dann bei Gelegenheit so zu sterben. Der große Haufen ist damit vollkommen zufrieden, und aus seinen Büchern lernt er es nicht anders. Aber so wenig der für einen Arzt gelten kann, der wohl weiß daß der Kranke leidet; allenfalls auch noch versteht, was ihm fehlt; sich aufs Höchste vor Ansteckung in Acht nimmt; übrigens bei Leibe nicht sich mit Heilungsversuchen ab¬ giebt: So bleibt auch der ein armseliger Halb¬ menschenkenner, der nur von Schwächen, Feh¬ lern, Mängeln, Jrrthümern, Vorurtheilen, Lei¬ denschaften, Gebrechen und Lastern Bescheid weiß. Zu einem guten Unterhaltungsbuch gehört mehr, als diese einseitige Abschilderung der schlimmsten Seite. Biedere und Brave bezwecken Menschen- und menschlicher Anstalten Vollkommnung, und es giebt Raum für die Tugend in jedem Würkungskreise. Man muß sie öffentlich von jedermann fordern, nur im Stillen nicht von jedem erwarten. Allmutter Natur verwünscht kein Kind mit dem Bann, jedes kann edel wol¬ len; sie ächtet keinen wahren Sohn, jeder kann brav sein. Und so beschränkt ist keine Zeit, und so eingeengt kein Raum, daß nicht ein Thaten¬
dann bei Gelegenheit ſo zu ſterben. Der große Haufen iſt damit vollkommen zufrieden, und aus ſeinen Büchern lernt er es nicht anders. Aber ſo wenig der für einen Arzt gelten kann, der wohl weiß daß der Kranke leidet; allenfalls auch noch verſteht, was ihm fehlt; ſich aufs Höchſte vor Anſteckung in Acht nimmt; übrigens bei Leibe nicht ſich mit Heilungsverſuchen ab¬ giebt: So bleibt auch der ein armſeliger Halb¬ menſchenkenner, der nur von Schwächen, Feh¬ lern, Mängeln, Jrrthümern, Vorurtheilen, Lei¬ denſchaften, Gebrechen und Laſtern Beſcheid weiß. Zu einem guten Unterhaltungsbuch gehört mehr, als dieſe einſeitige Abſchilderung der ſchlimmſten Seite. Biedere und Brave bezwecken Menſchen- und menſchlicher Anſtalten Vollkommnung, und es giebt Raum für die Tugend in jedem Würkungskreiſe. Man muß ſie öffentlich von jedermann fordern, nur im Stillen nicht von jedem erwarten. Allmutter Natur verwünſcht kein Kind mit dem Bann, jedes kann edel wol¬ len; ſie ächtet keinen wahren Sohn, jeder kann brav ſein. Und ſo beſchränkt iſt keine Zeit, und ſo eingeengt kein Raum, daß nicht ein Thaten¬
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dann bei Gelegenheit ſo zu ſterben. Der große
Haufen iſt damit vollkommen zufrieden, und aus
ſeinen Büchern lernt er es nicht anders. Aber
ſo wenig der für einen Arzt gelten kann, der
wohl weiß daß der Kranke leidet; allenfalls
auch noch verſteht, was ihm fehlt; ſich aufs
Höchſte vor Anſteckung in Acht nimmt; übrigens
bei Leibe nicht ſich mit Heilungsverſuchen ab¬
giebt: So bleibt auch der ein armſeliger Halb¬
menſchenkenner, der nur von Schwächen, Feh¬
lern, Mängeln, Jrrthümern, Vorurtheilen, Lei¬
denſchaften, Gebrechen und Laſtern Beſcheid weiß.
Zu einem guten Unterhaltungsbuch gehört mehr,
als dieſe einſeitige Abſchilderung der ſchlimmſten
Seite. Biedere und Brave bezwecken Menſchen-
und menſchlicher Anſtalten Vollkommnung,
und es giebt Raum für die Tugend in jedem
Würkungskreiſe. Man muß ſie öffentlich von
jedermann fordern, nur im Stillen nicht von
jedem erwarten. Allmutter Natur verwünſcht
kein Kind mit dem Bann, jedes kann edel wol¬
len; ſie ächtet keinen wahren Sohn, jeder kann
brav ſein. Und ſo beſchränkt iſt keine Zeit, und
ſo eingeengt kein Raum, daß nicht ein Thaten¬
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/237>, abgerufen am 27.11.2024.
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