Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
I. Schau.

"Die Ehe ist das große Wunder der Welt"
predigt Luther, und eine glückliche das allergrößte
Wunderwerk, darf man noch hinzusetzen. Men¬
schen werden vereinigt, die oft Zeitlebens nie vor¬
her an einander dachten; es werden verbunden
die sonst nie ahneten, daß sie einst zusammenle¬
ben sollten; es knüpfen ein Band, die noch nicht
kennen, was es bedeutet. Männer und Weiber
-- die meisten sind Thoren wenn sie das Eh¬
bündniß schließen. Außendinge ziehn zuerst an,
Nebendinge locken Schönheit, Reichthum, Ge¬
schlecht. Blumenanschaun ist ein leeres Dasein;
immer Schätze zählen eine Höllenstrafe; abge¬
storben bleibt der älteste Stammbaum, wenn
nicht neue Tugenden aus ihm hervorsprossen.
Alle Ketten drücken, die seidenen so gut wie die

Cc 2
I. Schau.

„Die Ehe iſt das große Wunder der Welt“
predigt Luther, und eine glückliche das allergrößte
Wunderwerk, darf man noch hinzuſetzen. Men¬
ſchen werden vereinigt, die oft Zeitlebens nie vor¬
her an einander dachten; es werden verbunden
die ſonſt nie ahneten, daß ſie einſt zuſammenle¬
ben ſollten; es knüpfen ein Band, die noch nicht
kennen, was es bedeutet. Männer und Weiber
— die meiſten ſind Thoren wenn ſie das Eh¬
bündniß ſchließen. Außendinge ziehn zuerſt an,
Nebendinge locken Schönheit, Reichthum, Ge¬
ſchlecht. Blumenanſchaun iſt ein leeres Daſein;
immer Schätze zählen eine Höllenſtrafe; abge¬
ſtorben bleibt der älteſte Stammbaum, wenn
nicht neue Tugenden aus ihm hervorſproſſen.
Alle Ketten drücken, die ſeidenen ſo gut wie die

Cc 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0433" n="[403]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Schau.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#in">D</hi>ie Ehe i&#x017F;t das große Wunder der Welt&#x201C;<lb/>
predigt Luther, und eine glückliche das allergrößte<lb/>
Wunderwerk, darf man noch hinzu&#x017F;etzen. Men¬<lb/>
&#x017F;chen werden vereinigt, die oft Zeitlebens nie vor¬<lb/>
her an einander dachten; es werden verbunden<lb/>
die &#x017F;on&#x017F;t nie ahneten, daß &#x017F;ie ein&#x017F;t zu&#x017F;ammenle¬<lb/>
ben &#x017F;ollten; es knüpfen ein Band, die noch nicht<lb/>
kennen, was es bedeutet. Männer und Weiber<lb/>
&#x2014; die mei&#x017F;ten &#x017F;ind Thoren wenn &#x017F;ie das Eh¬<lb/>
bündniß &#x017F;chließen. Außendinge ziehn zuer&#x017F;t an,<lb/>
Nebendinge locken Schönheit, Reichthum, Ge¬<lb/>
&#x017F;chlecht. Blumenan&#x017F;chaun i&#x017F;t ein leeres Da&#x017F;ein;<lb/>
immer Schätze zählen eine Höllen&#x017F;trafe; abge¬<lb/>
&#x017F;torben bleibt der älte&#x017F;te Stammbaum, wenn<lb/>
nicht neue Tugenden aus ihm hervor&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Alle Ketten drücken, die &#x017F;eidenen &#x017F;o gut wie die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Cc 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[403]/0433] I. Schau. „Die Ehe iſt das große Wunder der Welt“ predigt Luther, und eine glückliche das allergrößte Wunderwerk, darf man noch hinzuſetzen. Men¬ ſchen werden vereinigt, die oft Zeitlebens nie vor¬ her an einander dachten; es werden verbunden die ſonſt nie ahneten, daß ſie einſt zuſammenle¬ ben ſollten; es knüpfen ein Band, die noch nicht kennen, was es bedeutet. Männer und Weiber — die meiſten ſind Thoren wenn ſie das Eh¬ bündniß ſchließen. Außendinge ziehn zuerſt an, Nebendinge locken Schönheit, Reichthum, Ge¬ ſchlecht. Blumenanſchaun iſt ein leeres Daſein; immer Schätze zählen eine Höllenſtrafe; abge¬ ſtorben bleibt der älteſte Stammbaum, wenn nicht neue Tugenden aus ihm hervorſproſſen. Alle Ketten drücken, die ſeidenen ſo gut wie die Cc 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/433
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. [403]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/433>, abgerufen am 22.11.2024.