eines Volks muß in seinem Geiste, und seiner Sprache gelehrt werden; es muß darin auftreten wie es leibte und lebte. Nicht wer einen Stie¬ fel schreibt, ist ein wahrer Schreiber, und nicht jeder der Dinge gelegentlich gesehn und geflis¬ sentlich erlauscht, beiläufig gehört und mühsam erhorcht hat, ist darum schon zur Geschichtschrei¬ bung berufen. Ein Weltohr und Weltauge muß er mit auf die Welt bringen, darf nicht übersichtig und überhörig kommen, die höhere Begeisterung giebt alsdann das Leben. Jeder¬ zeit entflieht sie dem Kerker der Stubengelehrten und Bücherwärmer. Die That fühlt und schreibt sich eindringlicher auf dem Thatenfelde, als in der Klause; so zeichnet der Mahler treffender nach dem Leben, als in der Einbildungskraft. Das Menschenwort zur Geschichte gesprochen kann Alles werden, mit ewigen Schwingen fliegt es durch die Zeiten, von Geschlecht zu Geschlecht. Tacitus hat Rom überlebt, und die den Him¬ mel von der Erde wütheten leiden dort ihre Hölle. Volksthümlich sein, Volksthum geschichtlich auf¬ fassen, und in der Muttersprache verkünden, ist die heilige Drei der Geschichtschreibung. Der
eines Volks muß in ſeinem Geiſte, und ſeiner Sprache gelehrt werden; es muß darin auftreten wie es leibte und lebte. Nicht wer einen Stie¬ fel ſchreibt, iſt ein wahrer Schreiber, und nicht jeder der Dinge gelegentlich geſehn und gefliſ¬ ſentlich erlauſcht, beiläufig gehört und mühſam erhorcht hat, iſt darum ſchon zur Geſchichtſchrei¬ bung berufen. Ein Weltohr und Weltauge muß er mit auf die Welt bringen, darf nicht überſichtig und überhörig kommen, die höhere Begeiſterung giebt alsdann das Leben. Jeder¬ zeit entflieht ſie dem Kerker der Stubengelehrten und Bücherwärmer. Die That fühlt und ſchreibt ſich eindringlicher auf dem Thatenfelde, als in der Klauſe; ſo zeichnet der Mahler treffender nach dem Leben, als in der Einbildungskraft. Das Menſchenwort zur Geſchichte geſprochen kann Alles werden, mit ewigen Schwingen fliegt es durch die Zeiten, von Geſchlecht zu Geſchlecht. Tacitus hat Rom überlebt, und die den Him¬ mel von der Erde wütheten leiden dort ihre Hölle. Volksthümlich ſein, Volksthum geſchichtlich auf¬ faſſen, und in der Mutterſprache verkünden, iſt die heilige Drei der Geſchichtſchreibung. Der
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wie es leibte und lebte. Nicht wer einen Stie¬
fel ſchreibt, iſt ein wahrer Schreiber, und nicht
jeder der Dinge gelegentlich geſehn und gefliſ¬
ſentlich erlauſcht, beiläufig gehört und mühſam
erhorcht hat, iſt darum ſchon zur Geſchichtſchrei¬
bung berufen. Ein Weltohr und Weltauge
muß er mit auf die Welt bringen, darf nicht
überſichtig und überhörig kommen, die höhere
Begeiſterung giebt alsdann das Leben. Jeder¬
zeit entflieht ſie dem Kerker der Stubengelehrten
und Bücherwärmer. Die That fühlt und ſchreibt
ſich eindringlicher auf dem Thatenfelde, als in
der Klauſe; ſo zeichnet der Mahler treffender
nach dem Leben, als in der Einbildungskraft.
Das Menſchenwort zur Geſchichte geſprochen
kann Alles werden, mit ewigen Schwingen fliegt
es durch die Zeiten, von Geſchlecht zu Geſchlecht.
Tacitus hat Rom überlebt, und die den Him¬
mel von der Erde wütheten leiden dort ihre Hölle.
Volksthümlich ſein, Volksthum geſchichtlich auf¬
faſſen, und in der Mutterſprache verkünden, iſt
die heilige Drei der Geſchichtſchreibung. Der
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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