hafte Empfindungen in die Seele dringen, so setzen sie Seele und Leib in muntere Ar- beit und Bewegung. Der Mensch ge- langet zwar nach und nach zu einiger Ver- nunft, und lernet aus den empfundenen Dingen andere Vorstellungen zu machen, welche nicht in die äussern Sinne fallen. Es pflegen aber solche Vorstellungen eine geringe Kraft zu haben, wenn nichts Sinn- liches damit verbunden wird. Es haben daher alle kluge Anführer der Völker sich des Sinnlichen bedienet, wenn sie selbige in eine muntere Bewegung setzen und ih- nen ein Leben geben wollen. Und wie klüglich beobachtet man solches noch heuti- ges Tages bey dem Soldatenstande? Vor- stellungen, die nur die Vernunft fasset und sich zu weit von dem Sinnlichen entfernen, haben desto weniger Nachdruck, je weniger die Vernunft bey einer Person gebauet ist. Wer einen einfältigen Landmann, der in der Kindheit keine guten Eltern, Schul- meister und Prediger zu Anführern gehabt, für einen falschen Eid warnen soll, und hält demselben blos Himmel und Hölle vor, der wird ihn weniger in Bewegung setzen, als derjenige, der ihm saget, daß sein Vieh verrecken werde, wenn er falsch schwöret. Wollte man derowegen auch bey der Verehrung des unsichtbahren Got- tes alles Sinnliche weglassen, so würde dieselbe sehr todt seyn und bey den aller-
mehresten
hafte Empfindungen in die Seele dringen, ſo ſetzen ſie Seele und Leib in muntere Ar- beit und Bewegung. Der Menſch ge- langet zwar nach und nach zu einiger Ver- nunft, und lernet aus den empfundenen Dingen andere Vorſtellungen zu machen, welche nicht in die aͤuſſern Sinne fallen. Es pflegen aber ſolche Vorſtellungen eine geringe Kraft zu haben, wenn nichts Sinn- liches damit verbunden wird. Es haben daher alle kluge Anfuͤhrer der Voͤlker ſich des Sinnlichen bedienet, wenn ſie ſelbige in eine muntere Bewegung ſetzen und ih- nen ein Leben geben wollen. Und wie kluͤglich beobachtet man ſolches noch heuti- ges Tages bey dem Soldatenſtande? Vor- ſtellungen, die nur die Vernunft faſſet und ſich zu weit von dem Sinnlichen entfernen, haben deſto weniger Nachdruck, je weniger die Vernunft bey einer Perſon gebauet iſt. Wer einen einfaͤltigen Landmann, der in der Kindheit keine guten Eltern, Schul- meiſter und Prediger zu Anfuͤhrern gehabt, fuͤr einen falſchen Eid warnen ſoll, und haͤlt demſelben blos Himmel und Hoͤlle vor, der wird ihn weniger in Bewegung ſetzen, als derjenige, der ihm ſaget, daß ſein Vieh verrecken werde, wenn er falſch ſchwoͤret. Wollte man derowegen auch bey der Verehrung des unſichtbahren Got- tes alles Sinnliche weglaſſen, ſo wuͤrde dieſelbe ſehr todt ſeyn und bey den aller-
mehreſten
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[66/0086]
hafte Empfindungen in die Seele dringen,
ſo ſetzen ſie Seele und Leib in muntere Ar-
beit und Bewegung. Der Menſch ge-
langet zwar nach und nach zu einiger Ver-
nunft, und lernet aus den empfundenen
Dingen andere Vorſtellungen zu machen,
welche nicht in die aͤuſſern Sinne fallen.
Es pflegen aber ſolche Vorſtellungen eine
geringe Kraft zu haben, wenn nichts Sinn-
liches damit verbunden wird. Es haben
daher alle kluge Anfuͤhrer der Voͤlker ſich
des Sinnlichen bedienet, wenn ſie ſelbige
in eine muntere Bewegung ſetzen und ih-
nen ein Leben geben wollen. Und wie
kluͤglich beobachtet man ſolches noch heuti-
ges Tages bey dem Soldatenſtande? Vor-
ſtellungen, die nur die Vernunft faſſet und
ſich zu weit von dem Sinnlichen entfernen,
haben deſto weniger Nachdruck, je weniger
die Vernunft bey einer Perſon gebauet iſt.
Wer einen einfaͤltigen Landmann, der in
der Kindheit keine guten Eltern, Schul-
meiſter und Prediger zu Anfuͤhrern gehabt,
fuͤr einen falſchen Eid warnen ſoll, und
haͤlt demſelben blos Himmel und Hoͤlle
vor, der wird ihn weniger in Bewegung
ſetzen, als derjenige, der ihm ſaget, daß
ſein Vieh verrecken werde, wenn er falſch
ſchwoͤret. Wollte man derowegen auch
bey der Verehrung des unſichtbahren Got-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/86>, abgerufen am 26.11.2024.
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