geträufelt, frankirt nach Leipzig schikken kan. Ich füle bei meiner Sysiph[us] Arbeit zwar nicht Erschöpfung aber doch Ermüdung und wenn gleich der Brunnen noch nicht ler ist, aus dem ich pumpe, so wird doch der Arm müde, mit dem ich pumpe. Vom hiesigen Volke mag ich dir nichts schreiben und es dir nicht einmal mit dem Storch-5 schnabel in Miniatür abzeichnen. Bist du nach der Silhouette eines Esels begierig? oder ist es Verdienst, ein Tier zu schlagen, das ieder Eselsiunge schlägt? Und doch war ich vor einiger Zeit Willens, den Midas zu meinem Pegasus zu machen. Ich wolte nämlich beim hiesigen Buchhändler etliche Bogen drukken lassen, vor deren Ver-[98]10 fertigung mir aber iezt ekelt. Denn wie wenig würde der Rükken, den plumpe Prügel kaum rüren, für eine Reitpeitsche empfindlich sein. So hält z. B. der H. Kaufman Köl[er] wenig von den Skizzen "weil man, um ein Wort zu verstehen, erst eine Stunde sizen mus" und das einzige Lob, welches mir bei ihm mein Buch einträgt, ist, daß ich ein Irgeist15 bin. Ich würde dir die erste Hälfte dieses Urteils, fals es aus einem klügern Munde gekommen wäre, aus Bescheidenheit verschwiegen haben; allein die Höfer sind so dum, daß es nicht nur keine Ere ist, von ihnen nicht verstanden zu werden, sondern auch die gröste Schande wäre, wenn man es würde. Mit dem Pfarrer in Rehau bin ich ein20 wenig zerfallen und bei ihm seit meinem Hiersein nur einmal gewesen; die Ursache davon verdient nicht geschrieben, sondern kaum gesagt zu werden. Die übrige Beantwortung deines Briefs solst du von mir nicht lesen, sondern hören. Bald werd' ich an dem Orte sein, nach dem ich mich sogar senen würde, wenn ich dich da nicht anzutreffen fürchten25 müste. Ich mus bald in das Paradies, das ich sobald verlassen werde, das du sobald verlassen wirst. Die Zeit, die uns unsrer Trennung ent- gegenreist, braucht keiner neuen Flügel; und wir müssen uns nicht vorher trennen eh' uns das traurige Schiksal trent.
Hätt' ich merere Köpfe wie G[eryon] und merere Hände wie30 Briareus oder wenigstens den Kopf und die Sekretaire des Zäsars, so würdest du stat eines Briefs 7 bekommen und du würdest deine Ver- zögerung, sie zu beantworten, wenigstens mit der zeitfressenden Lesung derselben entschuldigen können, stat daß du iezt deine Briefe so weit- läuftig schreibst, wie künftig deine iuristischen Arbeiten und das [?]35 Sterlingsgold, das du nach der iuristischen Terminologie Scheide- münze nenst, zur Breite eines Bogens schlägst. Deine Lustigkeit freut
geträufelt, frankirt nach Leipzig ſchikken kan. Ich füle bei meiner Syſiph[us] Arbeit zwar nicht Erſchöpfung aber doch Ermüdung und wenn gleich der Brunnen noch nicht ler iſt, aus dem ich pumpe, ſo wird doch der Arm müde, mit dem ich pumpe. Vom hieſigen Volke mag ich dir nichts ſchreiben und es dir nicht einmal mit dem Storch-5 ſchnabel in Miniatür abzeichnen. Biſt du nach der Silhouette eines Eſels begierig? oder iſt es Verdienſt, ein Tier zu ſchlagen, das ieder Eſelsiunge ſchlägt? Und doch war ich vor einiger Zeit Willens, den Midas zu meinem Pegaſus zu machen. Ich wolte nämlich beim hieſigen Buchhändler etliche Bogen drukken laſſen, vor deren Ver-[98]10 fertigung mir aber iezt ekelt. Denn wie wenig würde der Rükken, den plumpe Prügel kaum rüren, für eine Reitpeitſche empfindlich ſein. So hält z. B. der H. Kaufman Köl[er] wenig von den Skizzen „weil man, um ein Wort zu verſtehen, erſt eine Stunde ſizen mus“ und das einzige Lob, welches mir bei ihm mein Buch einträgt, iſt, daß ich ein Irgeiſt15 bin. Ich würde dir die erſte Hälfte dieſes Urteils, fals es aus einem klügern Munde gekommen wäre, aus Beſcheidenheit verſchwiegen haben; allein die Höfer ſind ſo dum, daß es nicht nur keine Ere iſt, von ihnen nicht verſtanden zu werden, ſondern auch die gröſte Schande wäre, wenn man es würde. Mit dem Pfarrer in Rehau bin ich ein20 wenig zerfallen und bei ihm ſeit meinem Hierſein nur einmal geweſen; die Urſache davon verdient nicht geſchrieben, ſondern kaum geſagt zu werden. Die übrige Beantwortung deines Briefs ſolſt du von mir nicht leſen, ſondern hören. Bald werd’ ich an dem Orte ſein, nach dem ich mich ſogar ſenen würde, wenn ich dich da nicht anzutreffen fürchten25 müſte. Ich mus bald in das Paradies, das ich ſobald verlaſſen werde, das du ſobald verlaſſen wirſt. Die Zeit, die uns unſrer Trennung ent- gegenreiſt, braucht keiner neuen Flügel; und wir müſſen uns nicht vorher trennen eh’ uns das traurige Schikſal trent.
