terthan gewesen. Jch antworte, ein Jo- seph hat niemals von seiner Gewalt Ge- brauch gemacht gegen seinen Vater, und ihm nie auf eine widrige Art empfinden las- sen, daß er der Herr von Aegypten war, sondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr- erbietung gegen seinen Vater beobachtet, und ich kann mich nicht überreden, daß es je der wolgefällige Wille Gottes seyn kön- ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung seines Sohnes Verzicht thue, und sich ihm eben so unterwerfe, wie ein Unterthan un- ter diejenigen, so über ihn befehlen. Man setze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten würde der Corporal seines Vaters. Sollte es dem liebreichsten Gotte wol gefällig seyn, daß der Vater darein willigte, daß ihn der Sohn, wie einen andern Soldaten abprügelte, wenn er sein Gewehr nicht rein genug hielte. Sollte Gott dem Sohne wol erlauben, den Vater in diesem Falle zu schlagen, oder würde es vielmehr sein Wolgefallen seyn, wenn der Sohn dem Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiser- liche General St. Amour, war eines Bauern Sohn, dessen Vater noch lebte, als er General war. Man setze, es wäre dieser Vater in einem Kriege von einen Of- ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen gewesen, Faschinen vor eine belagerte Festung zu fahren, die man stürmen wol- len: er hätte selbige aber nebst andern
Bauern
terthan geweſen. Jch antworte, ein Jo- ſeph hat niemals von ſeiner Gewalt Ge- brauch gemacht gegen ſeinen Vater, und ihm nie auf eine widrige Art empfinden laſ- ſen, daß er der Herr von Aegypten war, ſondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr- erbietung gegen ſeinen Vater beobachtet, und ich kann mich nicht uͤberreden, daß es je der wolgefaͤllige Wille Gottes ſeyn koͤn- ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung ſeines Sohnes Verzicht thue, und ſich ihm eben ſo unterwerfe, wie ein Unterthan un- ter diejenigen, ſo uͤber ihn befehlen. Man ſetze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten wuͤrde der Corporal ſeines Vaters. Sollte es dem liebreichſten Gotte wol gefaͤllig ſeyn, daß der Vater darein willigte, daß ihn der Sohn, wie einen andern Soldaten abpruͤgelte, wenn er ſein Gewehr nicht rein genug hielte. Sollte Gott dem Sohne wol erlauben, den Vater in dieſem Falle zu ſchlagen, oder wuͤrde es vielmehr ſein Wolgefallen ſeyn, wenn der Sohn dem Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiſer- liche General St. Amour, war eines Bauern Sohn, deſſen Vater noch lebte, als er General war. Man ſetze, es waͤre dieſer Vater in einem Kriege von einen Of- ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen geweſen, Faſchinen vor eine belagerte Feſtung zu fahren, die man ſtuͤrmen wol- len: er haͤtte ſelbige aber nebſt andern
Bauern
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0382"n="362"/>
terthan geweſen. Jch antworte, ein Jo-<lb/>ſeph hat niemals von ſeiner Gewalt Ge-<lb/>
brauch gemacht gegen ſeinen Vater, und<lb/>
ihm nie auf eine widrige Art empfinden laſ-<lb/>ſen, daß er der Herr von Aegypten war,<lb/>ſondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr-<lb/>
erbietung gegen ſeinen Vater beobachtet,<lb/>
und ich kann mich nicht uͤberreden, daß es<lb/>
je der wolgefaͤllige Wille Gottes ſeyn koͤn-<lb/>
ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung<lb/>ſeines Sohnes Verzicht thue, und ſich ihm<lb/>
eben ſo unterwerfe, wie ein Unterthan un-<lb/>
ter diejenigen, ſo uͤber ihn befehlen. Man<lb/>ſetze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten<lb/>
wuͤrde der Corporal ſeines Vaters. Sollte<lb/>
es dem liebreichſten Gotte wol gefaͤllig ſeyn,<lb/>
daß der Vater darein willigte, daß ihn<lb/>
der Sohn, wie einen andern Soldaten<lb/>
abpruͤgelte, wenn er ſein Gewehr nicht rein<lb/>
genug hielte. Sollte Gott dem Sohne<lb/>
wol erlauben, den Vater in dieſem Falle<lb/>
zu ſchlagen, oder wuͤrde es vielmehr ſein<lb/>
Wolgefallen ſeyn, wenn der Sohn dem<lb/>
Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiſer-<lb/>
liche General <hirendition="#aq">St. Amour,</hi> war eines<lb/>
Bauern Sohn, deſſen Vater noch lebte,<lb/>
als er General war. Man ſetze, es waͤre<lb/>
dieſer Vater in einem Kriege von einen Of-<lb/>
ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen<lb/>
geweſen, Faſchinen vor eine belagerte<lb/>
Feſtung zu fahren, die man ſtuͤrmen wol-<lb/>
len: er haͤtte ſelbige aber nebſt andern<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Bauern</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[362/0382]
terthan geweſen. Jch antworte, ein Jo-
ſeph hat niemals von ſeiner Gewalt Ge-
brauch gemacht gegen ſeinen Vater, und
ihm nie auf eine widrige Art empfinden laſ-
ſen, daß er der Herr von Aegypten war,
ſondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr-
erbietung gegen ſeinen Vater beobachtet,
und ich kann mich nicht uͤberreden, daß es
je der wolgefaͤllige Wille Gottes ſeyn koͤn-
ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung
ſeines Sohnes Verzicht thue, und ſich ihm
eben ſo unterwerfe, wie ein Unterthan un-
ter diejenigen, ſo uͤber ihn befehlen. Man
ſetze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten
wuͤrde der Corporal ſeines Vaters. Sollte
es dem liebreichſten Gotte wol gefaͤllig ſeyn,
daß der Vater darein willigte, daß ihn
der Sohn, wie einen andern Soldaten
abpruͤgelte, wenn er ſein Gewehr nicht rein
genug hielte. Sollte Gott dem Sohne
wol erlauben, den Vater in dieſem Falle
zu ſchlagen, oder wuͤrde es vielmehr ſein
Wolgefallen ſeyn, wenn der Sohn dem
Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiſer-
liche General St. Amour, war eines
Bauern Sohn, deſſen Vater noch lebte,
als er General war. Man ſetze, es waͤre
dieſer Vater in einem Kriege von einen Of-
ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen
geweſen, Faſchinen vor eine belagerte
Feſtung zu fahren, die man ſtuͤrmen wol-
len: er haͤtte ſelbige aber nebſt andern
Bauern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/382>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.