ihnen wirklich geschehen wäre. Vermöge des Ehrgeizes, der Vorurtheile und an- derer Eigenschaften der Juden, war es allemal leichter möglich, und daher auch wahrscheinlicher, daß sie durch eine allge- meine Erscheinung Christi nicht gebessert wurden, als daß sie dadurch alle ihre irdi- sche Gedanken verlohren. Und wenn sich auch einige vermittelst derselben bekehrt hätten, so würden doch die mehresten in ihrem Unglauben geblieben seyn.
Wenn nun die Apostel behaupten wol- len, Christus sey von den Todten aufer- standen; wenn sie sich darauf berufen, daß er ihnen erschienen und daß sie ihn gesehen; so würde der Widerspruch der Juden noch heftiger geworden seyn. Das, was sie selbst erblicket, ihre eigenen Erscheinungen hätten ihnen zu Werkzeugen ihrer Gottlo- sigkeit dienen müssen. Haben wir nicht diese Gestalt, von der ihr so viel erzählet, selbst gesehen? Jhr betrüget euch aber. Es war nicht euer Christus, der am Kreuze starb. Nein, ein Geist war es: Ein Blendwerk der Augen und wer weiß, was mehr? Leichtgläubige! dürfet ihr andere so frech hintergehen? Fraget nur die übri- gen, denen dieß Gesichte, damit ihr euch rechtfertigen wollet, eben sowol erschienen ist, wie uns. Wem dieses unglaublich vorkommt, der erinnere sich doch, wozu die Juden ihre Zuflucht nahmen, wenn sie
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ihnen wirklich geſchehen waͤre. Vermoͤge des Ehrgeizes, der Vorurtheile und an- derer Eigenſchaften der Juden, war es allemal leichter moͤglich, und daher auch wahrſcheinlicher, daß ſie durch eine allge- meine Erſcheinung Chriſti nicht gebeſſert wurden, als daß ſie dadurch alle ihre irdi- ſche Gedanken verlohren. Und wenn ſich auch einige vermittelſt derſelben bekehrt haͤtten, ſo wuͤrden doch die mehreſten in ihrem Unglauben geblieben ſeyn.
Wenn nun die Apoſtel behaupten wol- len, Chriſtus ſey von den Todten aufer- ſtanden; wenn ſie ſich darauf berufen, daß er ihnen erſchienen und daß ſie ihn geſehen; ſo wuͤrde der Widerſpruch der Juden noch heftiger geworden ſeyn. Das, was ſie ſelbſt erblicket, ihre eigenen Erſcheinungen haͤtten ihnen zu Werkzeugen ihrer Gottlo- ſigkeit dienen muͤſſen. Haben wir nicht dieſe Geſtalt, von der ihr ſo viel erzaͤhlet, ſelbſt geſehen? Jhr betruͤget euch aber. Es war nicht euer Chriſtus, der am Kreuze ſtarb. Nein, ein Geiſt war es: Ein Blendwerk der Augen und wer weiß, was mehr? Leichtglaͤubige! duͤrfet ihr andere ſo frech hintergehen? Fraget nur die uͤbri- gen, denen dieß Geſichte, damit ihr euch rechtfertigen wollet, eben ſowol erſchienen iſt, wie uns. Wem dieſes unglaublich vorkommt, der erinnere ſich doch, wozu die Juden ihre Zuflucht nahmen, wenn ſie
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ihnen wirklich geſchehen waͤre. Vermoͤge
des Ehrgeizes, der Vorurtheile und an-
derer Eigenſchaften der Juden, war es
allemal leichter moͤglich, und daher auch
wahrſcheinlicher, daß ſie durch eine allge-
meine Erſcheinung Chriſti nicht gebeſſert
wurden, als daß ſie dadurch alle ihre irdi-
ſche Gedanken verlohren. Und wenn ſich
auch einige vermittelſt derſelben bekehrt
haͤtten, ſo wuͤrden doch die mehreſten in
ihrem Unglauben geblieben ſeyn.
Wenn nun die Apoſtel behaupten wol-
len, Chriſtus ſey von den Todten aufer-
ſtanden; wenn ſie ſich darauf berufen, daß
er ihnen erſchienen und daß ſie ihn geſehen;
ſo wuͤrde der Widerſpruch der Juden noch
heftiger geworden ſeyn. Das, was ſie
ſelbſt erblicket, ihre eigenen Erſcheinungen
haͤtten ihnen zu Werkzeugen ihrer Gottlo-
ſigkeit dienen muͤſſen. Haben wir nicht
dieſe Geſtalt, von der ihr ſo viel erzaͤhlet,
ſelbſt geſehen? Jhr betruͤget euch aber. Es
war nicht euer Chriſtus, der am Kreuze
ſtarb. Nein, ein Geiſt war es: Ein
Blendwerk der Augen und wer weiß, was
mehr? Leichtglaͤubige! duͤrfet ihr andere
ſo frech hintergehen? Fraget nur die uͤbri-
gen, denen dieß Geſichte, damit ihr euch
rechtfertigen wollet, eben ſowol erſchienen
iſt, wie uns. Wem dieſes unglaublich
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die Juden ihre Zuflucht nahmen, wenn ſie
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/176>, abgerufen am 25.11.2024.
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