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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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untersaget; so würde es leicht geschehen,
daß, da alte Männer leicht junge Frauen
heirathen, schon bey dem Leben eines solchen
Mannes eine Liebe zwischen dem Sohne
und der Stiefmutter entstünde, und sie
den Vorsatz fasseten, einander nach des
Vaters Tode zu heirathen. Eine solche
Liebe und Absicht würde sich sehr leicht ver-
rathen. Und wie unangenehm würde sol-
ches nicht dem Vater seyn? Ja, wenn ein
Vater nur wüßte, es wäre möglich, daß
sein Sohn seine Frau nach seinem Tode
heirathen könnte, so würde er bey der ge-
ringsten Freundlichkeit des Sohnes gegen
die Stiefmutter schon argwöhnen, daß sel-
bige mit einander in einem Liebeshandel
stünden, und mit Schmerzen auf seinen
Tod warteten. Dieses würde die größte
Eifersucht, Haß und Widerwärtigkeiten
zwischen Mann und Frau und Vater und
Sohn verursachen. Diese widrigen Fol-
gen sind nicht zu verhüten, wenn es nicht
ganz und gar unmöglich gemacht wird,
daß ein Stiefsohn seine Stiefmutter heira-
the. Bey den Juden waren noch mehr
widrige Folgen möglich. Wenn der Alte
zu lange gelebet, hätte ihm seine Frau das
Leben so sauer machen können, daß dersel-
be sich bewogen gefunden, seiner Frau ei-
nen Scheidebrief zu geben, und der Sohn
hätte alsdenn noch bey Lebzeiten des Va-
ters zu dessen größtem Verdruß eine solche

Frau

unterſaget; ſo wuͤrde es leicht geſchehen,
daß, da alte Maͤnner leicht junge Frauen
heirathen, ſchon bey dem Leben eines ſolchen
Mannes eine Liebe zwiſchen dem Sohne
und der Stiefmutter entſtuͤnde, und ſie
den Vorſatz faſſeten, einander nach des
Vaters Tode zu heirathen. Eine ſolche
Liebe und Abſicht wuͤrde ſich ſehr leicht ver-
rathen. Und wie unangenehm wuͤrde ſol-
ches nicht dem Vater ſeyn? Ja, wenn ein
Vater nur wuͤßte, es waͤre moͤglich, daß
ſein Sohn ſeine Frau nach ſeinem Tode
heirathen koͤnnte, ſo wuͤrde er bey der ge-
ringſten Freundlichkeit des Sohnes gegen
die Stiefmutter ſchon argwoͤhnen, daß ſel-
bige mit einander in einem Liebeshandel
ſtuͤnden, und mit Schmerzen auf ſeinen
Tod warteten. Dieſes wuͤrde die groͤßte
Eiferſucht, Haß und Widerwaͤrtigkeiten
zwiſchen Mann und Frau und Vater und
Sohn verurſachen. Dieſe widrigen Fol-
gen ſind nicht zu verhuͤten, wenn es nicht
ganz und gar unmoͤglich gemacht wird,
daß ein Stiefſohn ſeine Stiefmutter heira-
the. Bey den Juden waren noch mehr
widrige Folgen moͤglich. Wenn der Alte
zu lange gelebet, haͤtte ihm ſeine Frau das
Leben ſo ſauer machen koͤnnen, daß derſel-
be ſich bewogen gefunden, ſeiner Frau ei-
nen Scheidebrief zu geben, und der Sohn
haͤtte alsdenn noch bey Lebzeiten des Va-
ters zu deſſen groͤßtem Verdruß eine ſolche

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[372/0392] unterſaget; ſo wuͤrde es leicht geſchehen, daß, da alte Maͤnner leicht junge Frauen heirathen, ſchon bey dem Leben eines ſolchen Mannes eine Liebe zwiſchen dem Sohne und der Stiefmutter entſtuͤnde, und ſie den Vorſatz faſſeten, einander nach des Vaters Tode zu heirathen. Eine ſolche Liebe und Abſicht wuͤrde ſich ſehr leicht ver- rathen. Und wie unangenehm wuͤrde ſol- ches nicht dem Vater ſeyn? Ja, wenn ein Vater nur wuͤßte, es waͤre moͤglich, daß ſein Sohn ſeine Frau nach ſeinem Tode heirathen koͤnnte, ſo wuͤrde er bey der ge- ringſten Freundlichkeit des Sohnes gegen die Stiefmutter ſchon argwoͤhnen, daß ſel- bige mit einander in einem Liebeshandel ſtuͤnden, und mit Schmerzen auf ſeinen Tod warteten. Dieſes wuͤrde die groͤßte Eiferſucht, Haß und Widerwaͤrtigkeiten zwiſchen Mann und Frau und Vater und Sohn verurſachen. Dieſe widrigen Fol- gen ſind nicht zu verhuͤten, wenn es nicht ganz und gar unmoͤglich gemacht wird, daß ein Stiefſohn ſeine Stiefmutter heira- the. Bey den Juden waren noch mehr widrige Folgen moͤglich. Wenn der Alte zu lange gelebet, haͤtte ihm ſeine Frau das Leben ſo ſauer machen koͤnnen, daß derſel- be ſich bewogen gefunden, ſeiner Frau ei- nen Scheidebrief zu geben, und der Sohn haͤtte alsdenn noch bey Lebzeiten des Va- ters zu deſſen groͤßtem Verdruß eine ſolche Frau

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/392>, abgerufen am 27.07.2024.