Schulwitz. Sprachen die keiner Volksfaßlich¬ keit fähig sind, haben übergeschnappt; wie Mi¬ das der Alles durch Anrühren in Gold ver¬ wandelt, und dem schrecklichsten Hungertode ent¬ gegenschaudert. Sprachen die nur Zungen fürs gemeine Leben haben, zu jedem höhern Aufflug verstutzt sind, sinken zur Thierheit, wo wirre Thierschälle zum Verkehr genügen. Die Volks¬ faßlichkeit will auch ihre Muse haben, und be¬ darf jetzt mehr wie sonst einer sorgfältigen wis¬ senschaftlichen Sichtung, und der Nachhülfe der schönen Redekünste.
Greiling's Theorie der Popularität.
"Den gemeinen Mann muß man nicht "mit hohen, schweren, und verdeckten Worten "lehren. Es kommen in die Kirche kleine Kin¬ "der, Mägde, alte Frauen und Männer, denen "ist hohe Lehre nichts nütze. Und wenn sie schon "sagen: Ey er hat köstliche Dinge gesagt; und "man sie weiter fragt: Was war es denn? "sprechen sie: Jch weiß es nicht." (Luther nach Mathesius.) "Jn der Kirche oder Gemeine soll "man reden wie im Haus daheim, die einfältige "Muttersprache, die jedermann versteht, die je¬
B b
Schulwitz. Sprachen die keiner Volksfaßlich¬ keit fähig ſind, haben übergeſchnappt; wie Mi¬ das der Alles durch Anrühren in Gold ver¬ wandelt, und dem ſchrecklichſten Hungertode ent¬ gegenſchaudert. Sprachen die nur Zungen fürs gemeine Leben haben, zu jedem höhern Aufflug verſtutzt ſind, ſinken zur Thierheit, wo wirre Thierſchälle zum Verkehr genügen. Die Volks¬ faßlichkeit will auch ihre Muſe haben, und be¬ darf jetzt mehr wie ſonſt einer ſorgfältigen wiſ¬ ſenſchaftlichen Sichtung, und der Nachhülfe der ſchönen Redekünſte.
Greiling's Theorie der Popularität.
„Den gemeinen Mann muß man nicht „mit hohen, ſchweren, und verdeckten Worten „lehren. Es kommen in die Kirche kleine Kin¬ „der, Mägde, alte Frauen und Männer, denen „iſt hohe Lehre nichts nütze. Und wenn ſie ſchon „ſagen: Ey er hat köſtliche Dinge geſagt; und „man ſie weiter fragt: Was war es denn? „ſprechen ſie: Jch weiß es nicht.“ (Luther nach Matheſius.) „Jn der Kirche oder Gemeine ſoll „man reden wie im Haus daheim, die einfältige „Mutterſprache, die jedermann verſteht, die je¬
B b
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0415"n="385"/><fwtype="pageNum"place="top">385<lb/></fw>Schulwitz. Sprachen die keiner Volksfaßlich¬<lb/>
keit fähig ſind, haben übergeſchnappt; wie Mi¬<lb/>
das der Alles durch Anrühren in Gold ver¬<lb/>
wandelt, und dem ſchrecklichſten Hungertode ent¬<lb/>
gegenſchaudert. Sprachen die nur Zungen fürs<lb/>
gemeine Leben haben, zu jedem höhern Aufflug<lb/>
verſtutzt ſind, ſinken zur Thierheit, wo wirre<lb/>
Thierſchälle zum Verkehr genügen. Die Volks¬<lb/>
faßlichkeit will auch ihre Muſe haben, und be¬<lb/>
darf jetzt mehr wie ſonſt einer ſorgfältigen wiſ¬<lb/>ſenſchaftlichen Sichtung, und der Nachhülfe der<lb/>ſchönen Redekünſte.</p><lb/><listBibl><bibl>Greiling's Theorie der Popularität.</bibl></listBibl><lb/><p>„Den gemeinen Mann muß man nicht<lb/>„mit hohen, ſchweren, und verdeckten Worten<lb/>„lehren. Es kommen in die Kirche kleine Kin¬<lb/>„der, Mägde, alte Frauen und Männer, denen<lb/>„iſt hohe Lehre nichts nütze. Und wenn ſie ſchon<lb/>„ſagen: Ey er hat köſtliche Dinge geſagt; und<lb/>„man ſie weiter fragt: Was war es denn?<lb/>„ſprechen ſie: Jch weiß es nicht.“ (Luther nach<lb/>
Matheſius.) „Jn der Kirche oder Gemeine ſoll<lb/>„man reden wie im Haus daheim, die einfältige<lb/>„Mutterſprache, die jedermann verſteht, die je¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[385/0415]
385
Schulwitz. Sprachen die keiner Volksfaßlich¬
keit fähig ſind, haben übergeſchnappt; wie Mi¬
das der Alles durch Anrühren in Gold ver¬
wandelt, und dem ſchrecklichſten Hungertode ent¬
gegenſchaudert. Sprachen die nur Zungen fürs
gemeine Leben haben, zu jedem höhern Aufflug
verſtutzt ſind, ſinken zur Thierheit, wo wirre
Thierſchälle zum Verkehr genügen. Die Volks¬
faßlichkeit will auch ihre Muſe haben, und be¬
darf jetzt mehr wie ſonſt einer ſorgfältigen wiſ¬
ſenſchaftlichen Sichtung, und der Nachhülfe der
ſchönen Redekünſte.
Greiling's Theorie der Popularität.
„Den gemeinen Mann muß man nicht
„mit hohen, ſchweren, und verdeckten Worten
„lehren. Es kommen in die Kirche kleine Kin¬
„der, Mägde, alte Frauen und Männer, denen
„iſt hohe Lehre nichts nütze. Und wenn ſie ſchon
„ſagen: Ey er hat köſtliche Dinge geſagt; und
„man ſie weiter fragt: Was war es denn?
„ſprechen ſie: Jch weiß es nicht.“ (Luther nach
Matheſius.) „Jn der Kirche oder Gemeine ſoll
„man reden wie im Haus daheim, die einfältige
„Mutterſprache, die jedermann verſteht, die je¬
B b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/415>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.