obenheruntersterben hemmt den Fortgang der Wissenschaften. Es ist ein Todeskampf der Gipfeldürren, und eine Hungerleiderei der im vollen Wachsthum Begriffenen. Wo ist ein großer Gelehrter auf hohen Schulen, der, wenn er nicht eigen Vermögen besaß, nicht im Som¬ mer hat auf der Dachstube schwitzen, im Win¬ ter frieren müssen? Der, wenn er sich nicht ein¬ freite, nicht durch die Verfolgungsschule der al¬ ten Lehrer gegangen wäre; oder durch die Kum¬ merjahre des Privatlehrers? Jst es nicht Zeit und Geist tödtend, wenn der Jüngling Ein Jahr dazu braucht, um nur die Hefte abzu¬ schreiben, worüber sein Lehrer lieset? Warum kein Compendium? Reinhold Forster be¬ hauptete öffentlich in Halle: "Die Heftreuter dürfen ihre Hefte darum nicht drucken lassen, weil sie gekauft, ererbt und gestohlen sind!" Es ist allgemein bekannt, daß die Witzmacherei zu den gelehrten Bocksbeuteln gehört, daß die Witze hergelesen werden, und Jahr aus, Jahr ein wiederkommen, wie die Namen der Calen¬ derheiligen. Ein junger, leider zu früh gestorbe¬ ner Gelehrter, hatte diese Witze von sämmtlichen Hochschulen Deutschlands gesammelt, und wollte
obenherunterſterben hemmt den Fortgang der Wiſſenſchaften. Es iſt ein Todeskampf der Gipfeldürren, und eine Hungerleiderei der im vollen Wachsthum Begriffenen. Wo iſt ein großer Gelehrter auf hohen Schulen, der, wenn er nicht eigen Vermögen beſaß, nicht im Som¬ mer hat auf der Dachſtube ſchwitzen, im Win¬ ter frieren müſſen? Der, wenn er ſich nicht ein¬ freite, nicht durch die Verfolgungsſchule der al¬ ten Lehrer gegangen wäre; oder durch die Kum¬ merjahre des Privatlehrers? Jſt es nicht Zeit und Geiſt tödtend, wenn der Jüngling Ein Jahr dazu braucht, um nur die Hefte abzu¬ ſchreiben, worüber ſein Lehrer lieſet? Warum kein Compendium? Reinhold Forſter be¬ hauptete öffentlich in Halle: „Die Heftreuter dürfen ihre Hefte darum nicht drucken laſſen, weil ſie gekauft, ererbt und geſtohlen ſind!“ Es iſt allgemein bekannt, daß die Witzmacherei zu den gelehrten Bocksbeuteln gehört, daß die Witze hergeleſen werden, und Jahr aus, Jahr ein wiederkommen, wie die Namen der Calen¬ derheiligen. Ein junger, leider zu früh geſtorbe¬ ner Gelehrter, hatte dieſe Witze von ſämmtlichen Hochſchulen Deutſchlands geſammelt, und wollte
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obenherunterſterben hemmt den Fortgang der
Wiſſenſchaften. Es iſt ein Todeskampf der
Gipfeldürren, und eine Hungerleiderei der im
vollen Wachsthum Begriffenen. Wo iſt ein
großer Gelehrter auf hohen Schulen, der, wenn
er nicht eigen Vermögen beſaß, nicht im Som¬
mer hat auf der Dachſtube ſchwitzen, im Win¬
ter frieren müſſen? Der, wenn er ſich nicht ein¬
freite, nicht durch die Verfolgungsſchule der al¬
ten Lehrer gegangen wäre; oder durch die Kum¬
merjahre des Privatlehrers? Jſt es nicht Zeit
und Geiſt tödtend, wenn der Jüngling Ein
Jahr dazu braucht, um nur die Hefte abzu¬
ſchreiben, worüber ſein Lehrer lieſet? Warum
kein Compendium? Reinhold Forſter be¬
hauptete öffentlich in Halle: „Die Heftreuter
dürfen ihre Hefte darum nicht drucken laſſen,
weil ſie gekauft, ererbt und geſtohlen ſind!“ Es
iſt allgemein bekannt, daß die Witzmacherei
zu den gelehrten Bocksbeuteln gehört, daß die
Witze hergeleſen werden, und Jahr aus, Jahr
ein wiederkommen, wie die Namen der Calen¬
derheiligen. Ein junger, leider zu früh geſtorbe¬
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/112>, abgerufen am 24.11.2024.
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