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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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Unsere Zeitgeschichte befaßt Ereignisse, wel¬
che die Zeitgenossen nur mit Seufzern bezeich¬
nen können. -- Auch der große Mann muß
Mensch bleiben, selbst wenn er gottmenschliche
Thaten gethan hat. Gerade sein Menschsein
macht ihn erhaben in Hoheit und Hehrheit, als
Gott bliebe er uns nicht mehr unbegreiflich.
Herkules erkämpfte sich den Götterrang im Le¬
ben; aber erst nach dem Tode ward er eine
Gottheit. So ging es den Edelsten aller Zei¬
ten, sie hielten die Vergötterung während des
Erdenlebens für Schmach, aber die Menschheit
verehrt sie als wohlthätige Schutzgeister. --
Nach mehreren Beispielen (in den Geschichten
einer Alles überwältigenden Größe) war oft der
letzte Beschließer eben so sehr die Unehre des
Stamms, als der Ahnherr der Ruhm seiner
Sprossen.

Jn den Zollern ist dem Deutschen Nord¬
reich ein wohlthätiges Gestirn erschienen. Mit
festem Blick auf seinen unveränderlichen Stand
haben sich endlich die kleinen schutzlosen Völk¬
lein zu einem einigen Volke zusammengefunden.
Es ist eine menschliche Familiengeschichte eines

Unſere Zeitgeſchichte befaßt Ereigniſſe, wel¬
che die Zeitgenoſſen nur mit Seufzern bezeich¬
nen können. — Auch der große Mann muß
Menſch bleiben, ſelbſt wenn er gottmenſchliche
Thaten gethan hat. Gerade ſein Menſchſein
macht ihn erhaben in Hoheit und Hehrheit, als
Gott bliebe er uns nicht mehr unbegreiflich.
Herkules erkämpfte ſich den Götterrang im Le¬
ben; aber erſt nach dem Tode ward er eine
Gottheit. So ging es den Edelſten aller Zei¬
ten, ſie hielten die Vergötterung während des
Erdenlebens für Schmach, aber die Menſchheit
verehrt ſie als wohlthätige Schutzgeiſter. —
Nach mehreren Beiſpielen (in den Geſchichten
einer Alles überwältigenden Größe) war oft der
letzte Beſchließer eben ſo ſehr die Unehre des
Stamms, als der Ahnherr der Ruhm ſeiner
Sproſſen.

Jn den Zollern iſt dem Deutſchen Nord¬
reich ein wohlthätiges Geſtirn erſchienen. Mit
feſtem Blick auf ſeinen unveränderlichen Stand
haben ſich endlich die kleinen ſchutzloſen Völk¬
lein zu einem einigen Volke zuſammengefunden.
Es iſt eine menſchliche Familiengeſchichte eines

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[281/0311] 281 Unſere Zeitgeſchichte befaßt Ereigniſſe, wel¬ che die Zeitgenoſſen nur mit Seufzern bezeich¬ nen können. — Auch der große Mann muß Menſch bleiben, ſelbſt wenn er gottmenſchliche Thaten gethan hat. Gerade ſein Menſchſein macht ihn erhaben in Hoheit und Hehrheit, als Gott bliebe er uns nicht mehr unbegreiflich. Herkules erkämpfte ſich den Götterrang im Le¬ ben; aber erſt nach dem Tode ward er eine Gottheit. So ging es den Edelſten aller Zei¬ ten, ſie hielten die Vergötterung während des Erdenlebens für Schmach, aber die Menſchheit verehrt ſie als wohlthätige Schutzgeiſter. — Nach mehreren Beiſpielen (in den Geſchichten einer Alles überwältigenden Größe) war oft der letzte Beſchließer eben ſo ſehr die Unehre des Stamms, als der Ahnherr der Ruhm ſeiner Sproſſen. Jn den Zollern iſt dem Deutſchen Nord¬ reich ein wohlthätiges Geſtirn erſchienen. Mit feſtem Blick auf ſeinen unveränderlichen Stand haben ſich endlich die kleinen ſchutzloſen Völk¬ lein zu einem einigen Volke zuſammengefunden. Es iſt eine menſchliche Familiengeſchichte eines

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/311>, abgerufen am 27.11.2024.