von kindisch und Kindischheit unterschieden, wie weiblich von weibisch.
Jahn's Bereicherung des Hochdeutschen Sprach¬ schatzes, versucht im Gebiete der Sinnver¬ wandtschaft, ein Nachtrag zu Adelung's, eine Nachlese zu Eberhard's Wörterbuch. Leipzig bei A. F. Böhme. 1806.
Wenn die Kinder nicht mehr kindlich ih¬ ren Lebensanfang beginnen, werden die Ältern kindisch, und so folgt die Strafe der Sünde auf dem Fuße. Wo das Mägdchen nicht töchter¬ lich, der Knabe nicht söhnlich gelassen wird, kommen Vater und Mutter unter die Puppe und das Steckenpferd entkindlichter Ju¬ gend. Jst erst die schöne Kindlichkeit heraus, so würkt die bloße thierische Kindschaft nicht viel mehr, und vergebens wird man in spätern Jahren versuchen, das Versäumte nachzuhohlen. Das vergröberte Gefühl verknöchert sich in ei¬ nen Krebspanzer, jeder geschnellte Witzbolzen prallt ab; zweideutiger Scherz, doppelsinniger Spaß, und nörgelnder Spott, regen das dick¬ fellige Gürtelthier -- nur zur Naseweisheit. Ein steuerloser Nachen, treibt die Kindheit ohne
von kindiſch und Kindiſchheit unterſchieden, wie weiblich von weibiſch.
Jahn's Bereicherung des Hochdeutſchen Sprach¬ ſchatzes, verſucht im Gebiete der Sinnver¬ wandtſchaft, ein Nachtrag zu Adelung's, eine Nachleſe zu Eberhard's Wörterbuch. Leipzig bei A. F. Böhme. 1806.
Wenn die Kinder nicht mehr kindlich ih¬ ren Lebensanfang beginnen, werden die Ältern kindiſch, und ſo folgt die Strafe der Sünde auf dem Fuße. Wo das Mägdchen nicht töchter¬ lich, der Knabe nicht ſöhnlich gelaſſen wird, kommen Vater und Mutter unter die Puppe und das Steckenpferd entkindlichter Ju¬ gend. Jſt erſt die ſchöne Kindlichkeit heraus, ſo würkt die bloße thieriſche Kindſchaft nicht viel mehr, und vergebens wird man in ſpätern Jahren verſuchen, das Verſäumte nachzuhohlen. Das vergröberte Gefühl verknöchert ſich in ei¬ nen Krebspanzer, jeder geſchnellte Witzbolzen prallt ab; zweideutiger Scherz, doppelſinniger Spaß, und nörgelnder Spott, regen das dick¬ fellige Gürtelthier — nur zur Naſeweiſheit. Ein ſteuerloſer Nachen, treibt die Kindheit ohne
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0205"n="175"/><fwtype="pageNum"place="top">175<lb/></fw>von <hirendition="#g">kindiſch</hi> und <hirendition="#g">Kindiſchheit</hi> unterſchieden,<lb/>
wie weiblich von weibiſch.</p><lb/><listBibl><bibl>Jahn's Bereicherung des Hochdeutſchen Sprach¬<lb/>ſchatzes, verſucht im Gebiete der Sinnver¬<lb/>
wandtſchaft, ein Nachtrag zu Adelung's, eine<lb/>
Nachleſe zu Eberhard's Wörterbuch. Leipzig<lb/>
bei A. F. Böhme. 1806.</bibl></listBibl><lb/><p>Wenn die Kinder nicht mehr <hirendition="#g">kindlich</hi> ih¬<lb/>
ren Lebensanfang beginnen, werden die Ältern<lb/>
kindiſch, und ſo folgt die Strafe der Sünde auf<lb/>
dem Fuße. Wo das Mägdchen nicht <hirendition="#g">töchter¬<lb/>
lich</hi>, der Knabe nicht <hirendition="#g">ſöhnlich</hi> gelaſſen wird,<lb/>
kommen Vater und Mutter unter die Puppe<lb/>
und das Steckenpferd <hirendition="#g">entkindlichter Ju¬<lb/>
gend</hi>. Jſt erſt die ſchöne Kindlichkeit heraus,<lb/>ſo würkt die bloße thieriſche Kindſchaft nicht<lb/>
viel mehr, und vergebens wird man in ſpätern<lb/>
Jahren verſuchen, das Verſäumte nachzuhohlen.<lb/>
Das vergröberte Gefühl verknöchert ſich in ei¬<lb/>
nen Krebspanzer, jeder geſchnellte Witzbolzen<lb/>
prallt ab; zweideutiger Scherz, doppelſinniger<lb/>
Spaß, und nörgelnder Spott, regen das dick¬<lb/>
fellige Gürtelthier — nur zur Naſeweiſheit.<lb/>
Ein ſteuerloſer Nachen, treibt die Kindheit ohne<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0205]
175
von kindiſch und Kindiſchheit unterſchieden,
wie weiblich von weibiſch.
Jahn's Bereicherung des Hochdeutſchen Sprach¬
ſchatzes, verſucht im Gebiete der Sinnver¬
wandtſchaft, ein Nachtrag zu Adelung's, eine
Nachleſe zu Eberhard's Wörterbuch. Leipzig
bei A. F. Böhme. 1806.
Wenn die Kinder nicht mehr kindlich ih¬
ren Lebensanfang beginnen, werden die Ältern
kindiſch, und ſo folgt die Strafe der Sünde auf
dem Fuße. Wo das Mägdchen nicht töchter¬
lich, der Knabe nicht ſöhnlich gelaſſen wird,
kommen Vater und Mutter unter die Puppe
und das Steckenpferd entkindlichter Ju¬
gend. Jſt erſt die ſchöne Kindlichkeit heraus,
ſo würkt die bloße thieriſche Kindſchaft nicht
viel mehr, und vergebens wird man in ſpätern
Jahren verſuchen, das Verſäumte nachzuhohlen.
Das vergröberte Gefühl verknöchert ſich in ei¬
nen Krebspanzer, jeder geſchnellte Witzbolzen
prallt ab; zweideutiger Scherz, doppelſinniger
Spaß, und nörgelnder Spott, regen das dick¬
fellige Gürtelthier — nur zur Naſeweiſheit.
Ein ſteuerloſer Nachen, treibt die Kindheit ohne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/205>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.