mehresten ganz und gar in die Vergessen- heit gerathen. Der eigentliche und we- sentliche Gottesdienst, nämlich die innere Verehrung des Höchsten, und die daher entstehende wahre Tugend, muß durch et- was Sinnliches unterhalten werden. Es muß desselben desto mehr seyn, je ungebaue- ter der Verstand des Menschen ist. Weil dieses aber leicht einen andern Fehler nach sich ziehet, daß man nämlich bey dem äus- serlichen stehen bleibet und auf die innere Verehrung Gottes nicht achtet, so ist gut, daß man von dem Sinnlichen immer mehr und mehr zurück lässet, nachdem die Be- griffe der Vernunft wachsen. Etwas muß aber allezeit bleiben, so die Sinne rühret. Gott hat dieses sehr weislich be- obachtet. Als er jenes rohe und annoch ungebauete Volk in der Erkänntniß und Verehrung des einigen und wahren Be- herrschers Himmels und der Erden befesti- gen, und aus diesem Volke eine so selige Erkänntniß über die ganze Erde verbrei- ten wollte, erforderte die Weisheit einen sehr sinnlichen und prächtigen äusserlichen Gottesdienst anzuordnen. Er gab ihnen eine ansehnliche Priesterschaft, große Feste, und viele Opfer. Dieses alles aber zie- lete auf zweyerley ab. Es sollte sie näm- lich in einer lebendigen Erkänntniß des ei- nigen Gottes, und daß ihr ganzes Glück von ihm herkäme, und in der Erkänntniß
ihrer
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mehreſten ganz und gar in die Vergeſſen- heit gerathen. Der eigentliche und we- ſentliche Gottesdienſt, naͤmlich die innere Verehrung des Hoͤchſten, und die daher entſtehende wahre Tugend, muß durch et- was Sinnliches unterhalten werden. Es muß deſſelben deſto mehr ſeyn, je ungebaue- ter der Verſtand des Menſchen iſt. Weil dieſes aber leicht einen andern Fehler nach ſich ziehet, daß man naͤmlich bey dem aͤuſ- ſerlichen ſtehen bleibet und auf die innere Verehrung Gottes nicht achtet, ſo iſt gut, daß man von dem Sinnlichen immer mehr und mehr zuruͤck laͤſſet, nachdem die Be- griffe der Vernunft wachſen. Etwas muß aber allezeit bleiben, ſo die Sinne ruͤhret. Gott hat dieſes ſehr weislich be- obachtet. Als er jenes rohe und annoch ungebauete Volk in der Erkaͤnntniß und Verehrung des einigen und wahren Be- herrſchers Himmels und der Erden befeſti- gen, und aus dieſem Volke eine ſo ſelige Erkaͤnntniß uͤber die ganze Erde verbrei- ten wollte, erforderte die Weisheit einen ſehr ſinnlichen und praͤchtigen aͤuſſerlichen Gottesdienſt anzuordnen. Er gab ihnen eine anſehnliche Prieſterſchaft, große Feſte, und viele Opfer. Dieſes alles aber zie- lete auf zweyerley ab. Es ſollte ſie naͤm- lich in einer lebendigen Erkaͤnntniß des ei- nigen Gottes, und daß ihr ganzes Gluͤck von ihm herkaͤme, und in der Erkaͤnntniß
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mehreſten ganz und gar in die Vergeſſen-
heit gerathen. Der eigentliche und we-
ſentliche Gottesdienſt, naͤmlich die innere
Verehrung des Hoͤchſten, und die daher
entſtehende wahre Tugend, muß durch et-
was Sinnliches unterhalten werden. Es
muß deſſelben deſto mehr ſeyn, je ungebaue-
ter der Verſtand des Menſchen iſt. Weil
dieſes aber leicht einen andern Fehler nach
ſich ziehet, daß man naͤmlich bey dem aͤuſ-
ſerlichen ſtehen bleibet und auf die innere
Verehrung Gottes nicht achtet, ſo iſt gut,
daß man von dem Sinnlichen immer mehr
und mehr zuruͤck laͤſſet, nachdem die Be-
griffe der Vernunft wachſen. Etwas
muß aber allezeit bleiben, ſo die Sinne
ruͤhret. Gott hat dieſes ſehr weislich be-
obachtet. Als er jenes rohe und annoch
ungebauete Volk in der Erkaͤnntniß und
Verehrung des einigen und wahren Be-
herrſchers Himmels und der Erden befeſti-
gen, und aus dieſem Volke eine ſo ſelige
Erkaͤnntniß uͤber die ganze Erde verbrei-
ten wollte, erforderte die Weisheit einen
ſehr ſinnlichen und praͤchtigen aͤuſſerlichen
Gottesdienſt anzuordnen. Er gab ihnen
eine anſehnliche Prieſterſchaft, große Feſte,
und viele Opfer. Dieſes alles aber zie-
lete auf zweyerley ab. Es ſollte ſie naͤm-
lich in einer lebendigen Erkaͤnntniß des ei-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/87>, abgerufen am 26.11.2024.
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