Schreib mir Neuigkeiten von Leipzig, für die aber deine Neugierde von mir ser wenig Prozent ziehen möchte. Schreib bald, und iede Woche und lange lange Briefe. Unsern Briefwechsel würde auch eine philosophische Balgerei nicht übel kleiden z. B. von der Unsterblichkeit der Sele etc. Alle deine Einfälle, die du neulich schon ausgebrütet hast5 und die nunmer schon Federn haben müssen, schikke mir ia mit der nächsten Post. Wüstest du, wie viel Vergnügen mir deine Briefe auch in dieser Rüksicht machen, du würdest mir es seltner versagen! -- Ich habe schon soviel Vergnügen, wenn ich dir schreibe; wievielmer, wenn ich dich lese. -- Bedenke überdies meinen Aufenthalt im abscheulichen10 Hof, wo das Gehirn mit der Zunge in Plumpheit weteifert und wo das Tier, das mir in Rüksicht der Gleichnisse zum Pegasus dienet, mit seiner Kele den höfischen Dialekt und mit seinen Oren den höfischen Verstand abbildet. -- Ich versprach dir oben die weitere Erwänung einer gewissen Geselschaft; aber dieses und tausend andre Sachen mögen15 solange in meinem Gehirne ruhen bis ich sie für die künftigen Briefe auferwekke. Bemerkung: die leichteste Art, einen Brief zu beant- worten, ist ihn gleich nach seiner Lesung zu beantworten. Folge dieser Bemerkung, und du wirst soviel Nuzen daraus ziehen als ich daraus ziehen werde. -- Hat mein Hausher noch nicht auf mich geschmäht?20 ich hoffe es und bitte dich, mir seine Schmähungen ins Deutsche zu übersezen und zu schikken. -- Leb wol, guter guter Örtel, und vergis den nicht, der warlich niemand unter allen Menschen mer liebt als dich.
Richter
[85]P. S.25
J'ai commence ma lettre dans ma langue, je la finis dans la francaise. C'est un monstre avec une tete allemande et une queve francaise. Je n'ai plus rien a dire; mais c'est cela meme que je te veux dire avec la bouche de la nation, de qui les armoires en sont aussi l'image. La fleur de lis plait par son odorat et par sa figure;30 mais elle affaiblit la tete et le trouble au moins par des douleurs. Si cela n'est pas le portrait de la nation; il est au moins celui de Voltaire. -- J'ai deja forme VII lignes, et aucune pensee; mais elles doivent annoncer a la huit[i]eme la pensee qui peut-etre ne viendra pas dans celle qui est deja finie. -- Pardonne les peches35 contre la grammaire; j'ai laisse la mienne a Leipsic comme celui, qui ne peche contre elle. Mais tu ne sais aussi parfaitement la my-
Schreib mir Neuigkeiten von Leipzig, für die aber deine Neugierde von mir ſer wenig Prozent ziehen möchte. Schreib bald, und iede Woche und lange lange Briefe. Unſern Briefwechſel würde auch eine philoſophiſche Balgerei nicht übel kleiden z. B. von der Unſterblichkeit der Sele ꝛc. Alle deine Einfälle, die du neulich ſchon ausgebrütet haſt5 und die nunmer ſchon Federn haben müſſen, ſchikke mir ia mit der nächſten Poſt. Wüſteſt du, wie viel Vergnügen mir deine Briefe auch in dieſer Rükſicht machen, du würdeſt mir es ſeltner verſagen! — Ich habe ſchon ſoviel Vergnügen, wenn ich dir ſchreibe; wievielmer, wenn ich dich leſe. — Bedenke überdies meinen Aufenthalt im abſcheulichen10 Hof, wo das Gehirn mit der Zunge in Plumpheit weteifert und wo das Tier, das mir in Rükſicht der Gleichniſſe zum Pegaſus dienet, mit ſeiner Kele den höfiſchen Dialekt und mit ſeinen Oren den höfiſchen Verſtand abbildet. — Ich verſprach dir oben die weitere Erwänung einer gewiſſen Geſelſchaft; aber dieſes und tauſend andre Sachen mögen15 ſolange in meinem Gehirne ruhen bis ich ſie für die künftigen Briefe auferwekke. Bemerkung: die leichteſte Art, einen Brief zu beant- worten, iſt ihn gleich nach ſeiner Leſung zu beantworten. Folge dieſer Bemerkung, und du wirſt ſoviel Nuzen daraus ziehen als ich daraus ziehen werde. — Hat mein Hausher noch nicht auf mich geſchmäht?20 ich hoffe es und bitte dich, mir ſeine Schmähungen ins Deutſche zu überſezen und zu ſchikken. — Leb wol, guter guter Örtel, und vergis den nicht, der warlich niemand unter allen Menſchen mer liebt als dich.
