Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Falle wäre ja die Forderung eines neuen
Zeichens eben so unbillig, als die Erfüllung
derselben vergeblich gewesen. Jm andern
Falle aber ist die vorige Härte und der
bisherige Unglaube schon so gut, als von
neuem unterstützt. Denn ich will hier noch
einmal annehmen, der Erlöser habe sein
Kreuz verlassen, so muß man sich die Ju-
den in derjenigen Bewegung vorstellen,
welche ihnen am mehresten eigen war (§. 5.
u. f.). War denn wol der Absicht des
Erlösers etwas mehr zuwider, wie diese?
Christus kam ja nicht, ihm dienen zu
lassen, sondern daß er dienete und sein
Leben zu einer Erlösung für viele gäbe.

Matth. C. 20. v. 28. Sie durften sich so
wenig Rath als Hülfe, so wenig Bey-
stand als Unterstützung von dem Heilande
versprechen. Sie wären von ihm verlas-
sen worden, da sie eben seiner Anführung
in den gefährlichsten Unternehmungen am
mehresten bedurft. Kein Unglück aber
konnte sie eher zur Verzweiflung bringen,
als wenn derjenige vor ihren Augen ver-
schwunden wäre, durch welchen, wie sie
geglaubt, eine Menge übereilter Thaten
geschehen sollten. Es ist leicht zu vermu-
then, was hieraus erfolgen mußte. Jsrael
hätte sich, von der Zeit an, von neuem
wider Jesum verschworen. Jhre betroge-
gene Hoffnung hätte sie um so viel mehr
gegen den Erlöser aufgebracht. Und ihre

letzte

Falle waͤre ja die Forderung eines neuen
Zeichens eben ſo unbillig, als die Erfuͤllung
derſelben vergeblich geweſen. Jm andern
Falle aber iſt die vorige Haͤrte und der
bisherige Unglaube ſchon ſo gut, als von
neuem unterſtuͤtzt. Denn ich will hier noch
einmal annehmen, der Erloͤſer habe ſein
Kreuz verlaſſen, ſo muß man ſich die Ju-
den in derjenigen Bewegung vorſtellen,
welche ihnen am mehreſten eigen war (§. 5.
u. f.). War denn wol der Abſicht des
Erloͤſers etwas mehr zuwider, wie dieſe?
Chriſtus kam ja nicht, ihm dienen zu
laſſen, ſondern daß er dienete und ſein
Leben zu einer Erloͤſung fuͤr viele gaͤbe.

Matth. C. 20. v. 28. Sie durften ſich ſo
wenig Rath als Huͤlfe, ſo wenig Bey-
ſtand als Unterſtuͤtzung von dem Heilande
verſprechen. Sie waͤren von ihm verlaſ-
ſen worden, da ſie eben ſeiner Anfuͤhrung
in den gefaͤhrlichſten Unternehmungen am
mehreſten bedurft. Kein Ungluͤck aber
konnte ſie eher zur Verzweiflung bringen,
als wenn derjenige vor ihren Augen ver-
ſchwunden waͤre, durch welchen, wie ſie
geglaubt, eine Menge uͤbereilter Thaten
geſchehen ſollten. Es iſt leicht zu vermu-
then, was hieraus erfolgen mußte. Jſrael
haͤtte ſich, von der Zeit an, von neuem
wider Jeſum verſchworen. Jhre betroge-
gene Hoffnung haͤtte ſie um ſo viel mehr
gegen den Erloͤſer aufgebracht. Und ihre

