Wie schon erwähnet, so hatten die Brü- der und deren Frauen nach der Einrichtung ihrer Nahrung und Erbrechtes eine gar zu genaue Gemeinschaft und Umgang mit ein- ander. Mit der Frauen Schwester hatte es eine ganz andere Bewandniß. Selbi- ge war insgemein in einer ganz andern Fa- milie und Hause, und hatte nicht so vielen Umgang mit ihrem Schwager, wenigstens konnte ihn die Frau in den mehresten Fäl- len verhindern, wenn sie wollte, indem sie ihre Eltern und Verwandte bitten konnte, ihrer Schwester nicht zu erlauben, einen vertrauten Umgang mit ihrem Manne zu haben. Daher erlaubte Gott zwar diese Ehe; aber mit der weisesten und gütigsten Einschränkung. Niemanden war erlaubt, der Frauen Schwester zu heirathen, so lange die Frau noch lebte, damit durch eine solche Ehe die schwesterliche Liebe nicht leiden, und am allerwenigsten die eine Schwester um der andern willen einen Scheidebrief erhalten möchte.
§. 20.
Warum die Ehe mit ei- ner Schwe- ster verbo- then?
Jn dem neunten Verse wird verbothen, daß kein Bruder seine Schwester ehelichen soll, sie mögen beyde von einerley Eltern, oder nur Halbgeschwister seyn. Hier füh- ret der Gesetzgeber keine Ursache an, viel- leicht, weil sie nicht mit so wenigen Wor- ten zu sagen war, als die Ursachen der
übri-
Wie ſchon erwaͤhnet, ſo hatten die Bruͤ- der und deren Frauen nach der Einrichtung ihrer Nahrung und Erbrechtes eine gar zu genaue Gemeinſchaft und Umgang mit ein- ander. Mit der Frauen Schweſter hatte es eine ganz andere Bewandniß. Selbi- ge war insgemein in einer ganz andern Fa- milie und Hauſe, und hatte nicht ſo vielen Umgang mit ihrem Schwager, wenigſtens konnte ihn die Frau in den mehreſten Faͤl- len verhindern, wenn ſie wollte, indem ſie ihre Eltern und Verwandte bitten konnte, ihrer Schweſter nicht zu erlauben, einen vertrauten Umgang mit ihrem Manne zu haben. Daher erlaubte Gott zwar dieſe Ehe; aber mit der weiſeſten und guͤtigſten Einſchraͤnkung. Niemanden war erlaubt, der Frauen Schweſter zu heirathen, ſo lange die Frau noch lebte, damit durch eine ſolche Ehe die ſchweſterliche Liebe nicht leiden, und am allerwenigſten die eine Schweſter um der andern willen einen Scheidebrief erhalten moͤchte.
§. 20.
Warum die Ehe mit ei- ner Schwe- ſter verbo- then?
Jn dem neunten Verſe wird verbothen, daß kein Bruder ſeine Schweſter ehelichen ſoll, ſie moͤgen beyde von einerley Eltern, oder nur Halbgeſchwiſter ſeyn. Hier fuͤh- ret der Geſetzgeber keine Urſache an, viel- leicht, weil ſie nicht mit ſo wenigen Wor- ten zu ſagen war, als die Urſachen der
uͤbri-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0396"n="376"/>
Wie ſchon erwaͤhnet, ſo hatten die Bruͤ-<lb/>
der und deren Frauen nach der Einrichtung<lb/>
ihrer Nahrung und Erbrechtes eine gar zu<lb/>
genaue Gemeinſchaft und Umgang mit ein-<lb/>
ander. Mit der Frauen Schweſter hatte<lb/>
es eine ganz andere Bewandniß. Selbi-<lb/>
ge war insgemein in einer ganz andern Fa-<lb/>
milie und Hauſe, und hatte nicht ſo vielen<lb/>
Umgang mit ihrem Schwager, wenigſtens<lb/>
konnte ihn die Frau in den mehreſten Faͤl-<lb/>
len verhindern, wenn ſie wollte, indem ſie<lb/>
ihre Eltern und Verwandte bitten konnte,<lb/>
ihrer Schweſter nicht zu erlauben, einen<lb/>
vertrauten Umgang mit ihrem Manne zu<lb/>
haben. Daher erlaubte Gott zwar dieſe<lb/>
Ehe; aber mit der weiſeſten und guͤtigſten<lb/>
Einſchraͤnkung. Niemanden war erlaubt,<lb/>
der Frauen Schweſter zu heirathen, ſo<lb/>
lange die Frau noch lebte, damit durch<lb/>
eine ſolche Ehe die ſchweſterliche Liebe nicht<lb/>
leiden, und am allerwenigſten die eine<lb/>
Schweſter um der andern willen einen<lb/>
Scheidebrief erhalten moͤchte.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 20.</head><lb/><noteplace="left">Warum die<lb/>
Ehe mit ei-<lb/>
ner Schwe-<lb/>ſter verbo-<lb/>
then?</note><p>Jn dem neunten Verſe wird verbothen,<lb/>
daß kein Bruder ſeine Schweſter ehelichen<lb/>ſoll, ſie moͤgen beyde von einerley Eltern,<lb/>
oder nur Halbgeſchwiſter ſeyn. Hier fuͤh-<lb/>
ret der Geſetzgeber keine Urſache an, viel-<lb/>
leicht, weil ſie nicht mit ſo wenigen Wor-<lb/>
ten zu ſagen war, als die Urſachen der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">uͤbri-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[376/0396]
Wie ſchon erwaͤhnet, ſo hatten die Bruͤ-
der und deren Frauen nach der Einrichtung
ihrer Nahrung und Erbrechtes eine gar zu
genaue Gemeinſchaft und Umgang mit ein-
ander. Mit der Frauen Schweſter hatte
es eine ganz andere Bewandniß. Selbi-
ge war insgemein in einer ganz andern Fa-
milie und Hauſe, und hatte nicht ſo vielen
Umgang mit ihrem Schwager, wenigſtens
konnte ihn die Frau in den mehreſten Faͤl-
len verhindern, wenn ſie wollte, indem ſie
ihre Eltern und Verwandte bitten konnte,
ihrer Schweſter nicht zu erlauben, einen
vertrauten Umgang mit ihrem Manne zu
haben. Daher erlaubte Gott zwar dieſe
Ehe; aber mit der weiſeſten und guͤtigſten
Einſchraͤnkung. Niemanden war erlaubt,
der Frauen Schweſter zu heirathen, ſo
lange die Frau noch lebte, damit durch
eine ſolche Ehe die ſchweſterliche Liebe nicht
leiden, und am allerwenigſten die eine
Schweſter um der andern willen einen
Scheidebrief erhalten moͤchte.
§. 20.
Jn dem neunten Verſe wird verbothen,
daß kein Bruder ſeine Schweſter ehelichen
ſoll, ſie moͤgen beyde von einerley Eltern,
oder nur Halbgeſchwiſter ſeyn. Hier fuͤh-
ret der Geſetzgeber keine Urſache an, viel-
leicht, weil ſie nicht mit ſo wenigen Wor-
ten zu ſagen war, als die Urſachen der
uͤbri-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/396>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.