können [!], welches das Herz mit nichts vertauscht, mit dem Kopfe nicht einmal. Doch ich kürze diesen Brief und warscheinlich zugleich auch Ihre Langweile mit ab; an seiner Wirkung ist mir zuviel gelegen, daß ich ihn one die Verunstaltung einer ängstlichen Gezwun- genheit hätte schreiben können. etc.5
65. An Christian Felix Weiße in Leipzig.
[Konzept, am Schluß Kopie][Leipzig, Ende Nov. 1783]
Die Ursache, warum der V[erfasser] dieses Briefs Ihnen sich und seine Geburten bekant zu machen wagt, ist der verzeihliche Wunsch, [120]künftighin den Weg, auf [dem] er zeither so oft gestrauchelt, sicherer an10 der Hand des Kunstrichters zurüklegen zu können. Nur die Notwendig- keit dieses Wunsches werden Sie aus dem ältern Produkte schliessen können; das iüngere ist vielleicht unänlich genug, um beweisen zu können, daß ich einen Lerer der Kritik nicht blos bedürfe, sondern auch verdiene.15
66. An Frau Richter in Hof.
Liebe Mama!
Ich hätte Ihnen eher geschrieben, wenn ich Ihren Brief so beant- worten hätte können als ich und Sie es wünschten. Neulich schon hab' ich meinen gänzlichen Mangel an Geld Ihnen bekant gemacht. Schlech-20 terdings nichts hab' ich, womit ich Ihnen helfen könte und ich habe noch Mühe, für mich selbst soviel geborgt zu bekommen, als ich brauche. Also wie wolt' ich auch für Sie gelehnet erhalten? Zumal da ich hier keine Bekanten habe, bei denen ich so etwas suchen könte; und der einzige Örthel hat mir onehin schon mer als zuviel, oft so, daß25 er selbst darüber sich in Not stekte, borgen müssen. Ich bitte Sie also, verlassen Sie Sich ia niemals auf mich. Wenn ich etwas habe, das ich geben kan: so thue ich es von selbst, one daß Sie es vorher zu verlangen brauchten. -- Aber warum liessen Sie denn Ihre Stube weissen? Sie wissen ia, daß Sie das Haus doch bald verkaufen müssen? Es kostet Sie30 Geld, das Sie eigentlich zulezt für einen Fremden ausgeben. -- Was fangen Sie denn iezt mit dem Gotlieb an? Ich wolte lieber, Sie hätten meinem Rat gefolgt und bei dem Elrod ihn gelassen. Denn so kan gar nichts aus ihm werden. -- Ich sol Ihnen einen Brief an die grosse Elrodtin machen. Aber für mich schikt sich ia das gar nicht (zumal da35
können [!], welches das Herz mit nichts vertauſcht, mit dem Kopfe nicht einmal. Doch ich kürze dieſen Brief und warſcheinlich zugleich auch Ihre Langweile mit ab; an ſeiner Wirkung iſt mir zuviel gelegen, daß ich ihn one die Verunſtaltung einer ängſtlichen Gezwun- genheit hätte ſchreiben können. ꝛc.5
65. An Chriſtian Felix Weiße in Leipzig.
[Konzept, am Schluß Kopie][Leipzig, Ende Nov. 1783]
Die Urſache, warum der V[erfaſſer] dieſes Briefs Ihnen ſich und ſeine Geburten bekant zu machen wagt, iſt der verzeihliche Wunſch, [120]künftighin den Weg, auf [dem] er zeither ſo oft geſtrauchelt, ſicherer an10 der Hand des Kunſtrichters zurüklegen zu können. Nur die Notwendig- keit dieſes Wunſches werden Sie aus dem ältern Produkte ſchlieſſen können; das iüngere iſt vielleicht unänlich genug, um beweiſen zu können, daß ich einen Lerer der Kritik nicht blos bedürfe, ſondern auch verdiene.15
66. An Frau Richter in Hof.
Liebe Mama!
