine Abhandlung in Ihrem
Journale erfähret, ſei wie es wil und [wenn] ſie darin geviertheilet
wird, ſo mus ſie zufrieden ſein: mein Wunſch iſt nur, daß ſie hinein- 10
gelaſſen werde.
Der offenherzige Ton, deſſen Sie mich .. würdigen, macht mir mehr
Vergnügen als alles Lob, womit Sie mich aufmuntern. Denn er be-
weiſt, daß Sie nicht wie man gewöhnlich thut, iedem, der oft mehr aus
Nachahmerei als angeborner Neigung, auf das Spotten ſich leget, ein 15
zweideutiges Herz zutrauen. Warlich könte mich etwas meine geringe
Geiſel an die Wand zu hängen bewegen, ſo wär’ es dies, daß der, ſo ſie
führet, nur kaum von denen nicht verkant wird, die ihn kanten, eh’ er
ſie in die Hand [nahm], von allen andern hingegen für ein Weſen
gehalten wird, das Galle ſtat des Blutes hat. Ihrer Offenh[erzigkeit], 20
die iezt [?] ſo etwas ſeltenes iſt, glaub’ ich mich nur durch ihre Er-
wiederung würdig zu machen. Es ſtehe alſo denn da, was ich ſonſt
keinem Menſchen ohne Bemäntelung ſagen würde. Ich bin arm; und
bin es iezt, da mir ſoviele unreife Hofnungen zu Grunde gegangen,
mehr als iemals und als vermuthlich künftighin. Ich mus daher troz 25
der Überwindung, mit der man ſich dem Scheine der Eigennüzigkeit
unterzieht, zu bitten wagen, daß Sie mir durch ꝛc. Anweiſung an
den H. .. ſoviel Lohn für meine Arbeit möchten zukommen laſſen als
Ihr Geſchmak, der Debit Ihres Journals und andre Umſtände, die
ich nicht weis, dafür etwan beſtimmen mögen. Ich wünſchte mir 30
nichts als eine Lage, die mir das zu ſein erlaubte, von dem mich die
iezige das Gegentheil zu ſcheinen zwingt … Ich wil Leipzig in 8 Tagen
verlaſſen; ich darf hoffen, Sie tragen dazu bei, daß ich es kan. Unter
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nur Ihre Schriften ſondern auch Ihr Leben adelt, ꝛc. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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