an, nicht aber ihre unrichtigen Schlüsse, so sie aus demjenigen herleiten. Man hat in der Erde Leichen gefunden, die noch sehr frisch gewesen, nachdem sie schon einige Tage in der Erde gelegen, und auf der Erde hat man Leute gesehen, welchen im Schlafe, man bemerke es sehr wohl, im Schlafe vorgekommen, daß sie der Ver- storbene gedruckt, am Halse gewürget, und das Blut ausgesogen, und einige sind bald darauf gestorben. An beyden Sätzen zweifele ich nicht. Hat aber jemals ein glaubwürdiger und wachender Zeuge gese- hen, daß ein Todter einem Lebendigen das Blut ausgesogen? Dieses ist ein Satz, den man aus jenen Erfahrungen unrichtig schliesset. Die Richtigkeit von Schlüssen aber hänget keinesweges von Zeugen ab. Finde ich, daß verständige und redliche Leute bezeugen, sie haben etwas mehrma- len gesehen, gefühlet und mit dem Gehör empfunden, so glaube ich ihnen, in so weit sie empfunden, nicht aber in so ferne sie Schlüsse daraus ziehen. Hier untersuche ich, ob sie richtig schliessen.
Muß es Verehrern der christlichen Re- ligion nicht zu einer grossen Beruhigung gereichen, wenn sie sehen, daß ihre höhni- schen Gegner zu so schlechten Einwürfen, zu so stumpfen Waffen ihre Zuflucht nehmen?
§ 21.
an, nicht aber ihre unrichtigen Schluͤſſe, ſo ſie aus demjenigen herleiten. Man hat in der Erde Leichen gefunden, die noch ſehr friſch geweſen, nachdem ſie ſchon einige Tage in der Erde gelegen, und auf der Erde hat man Leute geſehen, welchen im Schlafe, man bemerke es ſehr wohl, im Schlafe vorgekommen, daß ſie der Ver- ſtorbene gedruckt, am Halſe gewuͤrget, und das Blut ausgeſogen, und einige ſind bald darauf geſtorben. An beyden Saͤtzen zweifele ich nicht. Hat aber jemals ein glaubwuͤrdiger und wachender Zeuge geſe- hen, daß ein Todter einem Lebendigen das Blut ausgeſogen? Dieſes iſt ein Satz, den man aus jenen Erfahrungen unrichtig ſchlieſſet. Die Richtigkeit von Schluͤſſen aber haͤnget keinesweges von Zeugen ab. Finde ich, daß verſtaͤndige und redliche Leute bezeugen, ſie haben etwas mehrma- len geſehen, gefuͤhlet und mit dem Gehoͤr empfunden, ſo glaube ich ihnen, in ſo weit ſie empfunden, nicht aber in ſo ferne ſie Schluͤſſe daraus ziehen. Hier unterſuche ich, ob ſie richtig ſchlieſſen.
Muß es Verehrern der chriſtlichen Re- ligion nicht zu einer groſſen Beruhigung gereichen, wenn ſie ſehen, daß ihre hoͤhni- ſchen Gegner zu ſo ſchlechten Einwuͤrfen, zu ſo ſtumpfen Waffen ihre Zuflucht nehmen?
§ 21.
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an, nicht aber ihre unrichtigen Schluͤſſe, ſo
ſie aus demjenigen herleiten. Man hat in
der Erde Leichen gefunden, die noch ſehr
friſch geweſen, nachdem ſie ſchon einige
Tage in der Erde gelegen, und auf der
Erde hat man Leute geſehen, welchen im
Schlafe, man bemerke es ſehr wohl, im
Schlafe vorgekommen, daß ſie der Ver-
ſtorbene gedruckt, am Halſe gewuͤrget,
und das Blut ausgeſogen, und einige ſind
bald darauf geſtorben. An beyden Saͤtzen
zweifele ich nicht. Hat aber jemals ein
glaubwuͤrdiger und wachender Zeuge geſe-
hen, daß ein Todter einem Lebendigen das
Blut ausgeſogen? Dieſes iſt ein Satz,
den man aus jenen Erfahrungen unrichtig
ſchlieſſet. Die Richtigkeit von Schluͤſſen
aber haͤnget keinesweges von Zeugen ab.
Finde ich, daß verſtaͤndige und redliche
Leute bezeugen, ſie haben etwas mehrma-
len geſehen, gefuͤhlet und mit dem Gehoͤr
empfunden, ſo glaube ich ihnen, in ſo weit
ſie empfunden, nicht aber in ſo ferne ſie
Schluͤſſe daraus ziehen. Hier unterſuche
ich, ob ſie richtig ſchlieſſen.
Muß es Verehrern der chriſtlichen Re-
ligion nicht zu einer groſſen Beruhigung
gereichen, wenn ſie ſehen, daß ihre hoͤhni-
ſchen Gegner zu ſo ſchlechten Einwuͤrfen,
zu ſo ſtumpfen Waffen ihre Zuflucht
nehmen?
§ 21.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/191>, abgerufen am 26.11.2024.
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