aber das erste betrifft, so wissen wir ja nicht, wodurch die Seligkeit der erhöheten Freunde Jesu in dem Himmel werde un- terhalten werden. Wer kann behaupten, daß wir in jener Welt alle Vollkommen- heit auf einmal erhalten werden, und daß selbige nicht nach und nach durch gewisse Mittel werde erhöhet werden? Ja, welches ist wol am wahrscheinlichsten? Dieses, daß die Seligen alle Vollkommenheit auf einmal und ohne Mittel, blos durch ein Wunder der Allmacht, erlangen; oder daß sie nach und nach durch uns noch un- bekannte Mittel von einer Vollkommen- heit zu der andern fortgehen. Paulus versichert, daß das Stückwerk unsers hie- sigen Wissens dort aufhören und wir zu einer vollkommneren Erkänntniß gelangen würden *): ist es zu vermuthen, daß die- ses ohne alle Mittel geschehen werde? Werden unsere Begierden ohne alle Mit- tel den höchsten Grad der Heiligkeit er- langen? Finden wir Exempel in den Ein- richtungen Gottes, daß solche Sprünge in denselben geschehen? Oder wo lesen wir, daß dorten dergleichen vorgehen sollen? Was hindert uns denn dieses Holz des Lebens als ein Mittel anzusehen, wodurch die Vollkommenheit der Seeligen wird erhöhet werden? Und wer kann denn sa-
gen,
*) 1 Cor. C. 13.
F f 2
aber das erſte betrifft, ſo wiſſen wir ja nicht, wodurch die Seligkeit der erhoͤheten Freunde Jeſu in dem Himmel werde un- terhalten werden. Wer kann behaupten, daß wir in jener Welt alle Vollkommen- heit auf einmal erhalten werden, und daß ſelbige nicht nach und nach durch gewiſſe Mittel werde erhoͤhet werden? Ja, welches iſt wol am wahrſcheinlichſten? Dieſes, daß die Seligen alle Vollkommenheit auf einmal und ohne Mittel, blos durch ein Wunder der Allmacht, erlangen; oder daß ſie nach und nach durch uns noch un- bekannte Mittel von einer Vollkommen- heit zu der andern fortgehen. Paulus verſichert, daß das Stuͤckwerk unſers hie- ſigen Wiſſens dort aufhoͤren und wir zu einer vollkommneren Erkaͤnntniß gelangen wuͤrden *): iſt es zu vermuthen, daß die- ſes ohne alle Mittel geſchehen werde? Werden unſere Begierden ohne alle Mit- tel den hoͤchſten Grad der Heiligkeit er- langen? Finden wir Exempel in den Ein- richtungen Gottes, daß ſolche Spruͤnge in denſelben geſchehen? Oder wo leſen wir, daß dorten dergleichen vorgehen ſollen? Was hindert uns denn dieſes Holz des Lebens als ein Mittel anzuſehen, wodurch die Vollkommenheit der Seeligen wird erhoͤhet werden? Und wer kann denn ſa-
gen,
*) 1 Cor. C. 13.
F f 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0471"n="451"/>
aber das erſte betrifft, ſo wiſſen wir ja<lb/>
nicht, wodurch die Seligkeit der erhoͤheten<lb/>
Freunde Jeſu in dem Himmel werde un-<lb/>
terhalten werden. Wer kann behaupten,<lb/>
daß wir in jener Welt alle Vollkommen-<lb/>
heit auf einmal erhalten werden, und daß<lb/>ſelbige nicht nach und nach durch gewiſſe<lb/>
Mittel werde erhoͤhet werden? Ja, welches<lb/>
iſt wol am wahrſcheinlichſten? Dieſes,<lb/>
daß die Seligen alle Vollkommenheit auf<lb/>
einmal und ohne Mittel, blos durch ein<lb/>
Wunder der Allmacht, erlangen; oder<lb/>
daß ſie nach und nach durch uns noch un-<lb/>
bekannte Mittel von einer Vollkommen-<lb/>
heit zu der andern fortgehen. Paulus<lb/>
verſichert, daß das Stuͤckwerk unſers hie-<lb/>ſigen Wiſſens dort aufhoͤren und wir zu<lb/>
einer vollkommneren Erkaͤnntniß gelangen<lb/>
wuͤrden <noteplace="foot"n="*)">1 Cor. C. 13.</note>: iſt es zu vermuthen, daß die-<lb/>ſes ohne alle Mittel geſchehen werde?<lb/>
Werden unſere Begierden ohne alle Mit-<lb/>
tel den hoͤchſten Grad der Heiligkeit er-<lb/>
langen? Finden wir Exempel in den Ein-<lb/>
richtungen Gottes, daß ſolche Spruͤnge in<lb/>
denſelben geſchehen? Oder wo leſen wir,<lb/>
daß dorten dergleichen vorgehen ſollen?<lb/>
Was hindert uns denn dieſes Holz des<lb/>
Lebens als ein Mittel anzuſehen, wodurch<lb/>
die Vollkommenheit der Seeligen wird<lb/>
erhoͤhet werden? Und wer kann denn ſa-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">gen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[451/0471]
aber das erſte betrifft, ſo wiſſen wir ja
nicht, wodurch die Seligkeit der erhoͤheten
Freunde Jeſu in dem Himmel werde un-
terhalten werden. Wer kann behaupten,
daß wir in jener Welt alle Vollkommen-
heit auf einmal erhalten werden, und daß
ſelbige nicht nach und nach durch gewiſſe
Mittel werde erhoͤhet werden? Ja, welches
iſt wol am wahrſcheinlichſten? Dieſes,
daß die Seligen alle Vollkommenheit auf
einmal und ohne Mittel, blos durch ein
Wunder der Allmacht, erlangen; oder
daß ſie nach und nach durch uns noch un-
bekannte Mittel von einer Vollkommen-
heit zu der andern fortgehen. Paulus
verſichert, daß das Stuͤckwerk unſers hie-
ſigen Wiſſens dort aufhoͤren und wir zu
einer vollkommneren Erkaͤnntniß gelangen
wuͤrden *): iſt es zu vermuthen, daß die-
ſes ohne alle Mittel geſchehen werde?
Werden unſere Begierden ohne alle Mit-
tel den hoͤchſten Grad der Heiligkeit er-
langen? Finden wir Exempel in den Ein-
richtungen Gottes, daß ſolche Spruͤnge in
denſelben geſchehen? Oder wo leſen wir,
daß dorten dergleichen vorgehen ſollen?
Was hindert uns denn dieſes Holz des
Lebens als ein Mittel anzuſehen, wodurch
die Vollkommenheit der Seeligen wird
erhoͤhet werden? Und wer kann denn ſa-
gen,
*) 1 Cor. C. 13.
F f 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/471>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.