letzte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="150"/>
Falle wa&#x0364;re ja die Forderung eines neuen<lb/>
Zeichens eben &#x017F;o unbillig, als die Erfu&#x0364;llung<lb/>
der&#x017F;elben vergeblich gewe&#x017F;en. Jm andern<lb/>
Falle aber i&#x017F;t die vorige Ha&#x0364;rte und der<lb/>
bisherige Unglaube &#x017F;chon &#x017F;o gut, als von<lb/>
neuem unter&#x017F;tu&#x0364;tzt. Denn ich will hier noch<lb/>
einmal annehmen, der Erlo&#x0364;&#x017F;er habe &#x017F;ein<lb/>
Kreuz verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o muß man &#x017F;ich die Ju-<lb/>
den in derjenigen Bewegung vor&#x017F;tellen,<lb/>
welche ihnen am mehre&#x017F;ten eigen war (§. 5.<lb/>
u. f.). War denn wol der Ab&#x017F;icht des<lb/>
Erlo&#x0364;&#x017F;ers etwas mehr zuwider, wie die&#x017F;e?<lb/><hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus kam ja nicht, ihm dienen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern daß er dienete und &#x017F;ein<lb/>
Leben zu einer Erlo&#x0364;&#x017F;ung fu&#x0364;r viele ga&#x0364;be.</hi><lb/>
Matth. C. 20. v. 28. Sie durften &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
wenig Rath als Hu&#x0364;lfe, &#x017F;o wenig Bey-<lb/>
&#x017F;tand als Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung von dem Heilande<lb/>
ver&#x017F;prechen. Sie wa&#x0364;ren von ihm verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en worden, da &#x017F;ie eben &#x017F;einer Anfu&#x0364;hrung<lb/>
in den gefa&#x0364;hrlich&#x017F;ten Unternehmungen am<lb/>
mehre&#x017F;ten bedurft. Kein Unglu&#x0364;ck aber<lb/>
konnte &#x017F;ie eher zur Verzweiflung bringen,<lb/>
als wenn derjenige vor ihren Augen ver-<lb/>
&#x017F;chwunden wa&#x0364;re, durch welchen, wie &#x017F;ie<lb/>
geglaubt, eine Menge u&#x0364;bereilter Thaten<lb/>
ge&#x017F;chehen &#x017F;ollten. Es i&#x017F;t leicht zu vermu-<lb/>
then, was hieraus erfolgen mußte. J&#x017F;rael<lb/>
ha&#x0364;tte &#x017F;ich, von der Zeit an, von neuem<lb/>
wider Je&#x017F;um ver&#x017F;chworen. Jhre betroge-<lb/>
gene Hoffnung ha&#x0364;tte &#x017F;ie um &#x017F;o viel mehr<lb/>
gegen den Erlo&#x0364;&#x017F;er aufgebracht. Und ihre<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">letzte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0170] Falle waͤre ja die Forderung eines neuen Zeichens eben ſo unbillig, als die Erfuͤllung derſelben vergeblich geweſen. Jm andern Falle aber iſt die vorige Haͤrte und der bisherige Unglaube ſchon ſo gut, als von neuem unterſtuͤtzt. Denn ich will hier noch einmal annehmen, der Erloͤſer habe ſein Kreuz verlaſſen, ſo muß man ſich die Ju- den in derjenigen Bewegung vorſtellen, welche ihnen am mehreſten eigen war (§. 5. u. f.). War denn wol der Abſicht des Erloͤſers etwas mehr zuwider, wie dieſe? Chriſtus kam ja nicht, ihm dienen zu laſſen, ſondern daß er dienete und ſein Leben zu einer Erloͤſung fuͤr viele gaͤbe. Matth. C. 20. v. 28. Sie durften ſich ſo wenig Rath als Huͤlfe, ſo wenig Bey- ſtand als Unterſtuͤtzung von dem Heilande verſprechen. Sie waͤren von ihm verlaſ- ſen worden, da ſie eben ſeiner Anfuͤhrung in den gefaͤhrlichſten Unternehmungen am mehreſten bedurft. Kein Ungluͤck aber konnte ſie eher zur Verzweiflung bringen, als wenn derjenige vor ihren Augen ver- ſchwunden waͤre, durch welchen, wie ſie geglaubt, eine Menge uͤbereilter Thaten geſchehen ſollten. Es iſt leicht zu vermu- then, was hieraus erfolgen mußte. Jſrael haͤtte ſich, von der Zeit an, von neuem wider Jeſum verſchworen. Jhre betroge- gene Hoffnung haͤtte ſie um ſo viel mehr gegen den Erloͤſer aufgebracht. Und ihre letzte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/170
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/170>, abgerufen am 16.07.2024.