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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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Kurze Geschichte der Stolgebühren oder geistli¬
chen Accidenzien, nebst andern Hebungen nach
ihrer Entstehung und allmähligen Entwicke¬
lung abgehandelt von H. M. G. Grellmann.
Göttingen 1785. 8.

Möge dieser achtungswerthe Mann bei ei¬
ner künftigen Auflage folgende kleine Schrift
(Über Accidenzien und Predigergebühren, eine
Herzenserleichterung von J. J. B. Trinius,
Halle 1803. 64 S. 6 Gr.) nicht übersehn. Man
kann es als öffentlicher Lehrer der Pastoralklug¬
heit noch so gut meinen, und dennoch den Volks¬
geist verkennen. "Gelehrten ist gut predigen"
schwerer dem großen Haufen. Der gemeine
Mann hat allerdings Katechismus, Gesangbuch
und Bibel, die sind aber nur Feierkleider; all¬
täglicher Nahrungsrock bleibt immer der Aber¬
glauben, und dessen Lehrgebäude ist reichhalti¬
ger, wie jedes andere. Noch besucht er After¬
kirchen
: bei Krämern, Brauern, und Schen¬
ken, nach den Waidsprüchen der durstigen Brü¬
der: "Hier reicht der liebe Herrgott schon wie¬
der seinen Arm heraus," und "keine Kirche oh¬
ne Vaterunser, kein Wirthshaus ohne zu trin¬

Kurze Geſchichte der Stolgebühren oder geiſtli¬
chen Accidenzien, nebſt andern Hebungen nach
ihrer Entſtehung und allmähligen Entwicke¬
lung abgehandelt von H. M. G. Grellmann.
Göttingen 1785. 8.

Möge dieſer achtungswerthe Mann bei ei¬
ner künftigen Auflage folgende kleine Schrift
(Über Accidenzien und Predigergebühren, eine
Herzenserleichterung von J. J. B. Trinius,
Halle 1803. 64 S. 6 Gr.) nicht überſehn. Man
kann es als öffentlicher Lehrer der Paſtoralklug¬
heit noch ſo gut meinen, und dennoch den Volks¬
geiſt verkennen. „Gelehrten iſt gut predigen“
ſchwerer dem großen Haufen. Der gemeine
Mann hat allerdings Katechismus, Geſangbuch
und Bibel, die ſind aber nur Feierkleider; all¬
täglicher Nahrungsrock bleibt immer der Aber¬
glauben, und deſſen Lehrgebäude iſt reichhalti¬
ger, wie jedes andere. Noch beſucht er After¬
kirchen
: bei Krämern, Brauern, und Schen¬
ken, nach den Waidſprüchen der durſtigen Brü¬
der: „Hier reicht der liebe Herrgott ſchon wie¬
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[138/0168] 138 Kurze Geſchichte der Stolgebühren oder geiſtli¬ chen Accidenzien, nebſt andern Hebungen nach ihrer Entſtehung und allmähligen Entwicke¬ lung abgehandelt von H. M. G. Grellmann. Göttingen 1785. 8. Möge dieſer achtungswerthe Mann bei ei¬ ner künftigen Auflage folgende kleine Schrift (Über Accidenzien und Predigergebühren, eine Herzenserleichterung von J. J. B. Trinius, Halle 1803. 64 S. 6 Gr.) nicht überſehn. Man kann es als öffentlicher Lehrer der Paſtoralklug¬ heit noch ſo gut meinen, und dennoch den Volks¬ geiſt verkennen. „Gelehrten iſt gut predigen“ ſchwerer dem großen Haufen. Der gemeine Mann hat allerdings Katechismus, Geſangbuch und Bibel, die ſind aber nur Feierkleider; all¬ täglicher Nahrungsrock bleibt immer der Aber¬ glauben, und deſſen Lehrgebäude iſt reichhalti¬ ger, wie jedes andere. Noch beſucht er After¬ kirchen: bei Krämern, Brauern, und Schen¬ ken, nach den Waidſprüchen der durſtigen Brü¬ der: „Hier reicht der liebe Herrgott ſchon wie¬ der ſeinen Arm heraus,“ und „keine Kirche oh¬ ne Vaterunſer, kein Wirthshaus ohne zu trin¬

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/168>, abgerufen am 25.11.2024.