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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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Bauern aus Furcht für den Canonen nicht
nahe genug an die Festung gefahren. Es
wäre dieses vor den General St. Amour ge-
kommen, der eben umher geritten, um zu
recognosciren, und er hätte befohlen, jedem
Bauer funfzig Prügel zu geben. Er wäre
aber dazu gekommen, als man selbige sei-
nem Vater ertheilen wollen. Würde er
auch wol befohlen haben? Schlaget zu auf
den feigen Hund! Gesetzt, die äusserste
Noth hätte um des Exempels willen erfor-
dert, daß der alte St. Amour funfzig Prü-
gel erhalten, würde man sagen, er hätte wol
gethan, wenn er ihm, wie den übrigen, seine
Feigheit scheltend vorgehalten? Oder man
setze, es wäre nach unsern Gewohnheiten
möglich, daß obiger Vater unter seinem
Sohne als gemeiner Soldate gedienet, da
derselbe schon Major gewesen, und dieser
Vater wäre eingeschlafen, da er auf einem
Walle die Wachte gehabt. Würde auch
der Sohn gegen den Vater die darauf ge-
setzte Spiesruthe selber commandiret, und
diejenigen Soldaten geprügelt haben, die
nicht derbe genug auf den Vater geschla-
gen? Und sollte es wol der Allerweiseste,
als etwas Anständiges ansehen, wenn Va-
ter und Sohn sich in ein solches Verhält-
niß setzten, wenn es auch möglich wäre,
daß ein Vater seine Einwilligung dazu gä-
be? Finden wir nicht vielmehr folgendes
Betragen des obigen Generals gegen sei-

nen

Bauern aus Furcht fuͤr den Canonen nicht
nahe genug an die Feſtung gefahren. Es
waͤre dieſes vor den General St. Amour ge-
kommen, der eben umher geritten, um zu
recognoſciren, und er haͤtte befohlen, jedem
Bauer funfzig Pruͤgel zu geben. Er waͤre
aber dazu gekommen, als man ſelbige ſei-
nem Vater ertheilen wollen. Wuͤrde er
auch wol befohlen haben? Schlaget zu auf
den feigen Hund! Geſetzt, die aͤuſſerſte
Noth haͤtte um des Exempels willen erfor-
dert, daß der alte St. Amour funfzig Pruͤ-
gel erhalten, wuͤrde man ſagen, er haͤtte wol
gethan, wenn er ihm, wie den uͤbrigen, ſeine
Feigheit ſcheltend vorgehalten? Oder man
ſetze, es waͤre nach unſern Gewohnheiten
moͤglich, daß obiger Vater unter ſeinem
Sohne als gemeiner Soldate gedienet, da
derſelbe ſchon Major geweſen, und dieſer
Vater waͤre eingeſchlafen, da er auf einem
Walle die Wachte gehabt. Wuͤrde auch
der Sohn gegen den Vater die darauf ge-
ſetzte Spiesruthe ſelber commandiret, und
diejenigen Soldaten gepruͤgelt haben, die
nicht derbe genug auf den Vater geſchla-
gen? Und ſollte es wol der Allerweiſeſte,
als etwas Anſtaͤndiges anſehen, wenn Va-
ter und Sohn ſich in ein ſolches Verhaͤlt-
niß ſetzten, wenn es auch moͤglich waͤre,
daß ein Vater ſeine Einwilligung dazu gaͤ-
be? Finden wir nicht vielmehr folgendes
Betragen des obigen Generals gegen ſei-

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[363/0383] Bauern aus Furcht fuͤr den Canonen nicht nahe genug an die Feſtung gefahren. Es waͤre dieſes vor den General St. Amour ge- kommen, der eben umher geritten, um zu recognoſciren, und er haͤtte befohlen, jedem Bauer funfzig Pruͤgel zu geben. Er waͤre aber dazu gekommen, als man ſelbige ſei- nem Vater ertheilen wollen. Wuͤrde er auch wol befohlen haben? Schlaget zu auf den feigen Hund! Geſetzt, die aͤuſſerſte Noth haͤtte um des Exempels willen erfor- dert, daß der alte St. Amour funfzig Pruͤ- gel erhalten, wuͤrde man ſagen, er haͤtte wol gethan, wenn er ihm, wie den uͤbrigen, ſeine Feigheit ſcheltend vorgehalten? Oder man ſetze, es waͤre nach unſern Gewohnheiten moͤglich, daß obiger Vater unter ſeinem Sohne als gemeiner Soldate gedienet, da derſelbe ſchon Major geweſen, und dieſer Vater waͤre eingeſchlafen, da er auf einem Walle die Wachte gehabt. Wuͤrde auch der Sohn gegen den Vater die darauf ge- ſetzte Spiesruthe ſelber commandiret, und diejenigen Soldaten gepruͤgelt haben, die nicht derbe genug auf den Vater geſchla- gen? Und ſollte es wol der Allerweiſeſte, als etwas Anſtaͤndiges anſehen, wenn Va- ter und Sohn ſich in ein ſolches Verhaͤlt- niß ſetzten, wenn es auch moͤglich waͤre, daß ein Vater ſeine Einwilligung dazu gaͤ- be? Finden wir nicht vielmehr folgendes Betragen des obigen Generals gegen ſei- nen

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/383>, abgerufen am 22.11.2024.