Falle wäre ja die Forderung eines neuen Zeichens eben so unbillig, als die Erfüllung derselben vergeblich gewesen. Jm andern Falle aber ist die vorige Härte und der bisherige Unglaube schon so gut, als von neuem unterstützt. Denn ich will hier noch einmal annehmen, der Erlöser habe sein Kreuz verlassen, so muß man sich die Ju- den in derjenigen Bewegung vorstellen, welche ihnen am mehresten eigen war (§. 5. u. f.). War denn wol der Absicht des Erlösers etwas mehr zuwider, wie diese? Christus kam ja nicht, ihm dienen zu lassen, sondern daß er dienete und sein Leben zu einer Erlösung für viele gäbe. Matth. C. 20. v. 28. Sie durften sich so wenig Rath als Hülfe, so wenig Bey- stand als Unterstützung von dem Heilande versprechen. Sie wären von ihm verlas- sen worden, da sie eben seiner Anführung in den gefährlichsten Unternehmungen am mehresten bedurft. Kein Unglück aber konnte sie eher zur Verzweiflung bringen, als wenn derjenige vor ihren Augen ver- schwunden wäre, durch welchen, wie sie geglaubt, eine Menge übereilter Thaten geschehen sollten. Es ist leicht zu vermu- then, was hieraus erfolgen mußte. Jsrael hätte sich, von der Zeit an, von neuem wider Jesum verschworen. Jhre betroge- gene Hoffnung hätte sie um so viel mehr gegen den Erlöser aufgebracht. Und ihre
letzte
Falle waͤre ja die Forderung eines neuen Zeichens eben ſo unbillig, als die Erfuͤllung derſelben vergeblich geweſen. Jm andern Falle aber iſt die vorige Haͤrte und der bisherige Unglaube ſchon ſo gut, als von neuem unterſtuͤtzt. Denn ich will hier noch einmal annehmen, der Erloͤſer habe ſein Kreuz verlaſſen, ſo muß man ſich die Ju- den in derjenigen Bewegung vorſtellen, welche ihnen am mehreſten eigen war (§. 5. u. f.). War denn wol der Abſicht des Erloͤſers etwas mehr zuwider, wie dieſe? Chriſtus kam ja nicht, ihm dienen zu laſſen, ſondern daß er dienete und ſein Leben zu einer Erloͤſung fuͤr viele gaͤbe. Matth. C. 20. v. 28. Sie durften ſich ſo wenig Rath als Huͤlfe, ſo wenig Bey- ſtand als Unterſtuͤtzung von dem Heilande verſprechen. Sie waͤren von ihm verlaſ- ſen worden, da ſie eben ſeiner Anfuͤhrung in den gefaͤhrlichſten Unternehmungen am mehreſten bedurft. Kein Ungluͤck aber konnte ſie eher zur Verzweiflung bringen, als wenn derjenige vor ihren Augen ver- ſchwunden waͤre, durch welchen, wie ſie geglaubt, eine Menge uͤbereilter Thaten geſchehen ſollten. Es iſt leicht zu vermu- then, was hieraus erfolgen mußte. Jſrael haͤtte ſich, von der Zeit an, von neuem wider Jeſum verſchworen. Jhre betroge- gene Hoffnung haͤtte ſie um ſo viel mehr gegen den Erloͤſer aufgebracht. Und ihre
letzte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0170"n="150"/>
Falle waͤre ja die Forderung eines neuen<lb/>
Zeichens eben ſo unbillig, als die Erfuͤllung<lb/>
derſelben vergeblich geweſen. Jm andern<lb/>
Falle aber iſt die vorige Haͤrte und der<lb/>
bisherige Unglaube ſchon ſo gut, als von<lb/>
neuem unterſtuͤtzt. Denn ich will hier noch<lb/>
einmal annehmen, der Erloͤſer habe ſein<lb/>
Kreuz verlaſſen, ſo muß man ſich die Ju-<lb/>
den in derjenigen Bewegung vorſtellen,<lb/>
welche ihnen am mehreſten eigen war (§. 5.<lb/>
u. f.). War denn wol der Abſicht des<lb/>
Erloͤſers etwas mehr zuwider, wie dieſe?<lb/><hirendition="#fr">Chriſtus kam ja nicht, ihm dienen zu<lb/>
laſſen, ſondern daß er dienete und ſein<lb/>
Leben zu einer Erloͤſung fuͤr viele gaͤbe.</hi><lb/>
Matth. C. 20. v. 28. Sie durften ſich ſo<lb/>
wenig Rath als Huͤlfe, ſo wenig Bey-<lb/>ſtand als Unterſtuͤtzung von dem Heilande<lb/>
verſprechen. Sie waͤren von ihm verlaſ-<lb/>ſen worden, da ſie eben ſeiner Anfuͤhrung<lb/>
in den gefaͤhrlichſten Unternehmungen am<lb/>
mehreſten bedurft. Kein Ungluͤck aber<lb/>
konnte ſie eher zur Verzweiflung bringen,<lb/>
als wenn derjenige vor ihren Augen ver-<lb/>ſchwunden waͤre, durch welchen, wie ſie<lb/>
geglaubt, eine Menge uͤbereilter Thaten<lb/>
geſchehen ſollten. Es iſt leicht zu vermu-<lb/>
then, was hieraus erfolgen mußte. Jſrael<lb/>
haͤtte ſich, von der Zeit an, von neuem<lb/>
wider Jeſum verſchworen. Jhre betroge-<lb/>
gene Hoffnung haͤtte ſie um ſo viel mehr<lb/>
gegen den Erloͤſer aufgebracht. Und ihre<lb/><fwplace="bottom"type="catch">letzte</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[150/0170]
Falle waͤre ja die Forderung eines neuen
Zeichens eben ſo unbillig, als die Erfuͤllung
derſelben vergeblich geweſen. Jm andern
Falle aber iſt die vorige Haͤrte und der
bisherige Unglaube ſchon ſo gut, als von
neuem unterſtuͤtzt. Denn ich will hier noch
einmal annehmen, der Erloͤſer habe ſein
Kreuz verlaſſen, ſo muß man ſich die Ju-
den in derjenigen Bewegung vorſtellen,
welche ihnen am mehreſten eigen war (§. 5.
u. f.). War denn wol der Abſicht des
Erloͤſers etwas mehr zuwider, wie dieſe?
Chriſtus kam ja nicht, ihm dienen zu
laſſen, ſondern daß er dienete und ſein
Leben zu einer Erloͤſung fuͤr viele gaͤbe.
Matth. C. 20. v. 28. Sie durften ſich ſo
wenig Rath als Huͤlfe, ſo wenig Bey-
ſtand als Unterſtuͤtzung von dem Heilande
verſprechen. Sie waͤren von ihm verlaſ-
ſen worden, da ſie eben ſeiner Anfuͤhrung
in den gefaͤhrlichſten Unternehmungen am
mehreſten bedurft. Kein Ungluͤck aber
konnte ſie eher zur Verzweiflung bringen,
als wenn derjenige vor ihren Augen ver-
ſchwunden waͤre, durch welchen, wie ſie
geglaubt, eine Menge uͤbereilter Thaten
geſchehen ſollten. Es iſt leicht zu vermu-
then, was hieraus erfolgen mußte. Jſrael
haͤtte ſich, von der Zeit an, von neuem
wider Jeſum verſchworen. Jhre betroge-
gene Hoffnung haͤtte ſie um ſo viel mehr
gegen den Erloͤſer aufgebracht. Und ihre
letzte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/170>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.