Richter
[85]P. S.25
J’ai commencé ma lettre dans ma langue, je la finis dans la française. C’est un monstre avec une tête allemande et une queve française. Je n’ai plus rien à dire; mais c’est celà même que je te veux dire avec la bouche de la nation, de qui les armoires en sont aussi l’image. La fleur de lis plait par son odorat et par sa figure;30 mais elle affaiblit la tête et le trouble au moins par des douleurs. Si celà n’est pas le portrait de la nation; il est au moins celui de Voltaire. — J’ai deja formé VII lignes, et aucune pensée; mais elles doivent annoncer à la huit[i]ême la pensée qui peut-être ne viendra pas dans celle qui est dejà finie. — Pardonne les peches35 contre la grammaire; j’ai laissé la mienne à Leipsic comme celui, qui ne peche contre elle. Mais tu ne sais aussi parfaitement la my-
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><pbfacs="#f0101"n="78"/><p>Schreib mir Neuigkeiten von Leipzig, für die aber deine Neugierde<lb/>
von mir ſer wenig Prozent ziehen möchte. Schreib bald, und iede<lb/>
Woche und lange lange Briefe. Unſern Briefwechſel würde auch eine<lb/>
philoſophiſche Balgerei nicht übel kleiden z. B. von der Unſterblichkeit<lb/>
der Sele ꝛc. Alle deine Einfälle, die du neulich ſchon ausgebrütet haſt<lbn="5"/>
und die nunmer ſchon Federn haben müſſen, ſchikke mir ia mit der<lb/>
nächſten Poſt. Wüſteſt du, wie viel Vergnügen mir deine Briefe auch<lb/>
in dieſer Rükſicht machen, du würdeſt mir es ſeltner verſagen! — Ich<lb/>
habe ſchon ſoviel Vergnügen, wenn ich dir ſchreibe; wievielmer, wenn<lb/>
ich dich leſe. — Bedenke überdies meinen Aufenthalt im abſcheulichen<lbn="10"/>
Hof, wo das Gehirn mit der Zunge in Plumpheit weteifert und wo das<lb/>
Tier, das mir in Rükſicht der Gleichniſſe zum Pegaſus dienet, mit<lb/>ſeiner Kele den höfiſchen Dialekt und mit ſeinen Oren den höfiſchen<lb/>
Verſtand abbildet. — Ich verſprach dir oben die weitere Erwänung<lb/>
einer gewiſſen Geſelſchaft; aber dieſes und tauſend andre Sachen mögen<lbn="15"/>ſolange in meinem Gehirne ruhen bis ich ſie für die künftigen Briefe<lb/>
auferwekke. Bemerkung: die leichteſte Art, einen Brief zu beant-<lb/>
worten, iſt ihn gleich nach ſeiner Leſung zu beantworten. Folge dieſer<lb/>
Bemerkung, und du wirſt ſoviel Nuzen daraus ziehen als ich daraus<lb/>
ziehen werde. — Hat mein Hausher noch nicht auf mich geſchmäht?<lbn="20"/>
ich hoffe es und bitte dich, mir ſeine Schmähungen ins Deutſche zu<lb/>
überſezen und zu ſchikken. — Leb wol, guter guter Örtel, und vergis<lb/>
den nicht, der warlich niemand unter allen Menſchen mer liebt als dich.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Richter</hi></salute></closer><lb/><postscript><p><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd#_85">[85]</ref></note><hirendition="#et"><hirendition="#aq">P. S.</hi><lbn="25"/></hi></p><p><hirendition="#aq">J’ai commencé ma lettre dans ma langue, je la finis dans la<lb/>
française. C’est un monstre avec une tête allemande et une queve<lb/>
française. Je n’ai plus rien à dire; mais c’est celà même que je te<lb/>
veux dire avec la bouche de la nation, de qui les armoires en sont<lb/>