Ich hätte Ihnen eher geſchrieben, wenn ich Ihren Brief ſo beant- worten hätte können als ich und Sie es wünſchten. Neulich ſchon hab’ ich meinen gänzlichen Mangel an Geld Ihnen bekant gemacht. Schlech-20 terdings nichts hab’ ich, womit ich Ihnen helfen könte und ich habe noch Mühe, für mich ſelbſt ſoviel geborgt zu bekommen, als ich brauche. Alſo wie wolt’ ich auch für Sie gelehnet erhalten? Zumal da ich hier keine Bekanten habe, bei denen ich ſo etwas ſuchen könte; und der einzige Örthel hat mir onehin ſchon mer als zuviel, oft ſo, daß25 er ſelbſt darüber ſich in Not ſtekte, borgen müſſen. Ich bitte Sie alſo, verlaſſen Sie Sich ia niemals auf mich. Wenn ich etwas habe, das ich geben kan: ſo thue ich es von ſelbſt, one daß Sie es vorher zu verlangen brauchten. — Aber warum lieſſen Sie denn Ihre Stube weiſſen? Sie wiſſen ia, daß Sie das Haus doch bald verkaufen müſſen? Es koſtet Sie30 Geld, das Sie eigentlich zulezt für einen Fremden ausgeben. — Was fangen Sie denn iezt mit dem Gotlieb an? Ich wolte lieber, Sie hätten meinem Rat gefolgt und bei dem Elrod ihn gelaſſen. Denn ſo kan gar nichts aus ihm werden. — Ich ſol Ihnen einen Brief an die groſſe Elrodtin machen. Aber für mich ſchikt ſich ia das gar nicht (zumal da35
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gelegen, daß ich ihn one die Verunſtaltung einer ängſtlichen Gezwun-
genheit hätte ſchreiben können. ꝛc. 5
65. An Chriſtian Felix Weiße in Leipzig.
[Leipzig, Ende Nov. 1783]
Die Urſache, warum der V[erfaſſer] dieſes Briefs Ihnen ſich und
ſeine Geburten bekant zu machen wagt, iſt der verzeihliche Wunſch,
künftighin den Weg, auf [dem] er zeither ſo oft geſtrauchelt, ſicherer an 10
der Hand des Kunſtrichters zurüklegen zu können. Nur die Notwendig-
keit dieſes Wunſches werden Sie aus dem ältern Produkte ſchlieſſen
können; das iüngere iſt vielleicht unänlich genug, um beweiſen zu
können, daß ich einen Lerer der Kritik nicht blos bedürfe, ſondern auch
verdiene. 15
[120]
66. An Frau Richter in Hof.
Liebe Mama!
Ich hätte Ihnen eher geſchrieben, wenn ich Ihren Brief ſo beant-
worten hätte können als ich und Sie es wünſchten. Neulich ſchon hab’
ich meinen gänzlichen Mangel an Geld Ihnen bekant gemacht. Schlech- 20
terdings nichts hab’ ich, womit ich Ihnen helfen könte und ich habe
noch Mühe, für mich ſelbſt ſoviel geborgt zu bekommen, als ich
brauche. Alſo wie wolt’ ich auch für Sie gelehnet erhalten? Zumal da
ich hier keine Bekanten habe, bei denen ich ſo etwas ſuchen könte; und
der einzige Örthel hat mir onehin ſchon mer als zuviel, oft ſo, daß 25
er ſelbſt darüber ſich in Not ſtekte, borgen müſſen. Ich bitte Sie alſo,
verlaſſen Sie Sich ia niemals auf mich. Wenn ich etwas habe, das ich
geben kan: ſo thue ich es von ſelbſt, one daß Sie es vorher zu verlangen
brauchten. — Aber warum lieſſen Sie denn Ihre Stube weiſſen? Sie
wiſſen ia, daß Sie das Haus doch bald verkaufen müſſen? Es koſtet Sie 30
Geld, das Sie eigentlich zulezt für einen Fremden ausgeben. — Was
fangen Sie denn iezt mit dem Gotlieb an? Ich wolte lieber, Sie hätten
meinem Rat gefolgt und bei dem Elrod ihn gelaſſen. Denn ſo kan gar
nichts aus ihm werden. — Ich ſol Ihnen einen Brief an die groſſe
Elrodtin machen. Aber für mich ſchikt ſich ia das gar nicht (zumal da 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/135>, abgerufen am 16.02.2025.
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