sein können, waltet des Volks ursprünglicher Ur¬ geist. Und der Mensch, der als Überbleibsel seiner Gottähnlichkeit den Trieb zur Vollkomm¬ nung bewahrt, muß doch Urbilder und Muster sich ohnedieß selbst erschaffen. Wie schön, wel¬ che herrliche Erleichterung seines Strebens, wenn es also Vorbilder giebt!
Der Grieche hatte die Urgriechheit im Ho¬ mer; der Neuperser wallfahrtet zum Schach Nameh; Jtalien mit den Trümmern einer men¬ schengeschaffenen zwiefachen Wunderwelt, seinen Feuerbergen, Schneefirnen, Schönheiten und Erhabenheiten in jeder Mannigfaltigkeit eines ewigen Frühlings blüht in Dante, Petrarcha, Ariosto und Tasso; die feurigen edelgeistigen Heldenseelen vom Cid und Cervantes nebst Cal¬ derons Riesengebilden werden in den Andenthä¬ lern noch wohnen, wenn Europa sie nicht mehr beherbergt; Lusitaner und ihre Brasilischen En¬ kel können im Camoens einen Vorsänger vereh¬ ren; aus dem einzigen Shakespear ist der Eng¬ länder wiederherzustellen, wenn auch der Nach¬ bar London verschlingt, und die Themse ver¬ schüttet! Was setzen wir Deutsche diesen jetzt
ſein können, waltet des Volks urſprünglicher Ur¬ geiſt. Und der Menſch, der als Überbleibſel ſeiner Gottähnlichkeit den Trieb zur Vollkomm¬ nung bewahrt, muß doch Urbilder und Muſter ſich ohnedieß ſelbſt erſchaffen. Wie ſchön, wel¬ che herrliche Erleichterung ſeines Strebens, wenn es alſo Vorbilder giebt!
Der Grieche hatte die Urgriechheit im Ho¬ mer; der Neuperſer wallfahrtet zum Schach Nameh; Jtalien mit den Trümmern einer men¬ ſchengeſchaffenen zwiefachen Wunderwelt, ſeinen Feuerbergen, Schneefirnen, Schönheiten und Erhabenheiten in jeder Mannigfaltigkeit eines ewigen Frühlings blüht in Dante, Petrarcha, Arioſto und Taſſo; die feurigen edelgeiſtigen Heldenſeelen vom Cid und Cervantes nebſt Cal¬ derons Rieſengebilden werden in den Andenthä¬ lern noch wohnen, wenn Europa ſie nicht mehr beherbergt; Luſitaner und ihre Braſiliſchen En¬ kel können im Camoens einen Vorſänger vereh¬ ren; aus dem einzigen Shakeſpear iſt der Eng¬ länder wiederherzuſtellen, wenn auch der Nach¬ bar London verſchlingt, und die Themſe ver¬ ſchüttet! Was ſetzen wir Deutſche dieſen jetzt
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ſein können, waltet des Volks urſprünglicher Ur¬
geiſt. Und der Menſch, der als Überbleibſel
ſeiner Gottähnlichkeit den Trieb zur Vollkomm¬
nung bewahrt, muß doch Urbilder und Muſter
ſich ohnedieß ſelbſt erſchaffen. Wie ſchön, wel¬
che herrliche Erleichterung ſeines Strebens, wenn
es alſo Vorbilder giebt!
Der Grieche hatte die Urgriechheit im Ho¬
mer; der Neuperſer wallfahrtet zum Schach
Nameh; Jtalien mit den Trümmern einer men¬
ſchengeſchaffenen zwiefachen Wunderwelt, ſeinen
Feuerbergen, Schneefirnen, Schönheiten und
Erhabenheiten in jeder Mannigfaltigkeit eines
ewigen Frühlings blüht in Dante, Petrarcha,
Arioſto und Taſſo; die feurigen edelgeiſtigen
Heldenſeelen vom Cid und Cervantes nebſt Cal¬
derons Rieſengebilden werden in den Andenthä¬
lern noch wohnen, wenn Europa ſie nicht mehr
beherbergt; Luſitaner und ihre Braſiliſchen En¬
kel können im Camoens einen Vorſänger vereh¬
ren; aus dem einzigen Shakeſpear iſt der Eng¬
länder wiederherzuſtellen, wenn auch der Nach¬
bar London verſchlingt, und die Themſe ver¬
ſchüttet! Was ſetzen wir Deutſche dieſen jetzt
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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