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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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der Vielgötterey an. Er zweifelte alsdenn
nicht, daß Jehova ein Gott sey, er war
aber mit dessen Regiment nicht mehr zu-
frieden, und hoffte bey einem andern Gotte
mehr Glück zu haben *), oder er wollte sie
beide zu Freunden haben und beiden die-
nen. Es war sehr gewöhnlich, daß die
Völker ordentliche Bündnisse mit ihren
Gottheiten machten **). Die Jsraeliten
aber hatten das Bündniß mit Gott gemacht,
daß sie keine andere Gottheit neben ihm eh-
ren wollten, er aber hatte ihnen unter die-
ser Bedingung das gelobte Land eingege-
ben. Wenn sie derowegen diesen Bund
brachen, so begiengen sie das Verbrechen
eines Ueberläufers, der sich an einer gewis-
sen Fahne verpflichtet, und selbige in der
Hoffnung verlässet, es bey einer andern Fah-
ne besser zu finden. Ein solcher machet
sich eines Verbrechens schuldig und ist aller-
dings strafbar. Ein Jsraelite, der den
Götzen opferte, wurde derowegen nicht ge-
strafet, weil er irrete und nicht wuste, daß
Jehova Gott wäre, sondern weil er wußte
und bekannte, daß Jehova Gott wäre, aber
mit dessen Regierung und dem Glück, so er
ihm gab, nicht zufrieden war, und also aus
Unwillen und Trotz einem Götzen opferte.
Oder geschahe es aus Gefälligkeit gegen

eine
*) 2 Chron. C. 28. v. 23.
**) Judith. C. 11 v. 17.
E 5

der Vielgoͤtterey an. Er zweifelte alsdenn
nicht, daß Jehova ein Gott ſey, er war
aber mit deſſen Regiment nicht mehr zu-
frieden, und hoffte bey einem andern Gotte
mehr Gluͤck zu haben *), oder er wollte ſie
beide zu Freunden haben und beiden die-
nen. Es war ſehr gewoͤhnlich, daß die
Voͤlker ordentliche Buͤndniſſe mit ihren
Gottheiten machten **). Die Jſraeliten
aber hatten das Buͤndniß mit Gott gemacht,
daß ſie keine andere Gottheit neben ihm eh-
ren wollten, er aber hatte ihnen unter die-
ſer Bedingung das gelobte Land eingege-
ben. Wenn ſie derowegen dieſen Bund
brachen, ſo begiengen ſie das Verbrechen
eines Ueberlaͤufers, der ſich an einer gewiſ-
ſen Fahne verpflichtet, und ſelbige in der
Hoffnung verlaͤſſet, es bey einer andern Fah-
ne beſſer zu finden. Ein ſolcher machet
ſich eines Verbrechens ſchuldig und iſt aller-
dings ſtrafbar. Ein Jſraelite, der den
Goͤtzen opferte, wurde derowegen nicht ge-
ſtrafet, weil er irrete und nicht wuſte, daß
Jehova Gott waͤre, ſondern weil er wußte
und bekannte, daß Jehova Gott waͤre, aber
mit deſſen Regierung und dem Gluͤck, ſo er
ihm gab, nicht zufrieden war, und alſo aus
Unwillen und Trotz einem Goͤtzen opferte.
Oder geſchahe es aus Gefaͤlligkeit gegen

eine
*) 2 Chron. C. 28. v. 23.
**) Judith. C. 11 v. 17.
E 5
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[73/0093] der Vielgoͤtterey an. Er zweifelte alsdenn nicht, daß Jehova ein Gott ſey, er war aber mit deſſen Regiment nicht mehr zu- frieden, und hoffte bey einem andern Gotte mehr Gluͤck zu haben *), oder er wollte ſie beide zu Freunden haben und beiden die- nen. Es war ſehr gewoͤhnlich, daß die Voͤlker ordentliche Buͤndniſſe mit ihren Gottheiten machten **). Die Jſraeliten aber hatten das Buͤndniß mit Gott gemacht, daß ſie keine andere Gottheit neben ihm eh- ren wollten, er aber hatte ihnen unter die- ſer Bedingung das gelobte Land eingege- ben. Wenn ſie derowegen dieſen Bund brachen, ſo begiengen ſie das Verbrechen eines Ueberlaͤufers, der ſich an einer gewiſ- ſen Fahne verpflichtet, und ſelbige in der Hoffnung verlaͤſſet, es bey einer andern Fah- ne beſſer zu finden. Ein ſolcher machet ſich eines Verbrechens ſchuldig und iſt aller- dings ſtrafbar. Ein Jſraelite, der den Goͤtzen opferte, wurde derowegen nicht ge- ſtrafet, weil er irrete und nicht wuſte, daß Jehova Gott waͤre, ſondern weil er wußte und bekannte, daß Jehova Gott waͤre, aber mit deſſen Regierung und dem Gluͤck, ſo er ihm gab, nicht zufrieden war, und alſo aus Unwillen und Trotz einem Goͤtzen opferte. Oder geſchahe es aus Gefaͤlligkeit gegen eine *) 2 Chron. C. 28. v. 23. **) Judith. C. 11 v. 17. E 5

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/93>, abgerufen am 25.11.2024.