andere Mythologie füllt seine Einbildungskraft! Man gebe ihm, was sein ist. Dem großen Friedrich wird er keinen Schnurrbart machen, und dem großen Kurfürsten keine Perücke auf den Kopf setzen. Achtet doch der gemeine Mann selbst Eulenspiegels Geist, Sinn und Witz, und wallfahrtet ohne Zerstörungssucht zu "des seligen Herren" Grabmahlslinde nach Möl¬ len im Lauenburgischen. Aber Venus und Bac¬ chus, wo er sie nackt zur Schau gestellt findet, bemahlt er mit Röthel und Kohle. Hätte ihm doch auch Schiller gewiß um keinen Preis "die Götter Griechenlands" vorgesungen; und hat sie auch nicht für des Marktes Zusammenlauf gedichtet. Das Volk urtheilt nach seinem schlich¬ ten Menschenverstand, und wohl der Welt, wenn es dabei bleibt. Was auf Othaheite öffentlich am hellen Mittag geschieht, duldet Berlins Pö¬ bel nicht unter den Linden bei Laternenschein. Vulkan fängt Venus und Mars im künstlichen Geschmeide, und ruft den ganzen Olymp zum Zeugen seiner Schande und Überlist. Jn Deutsch¬ land befestigen die Belauerer ein sich preisgeben¬ des Paar durch Nadel und Zwirn. Ländlich, sittig!
andere Mythologie füllt ſeine Einbildungskraft! Man gebe ihm, was ſein iſt. Dem großen Friedrich wird er keinen Schnurrbart machen, und dem großen Kurfürſten keine Perücke auf den Kopf ſetzen. Achtet doch der gemeine Mann ſelbſt Eulenſpiegels Geiſt, Sinn und Witz, und wallfahrtet ohne Zerſtörungsſucht zu „des ſeligen Herren“ Grabmahlslinde nach Möl¬ len im Lauenburgiſchen. Aber Venus und Bac¬ chus, wo er ſie nackt zur Schau geſtellt findet, bemahlt er mit Röthel und Kohle. Hätte ihm doch auch Schiller gewiß um keinen Preis „die Götter Griechenlands“ vorgeſungen; und hat ſie auch nicht für des Marktes Zuſammenlauf gedichtet. Das Volk urtheilt nach ſeinem ſchlich¬ ten Menſchenverſtand, und wohl der Welt, wenn es dabei bleibt. Was auf Othaheite öffentlich am hellen Mittag geſchieht, duldet Berlins Pö¬ bel nicht unter den Linden bei Laternenſchein. Vulkan fängt Venus und Mars im künſtlichen Geſchmeide, und ruft den ganzen Olymp zum Zeugen ſeiner Schande und Überliſt. Jn Deutſch¬ land befeſtigen die Belauerer ein ſich preisgeben¬ des Paar durch Nadel und Zwirn. Ländlich, ſittig!
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andere Mythologie füllt ſeine Einbildungskraft!
Man gebe ihm, was ſein iſt. Dem großen
Friedrich wird er keinen Schnurrbart machen,
und dem großen Kurfürſten keine Perücke auf
den Kopf ſetzen. Achtet doch der gemeine Mann
ſelbſt Eulenſpiegels Geiſt, Sinn und Witz,
und wallfahrtet ohne Zerſtörungsſucht zu „des
ſeligen Herren“ Grabmahlslinde nach Möl¬
len im Lauenburgiſchen. Aber Venus und Bac¬
chus, wo er ſie nackt zur Schau geſtellt findet,
bemahlt er mit Röthel und Kohle. Hätte ihm
doch auch Schiller gewiß um keinen Preis „die
Götter Griechenlands“ vorgeſungen; und hat
ſie auch nicht für des Marktes Zuſammenlauf
gedichtet. Das Volk urtheilt nach ſeinem ſchlich¬
ten Menſchenverſtand, und wohl der Welt, wenn
es dabei bleibt. Was auf Othaheite öffentlich
am hellen Mittag geſchieht, duldet Berlins Pö¬
bel nicht unter den Linden bei Laternenſchein.
Vulkan fängt Venus und Mars im künſtlichen
Geſchmeide, und ruft den ganzen Olymp zum
Zeugen ſeiner Schande und Überliſt. Jn Deutſch¬
land befeſtigen die Belauerer ein ſich preisgeben¬
des Paar durch Nadel und Zwirn. Ländlich, ſittig!
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/268>, abgerufen am 22.11.2024.
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