Was ist aber zwischen diesem Glauben und zwischen jenem, den die Befreyung Christi vom Kreuze möglich machen konnte, vor ein Unterschied?
Doch vielleicht hätte ein jeder, der den Erlöser in seinem Leben gekannt, ihn auch nach seinem Tode wieder sehen können, oh- ne daß solches auf einmal, oder von allen zugleich geschehen, und dergleichen widri- ge Wirkung zu befürchten gewesen. Er konnte sich ja nach und nach ganz klei- nen Haufen offenbaren, und ihnen den Unterricht von der eigentlichen Beschaffen- heit seines Reiches geben, und sie zu dem Glauben bringen, der in der Welt aus- gebreitet werden sollte. Wären die Vor- nehmen der Juden auf diese Art erst gewon- nen gewesen, würde der grössere Haufe diesen leicht gefolget seyn. Allein man be- denke, was die vornehmen Juden mit die- sem Glauben hätten fahren lassen müssen, nämlich die reichen Einkünfte von dem Tempel und Opfern, die nunmehr aufhö- ren sollten. Jst es alaublich, daß irgend eine Erscheinung des Heilandes sie zu einer solchen Verleugnung so grosser irdischer Vortheile würde gebracht haben? Würde
ihre
CuneusL. I. de rep. Hebr. c. 1. Est insita mortalibus imperii cupido quaedam, eaque vetus hercle admodum et cunctis affectibus flagrantior.
Jac. Betr. 4. Band. K
Was iſt aber zwiſchen dieſem Glauben und zwiſchen jenem, den die Befreyung Chriſti vom Kreuze moͤglich machen konnte, vor ein Unterſchied?
Doch vielleicht haͤtte ein jeder, der den Erloͤſer in ſeinem Leben gekannt, ihn auch nach ſeinem Tode wieder ſehen koͤnnen, oh- ne daß ſolches auf einmal, oder von allen zugleich geſchehen, und dergleichen widri- ge Wirkung zu befuͤrchten geweſen. Er konnte ſich ja nach und nach ganz klei- nen Haufen offenbaren, und ihnen den Unterricht von der eigentlichen Beſchaffen- heit ſeines Reiches geben, und ſie zu dem Glauben bringen, der in der Welt aus- gebreitet werden ſollte. Waͤren die Vor- nehmen der Juden auf dieſe Art erſt gewon- nen geweſen, wuͤrde der groͤſſere Haufe dieſen leicht gefolget ſeyn. Allein man be- denke, was die vornehmen Juden mit die- ſem Glauben haͤtten fahren laſſen muͤſſen, naͤmlich die reichen Einkuͤnfte von dem Tempel und Opfern, die nunmehr aufhoͤ- ren ſollten. Jſt es alaublich, daß irgend eine Erſcheinung des Heilandes ſie zu einer ſolchen Verleugnung ſo groſſer irdiſcher Vortheile wuͤrde gebracht haben? Wuͤrde
ihre
CuneusL. I. de rep. Hebr. c. 1. Eſt inſita mortalibus imperii cupido quaedam, eaque vetus hercle admodum et cunctis affectibus flagrantior.
Jac. Betr. 4. Band. K
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Was iſt aber zwiſchen dieſem Glauben
und zwiſchen jenem, den die Befreyung
Chriſti vom Kreuze moͤglich machen konnte,
vor ein Unterſchied?
Doch vielleicht haͤtte ein jeder, der den
Erloͤſer in ſeinem Leben gekannt, ihn auch
nach ſeinem Tode wieder ſehen koͤnnen, oh-
ne daß ſolches auf einmal, oder von allen
zugleich geſchehen, und dergleichen widri-
ge Wirkung zu befuͤrchten geweſen. Er
konnte ſich ja nach und nach ganz klei-
nen Haufen offenbaren, und ihnen den
Unterricht von der eigentlichen Beſchaffen-
heit ſeines Reiches geben, und ſie zu dem
Glauben bringen, der in der Welt aus-
gebreitet werden ſollte. Waͤren die Vor-
nehmen der Juden auf dieſe Art erſt gewon-
nen geweſen, wuͤrde der groͤſſere Haufe
dieſen leicht gefolget ſeyn. Allein man be-
denke, was die vornehmen Juden mit die-
ſem Glauben haͤtten fahren laſſen muͤſſen,
naͤmlich die reichen Einkuͤnfte von dem
Tempel und Opfern, die nunmehr aufhoͤ-
ren ſollten. Jſt es alaublich, daß irgend
eine Erſcheinung des Heilandes ſie zu einer
ſolchen Verleugnung ſo groſſer irdiſcher
Vortheile wuͤrde gebracht haben? Wuͤrde
ihre
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**) Cuneus L. I. de rep. Hebr. c. 1. Eſt inſita
mortalibus imperii cupido quaedam, eaque
vetus hercle admodum et cunctis affectibus
flagrantior.
Jac. Betr. 4. Band. K
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/165>, abgerufen am 24.11.2024.
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