gen, die die gemeine Ruhe stöhren konnten. Dazu hatten die Sibyllen ihrer Herrschaft eine Dauer verkündigt, die so lange wäh- ren sollte, als sie ihre alte Ehrfurcht in den Tempeln behalten, und die eingeführten Gebräuche beobachten würden *). Nichts konnte ihnen daher unangenehmer; nichts konnte ihnen mehr zuwider seyn, als eine neue Religion, die der Sicherheit des Lan- des nachtheilig wäre, und wol gar mit Empörungen und Blutvergiessen ihren An- fang nähme. Gleichwie kein Staat beste- hen kann, der eine Menge Aufwiegler in seinem Busen nähret, ohne desfalls jemals aufmerksam zu werden; so war auch den Lehren des Heilandes in allen Reichen der Zugang gänzlich verschlossen, wenn sich ih- re ersten Bekenner in die politische Ver- fassung derselben einflechten wollten. Hätte nun Christus Gelegenheit gegeben, daß ihn die Juden zum Könige ausgerufen, so würde man selbige als Verräther des Va- terlandes verfolget, erwürget, und die Ausbreitung des Namens Jesu in dem Gebiethe der Römer gänzlich untersagt haben. Das erste wäre, aller Wahr- scheinlichkeit nach, geschehen, wenn der Erlöser sein Kreuz verlassen und sich selbst erretten wollen. (§. 5. u. f.) Das letztere
kann
*)Zosim. hist. L. II.
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gen, die die gemeine Ruhe ſtoͤhren konnten. Dazu hatten die Sibyllen ihrer Herrſchaft eine Dauer verkuͤndigt, die ſo lange waͤh- ren ſollte, als ſie ihre alte Ehrfurcht in den Tempeln behalten, und die eingefuͤhrten Gebraͤuche beobachten wuͤrden *). Nichts konnte ihnen daher unangenehmer; nichts konnte ihnen mehr zuwider ſeyn, als eine neue Religion, die der Sicherheit des Lan- des nachtheilig waͤre, und wol gar mit Empoͤrungen und Blutvergieſſen ihren An- fang naͤhme. Gleichwie kein Staat beſte- hen kann, der eine Menge Aufwiegler in ſeinem Buſen naͤhret, ohne desfalls jemals aufmerkſam zu werden; ſo war auch den Lehren des Heilandes in allen Reichen der Zugang gaͤnzlich verſchloſſen, wenn ſich ih- re erſten Bekenner in die politiſche Ver- faſſung derſelben einflechten wollten. Haͤtte nun Chriſtus Gelegenheit gegeben, daß ihn die Juden zum Koͤnige ausgerufen, ſo wuͤrde man ſelbige als Verraͤther des Va- terlandes verfolget, erwuͤrget, und die Ausbreitung des Namens Jeſu in dem Gebiethe der Roͤmer gaͤnzlich unterſagt haben. Das erſte waͤre, aller Wahr- ſcheinlichkeit nach, geſchehen, wenn der Erloͤſer ſein Kreuz verlaſſen und ſich ſelbſt erretten wollen. (§. 5. u. f.) Das letztere
kann
*)Zosim. hiſt. L. II.
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gen, die die gemeine Ruhe ſtoͤhren konnten.
Dazu hatten die Sibyllen ihrer Herrſchaft
eine Dauer verkuͤndigt, die ſo lange waͤh-
ren ſollte, als ſie ihre alte Ehrfurcht in den
Tempeln behalten, und die eingefuͤhrten
Gebraͤuche beobachten wuͤrden *). Nichts
konnte ihnen daher unangenehmer; nichts
konnte ihnen mehr zuwider ſeyn, als eine
neue Religion, die der Sicherheit des Lan-
des nachtheilig waͤre, und wol gar mit
Empoͤrungen und Blutvergieſſen ihren An-
fang naͤhme. Gleichwie kein Staat beſte-
hen kann, der eine Menge Aufwiegler in
ſeinem Buſen naͤhret, ohne desfalls jemals
aufmerkſam zu werden; ſo war auch den
Lehren des Heilandes in allen Reichen der
Zugang gaͤnzlich verſchloſſen, wenn ſich ih-
re erſten Bekenner in die politiſche Ver-
faſſung derſelben einflechten wollten. Haͤtte
nun Chriſtus Gelegenheit gegeben, daß
ihn die Juden zum Koͤnige ausgerufen, ſo
wuͤrde man ſelbige als Verraͤther des Va-
terlandes verfolget, erwuͤrget, und die
Ausbreitung des Namens Jeſu in dem
Gebiethe der Roͤmer gaͤnzlich unterſagt
haben. Das erſte waͤre, aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach, geſchehen, wenn der
Erloͤſer ſein Kreuz verlaſſen und ſich ſelbſt
erretten wollen. (§. 5. u. f.) Das letztere
kann
*) Zosim. hiſt. L. II.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/173>, abgerufen am 24.11.2024.
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