thümliches Denken und Fühlen, Lieben und Hassen, Frohseyn und Trauern, Leiden und Handeln, Entbehren und Genießen, Hoffen und Sehnen, Ahnen und Glauben. Das bringt alle die einzelnen Menschen des Volks, ohne daß ihre Freiheit und Selbstständigkeit untergeht, sondern gerade noch mehr gestärkt wird, in der Viel- und Allverbindung mit den Übrigen, zu einer schönverbundenen Gemeinde.
Für dieß Wandelnde und Bleibende, Lang¬ samwachsende und Langdauernde, Zerstörtwer¬ dende und Unvergängliche; was die ganze Völ¬ kergeschichte durchdringt, bald ebengebohren, bald unvollkommen entwickelt, auf allen Bildungsstu¬ fen bis zur Schöngestalt und zum Mustergebil¬ de angetroffen wird -- gab es kein Wort in unserer Sprache mehr, und giebt es auch keins in den mir bekannten. Zwar theilweise ward endlich bei uns in neuern Zeiten versucht dassel¬ be auszusprechen; doch unglücklicher Weise nahm die Bequemlichkeitssucht ihre alte Zuflucht zur Ausländerei; borgte, um der eigenen Arbeit überhoben zu sein; radebrechte das Fremde, um bei der Muttersprache in keine Verantwortlich¬
thümliches Denken und Fühlen, Lieben und Haſſen, Frohſeyn und Trauern, Leiden und Handeln, Entbehren und Genießen, Hoffen und Sehnen, Ahnen und Glauben. Das bringt alle die einzelnen Menſchen des Volks, ohne daß ihre Freiheit und Selbſtſtändigkeit untergeht, ſondern gerade noch mehr geſtärkt wird, in der Viel- und Allverbindung mit den Übrigen, zu einer ſchönverbundenen Gemeinde.
Für dieß Wandelnde und Bleibende, Lang¬ ſamwachſende und Langdauernde, Zerſtörtwer¬ dende und Unvergängliche; was die ganze Völ¬ kergeſchichte durchdringt, bald ebengebohren, bald unvollkommen entwickelt, auf allen Bildungsſtu¬ fen bis zur Schöngeſtalt und zum Muſtergebil¬ de angetroffen wird — gab es kein Wort in unſerer Sprache mehr, und giebt es auch keins in den mir bekannten. Zwar theilweiſe ward endlich bei uns in neuern Zeiten verſucht daſſel¬ be auszuſprechen; doch unglücklicher Weiſe nahm die Bequemlichkeitsſucht ihre alte Zuflucht zur Ausländerei; borgte, um der eigenen Arbeit überhoben zu ſein; radebrechte das Fremde, um bei der Mutterſprache in keine Verantwortlich¬
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thümliches Denken und Fühlen, Lieben und
Haſſen, Frohſeyn und Trauern, Leiden und
Handeln, Entbehren und Genießen, Hoffen und
Sehnen, Ahnen und Glauben. Das bringt alle
die einzelnen Menſchen des Volks, ohne daß
ihre Freiheit und Selbſtſtändigkeit untergeht,
ſondern gerade noch mehr geſtärkt wird, in der
Viel- und Allverbindung mit den Übrigen, zu
einer ſchönverbundenen Gemeinde.
Für dieß Wandelnde und Bleibende, Lang¬
ſamwachſende und Langdauernde, Zerſtörtwer¬
dende und Unvergängliche; was die ganze Völ¬
kergeſchichte durchdringt, bald ebengebohren, bald
unvollkommen entwickelt, auf allen Bildungsſtu¬
fen bis zur Schöngeſtalt und zum Muſtergebil¬
de angetroffen wird — gab es kein Wort in
unſerer Sprache mehr, und giebt es auch keins
in den mir bekannten. Zwar theilweiſe ward
endlich bei uns in neuern Zeiten verſucht daſſel¬
be auszuſprechen; doch unglücklicher Weiſe nahm
die Bequemlichkeitsſucht ihre alte Zuflucht zur
Ausländerei; borgte, um der eigenen Arbeit
überhoben zu ſein; radebrechte das Fremde, um
bei der Mutterſprache in keine Verantwortlich¬
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/38>, abgerufen am 23.11.2024.
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