aussi l’image. La fleur de lis plait par son odorat et par sa figure;<lbn="30"/>
mais elle affaiblit la tête et le trouble au moins par des douleurs.<lb/>
Si celà n’est pas le portrait de la nation; il est au moins celui de<lb/>
Voltaire. — J’ai deja formé VII lignes, et aucune pensée; mais<lb/>
elles doivent annoncer à la huit<metamark>[</metamark>i<metamark>]</metamark>ême la pensée qui peut-être ne<lb/>
viendra pas dans celle qui est dejà finie. — Pardonne les peches<lbn="35"/>
contre la grammaire; j’ai laissé la mienne à Leipsic comme celui,<lb/>
qui ne peche contre elle. Mais tu ne sais aussi parfaitement la my-<lb/></hi></p></postscript></div></body></text></TEI>
[78/0101]
Schreib mir Neuigkeiten von Leipzig, für die aber deine Neugierde
von mir ſer wenig Prozent ziehen möchte. Schreib bald, und iede
Woche und lange lange Briefe. Unſern Briefwechſel würde auch eine
philoſophiſche Balgerei nicht übel kleiden z. B. von der Unſterblichkeit
der Sele ꝛc. Alle deine Einfälle, die du neulich ſchon ausgebrütet haſt 5
und die nunmer ſchon Federn haben müſſen, ſchikke mir ia mit der
nächſten Poſt. Wüſteſt du, wie viel Vergnügen mir deine Briefe auch
in dieſer Rükſicht machen, du würdeſt mir es ſeltner verſagen! — Ich
habe ſchon ſoviel Vergnügen, wenn ich dir ſchreibe; wievielmer, wenn
ich dich leſe. — Bedenke überdies meinen Aufenthalt im abſcheulichen 10
Hof, wo das Gehirn mit der Zunge in Plumpheit weteifert und wo das
Tier, das mir in Rükſicht der Gleichniſſe zum Pegaſus dienet, mit
ſeiner Kele den höfiſchen Dialekt und mit ſeinen Oren den höfiſchen
Verſtand abbildet. — Ich verſprach dir oben die weitere Erwänung
einer gewiſſen Geſelſchaft; aber dieſes und tauſend andre Sachen mögen 15
ſolange in meinem Gehirne ruhen bis ich ſie für die künftigen Briefe
auferwekke. Bemerkung: die leichteſte Art, einen Brief zu beant-
worten, iſt ihn gleich nach ſeiner Leſung zu beantworten. Folge dieſer
Bemerkung, und du wirſt ſoviel Nuzen daraus ziehen als ich daraus
ziehen werde. — Hat mein Hausher noch nicht auf mich geſchmäht? 20
ich hoffe es und bitte dich, mir ſeine Schmähungen ins Deutſche zu
überſezen und zu ſchikken. — Leb wol, guter guter Örtel, und vergis
den nicht, der warlich niemand unter allen Menſchen mer liebt als dich.
Richter
P. S. 25
[85] J’ai commencé ma lettre dans ma langue, je la finis dans la
française. C’est un monstre avec une tête allemande et une queve
française. Je n’ai plus rien à dire; mais c’est celà même que je te
veux dire avec la bouche de la nation, de qui les armoires en sont
aussi l’image. La fleur de lis plait par son odorat et par sa figure; 30
mais elle affaiblit la tête et le trouble au moins par des douleurs.
Si celà n’est pas le portrait de la nation; il est au moins celui de
Voltaire. — J’ai deja formé VII lignes, et aucune pensée; mais
elles doivent annoncer à la huit[i]ême la pensée qui peut-être ne
viendra pas dans celle qui est dejà finie. — Pardonne les peches 35
contre la grammaire; j’ai laissé la mienne à Leipsic comme celui,
qui ne peche contre elle. Mais tu ne sais aussi parfaitement la my-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/101>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.