Hätt’ ich merere Köpfe wie G[eryon] und merere Hände wie30 Briareus oder wenigſtens den Kopf und die Sekretaire des Zäſars, ſo würdeſt du ſtat eines Briefs 7 bekommen und du würdeſt deine Ver- zögerung, ſie zu beantworten, wenigſtens mit der zeitfreſſenden Leſung derſelben entſchuldigen können, ſtat daß du iezt deine Briefe ſo weit- läuftig ſchreibſt, wie künftig deine iuriſtiſchen Arbeiten und das [?]35 Sterlingsgold, das du nach der iuriſtiſchen Terminologie Scheide- münze nenſt, zur Breite eines Bogens ſchlägſt. Deine Luſtigkeit freut
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geträufelt, frankirt nach Leipzig ſchikken kan. Ich füle bei meiner
Syſiph[us] Arbeit zwar nicht Erſchöpfung aber doch Ermüdung und
wenn gleich der Brunnen noch nicht ler iſt, aus dem ich pumpe, ſo
wird doch der Arm müde, mit dem ich pumpe. Vom hieſigen Volke
mag ich dir nichts ſchreiben und es dir nicht einmal mit dem Storch- 5
ſchnabel in Miniatür abzeichnen. Biſt du nach der Silhouette eines
Eſels begierig? oder iſt es Verdienſt, ein Tier zu ſchlagen, das ieder
Eſelsiunge ſchlägt? Und doch war ich vor einiger Zeit Willens, den
Midas zu meinem Pegaſus zu machen. Ich wolte nämlich beim
hieſigen Buchhändler etliche Bogen drukken laſſen, vor deren Ver- 10
fertigung mir aber iezt ekelt. Denn wie wenig würde der Rükken, den
plumpe Prügel kaum rüren, für eine Reitpeitſche empfindlich ſein. So
hält z. B. der H. Kaufman Köl[er] wenig von den Skizzen „weil man,
um ein Wort zu verſtehen, erſt eine Stunde ſizen mus“ und das einzige
Lob, welches mir bei ihm mein Buch einträgt, iſt, daß ich ein Irgeiſt 15
bin. Ich würde dir die erſte Hälfte dieſes Urteils, fals es aus einem
klügern Munde gekommen wäre, aus Beſcheidenheit verſchwiegen
haben; allein die Höfer ſind ſo dum, daß es nicht nur keine Ere iſt, von
ihnen nicht verſtanden zu werden, ſondern auch die gröſte Schande
wäre, wenn man es würde. Mit dem Pfarrer in Rehau bin ich ein 20
wenig zerfallen und bei ihm ſeit meinem Hierſein nur einmal geweſen;
die Urſache davon verdient nicht geſchrieben, ſondern kaum geſagt zu
werden. Die übrige Beantwortung deines Briefs ſolſt du von mir
nicht leſen, ſondern hören. Bald werd’ ich an dem Orte ſein, nach dem
ich mich ſogar ſenen würde, wenn ich dich da nicht anzutreffen fürchten 25
müſte. Ich mus bald in das Paradies, das ich ſobald verlaſſen werde,
das du ſobald verlaſſen wirſt. Die Zeit, die uns unſrer Trennung ent-
gegenreiſt, braucht keiner neuen Flügel; und wir müſſen uns nicht
vorher trennen eh’ uns das traurige Schikſal trent.
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Hätt’ ich merere Köpfe wie G[eryon] und merere Hände wie 30
Briareus oder wenigſtens den Kopf und die Sekretaire des Zäſars, ſo
würdeſt du ſtat eines Briefs 7 bekommen und du würdeſt deine Ver-
zögerung, ſie zu beantworten, wenigſtens mit der zeitfreſſenden Leſung
derſelben entſchuldigen können, ſtat daß du iezt deine Briefe ſo weit-
läuftig ſchreibſt, wie künftig deine iuriſtiſchen Arbeiten und das [?] 35
Sterlingsgold, das du nach der iuriſtiſchen Terminologie Scheide-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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