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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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lich gemacht oder aufgehoben, als unter
den Christen geschehen ist? Ja welcher
Weise, den nicht unsere Offenbarung
geleitet, hat je die erhabenen Eigenschaf-
ten Gottes und das künftige Schicksal
der Menschen und die Art sich zu einer
seeligen Ewigkeit zu bereiten, in ein sol-
ches Licht gesetzet, als die Lehrer des Evan-
gelii gethan haben? Und wer hat im Ge-
gentheil noch eine göttliche Eigenschaft, oder
eine Tugend entdecket, welche die göttliche
Offenbarung nicht lehrete? Ob ich dero-
wegen gleich behaupte, daß eine Staats-
form, die nicht mit beständigen Empörun-
gen und Kriegen umgehet, und ein anhal-
tender Friede, und Künste und Wissen-
schaften, und ein dadurch entstehendes
weicheres und zärtlicheres Gefühl der
Seele ein Volk zu Annehmung des wah-
ren und thätigen Christenthums vorberei-
ten müsse, so bleibet doch der Religion
noch vieles zur Verbesserung der mensch-
lichen Seele und Gesellschaft übrig, wo-
hin kein Volk ohne dieselbe gelanget ist.
Es wird zwar denen, welche der Christli-
chen Religion obige grosse Wirkungen zu-
schreiben, von andern, die ihr keinen so
hohen Werth lassen wollen, entgegen ge-
setzet, daß, wenn die Christliche Lehre einige
Grausamkeiten unter ihren Bekennern ab-
geschaffet, sie andere und noch härtere
wieder eingeführet. Die vielen und har-

ten

lich gemacht oder aufgehoben, als unter
den Chriſten geſchehen iſt? Ja welcher
Weiſe, den nicht unſere Offenbarung
geleitet, hat je die erhabenen Eigenſchaf-
ten Gottes und das kuͤnftige Schickſal
der Menſchen und die Art ſich zu einer
ſeeligen Ewigkeit zu bereiten, in ein ſol-
ches Licht geſetzet, als die Lehrer des Evan-
gelii gethan haben? Und wer hat im Ge-
gentheil noch eine goͤttliche Eigenſchaft, oder
eine Tugend entdecket, welche die goͤttliche
Offenbarung nicht lehrete? Ob ich dero-
wegen gleich behaupte, daß eine Staats-
form, die nicht mit beſtaͤndigen Empoͤrun-
gen und Kriegen umgehet, und ein anhal-
tender Friede, und Kuͤnſte und Wiſſen-
ſchaften, und ein dadurch entſtehendes
weicheres und zaͤrtlicheres Gefuͤhl der
Seele ein Volk zu Annehmung des wah-
ren und thaͤtigen Chriſtenthums vorberei-
ten muͤſſe, ſo bleibet doch der Religion
noch vieles zur Verbeſſerung der menſch-
lichen Seele und Geſellſchaft uͤbrig, wo-
hin kein Volk ohne dieſelbe gelanget iſt.
Es wird zwar denen, welche der Chriſtli-
chen Religion obige groſſe Wirkungen zu-
ſchreiben, von andern, die ihr keinen ſo
hohen Werth laſſen wollen, entgegen ge-
ſetzet, daß, wenn die Chriſtliche Lehre einige
Grauſamkeiten unter ihren Bekennern ab-
geſchaffet, ſie andere und noch haͤrtere
wieder eingefuͤhret. Die vielen und har-

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[107/0127] lich gemacht oder aufgehoben, als unter den Chriſten geſchehen iſt? Ja welcher Weiſe, den nicht unſere Offenbarung geleitet, hat je die erhabenen Eigenſchaf- ten Gottes und das kuͤnftige Schickſal der Menſchen und die Art ſich zu einer ſeeligen Ewigkeit zu bereiten, in ein ſol- ches Licht geſetzet, als die Lehrer des Evan- gelii gethan haben? Und wer hat im Ge- gentheil noch eine goͤttliche Eigenſchaft, oder eine Tugend entdecket, welche die goͤttliche Offenbarung nicht lehrete? Ob ich dero- wegen gleich behaupte, daß eine Staats- form, die nicht mit beſtaͤndigen Empoͤrun- gen und Kriegen umgehet, und ein anhal- tender Friede, und Kuͤnſte und Wiſſen- ſchaften, und ein dadurch entſtehendes weicheres und zaͤrtlicheres Gefuͤhl der Seele ein Volk zu Annehmung des wah- ren und thaͤtigen Chriſtenthums vorberei- ten muͤſſe, ſo bleibet doch der Religion noch vieles zur Verbeſſerung der menſch- lichen Seele und Geſellſchaft uͤbrig, wo- hin kein Volk ohne dieſelbe gelanget iſt. Es wird zwar denen, welche der Chriſtli- chen Religion obige groſſe Wirkungen zu- ſchreiben, von andern, die ihr keinen ſo hohen Werth laſſen wollen, entgegen ge- ſetzet, daß, wenn die Chriſtliche Lehre einige Grauſamkeiten unter ihren Bekennern ab- geſchaffet, ſie andere und noch haͤrtere wieder eingefuͤhret. Die vielen und har- ten

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/127>, abgerufen am 22.11.2024.