ben und befehlen? Man bedenke aber, daß eben diese Völker, welche die Jsraeliten ausrotten sollten, sich der größten Härte und allerhand Grausamkeiten schuldig ge- macht. Es war in jenen rauhen Zeiten nichts gewöhnlicher, als daß man Städte, wider welche man kriegete, ganz und gar ausrottete. Man findet davon die Menge Exempel in den Geschichten *), und es ist nichts glaublicher, als daß jene Völker eben dieser Grausamkeit schuldig gewesen. Welches ist aber das Mittel, Völker von solchen unmenschlichen Verfahren zurück zu bringen und gelindere Gewohnheiten unter ihnen einzuführen? Die Erfahrung lehret, daß nicht leicht, oder vielleicht nie- mahls eine Thorheit und böse Gewohnheit in der Welt abgeschaffet wird, als bis sie die Unbequemlichkeit derselben recht leb- haft empfinden, und durch solche Empfin- dungen gezwungen werden, andere Gesin- nungen anzunehmen. War es daher un- gerecht, wenn Gott diese Völker eben das- jenige empfinden ließ, was sie andern an- gethan? Jch erinnere mich, daß in dem Kriege, welcher über die Pohlnische Kö- nigswahl nach dem Tode Augustus des
Zwey-
*) Wie grausam ist nicht noch Alexander der Grosse mit einigen Städten umgegangen? Als er Tyrus eingenommen, ließ er zwey rausend der Tyrier creuzigen.
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ben und befehlen? Man bedenke aber, daß eben dieſe Voͤlker, welche die Jſraeliten ausrotten ſollten, ſich der groͤßten Haͤrte und allerhand Grauſamkeiten ſchuldig ge- macht. Es war in jenen rauhen Zeiten nichts gewoͤhnlicher, als daß man Staͤdte, wider welche man kriegete, ganz und gar ausrottete. Man findet davon die Menge Exempel in den Geſchichten *), und es iſt nichts glaublicher, als daß jene Voͤlker eben dieſer Grauſamkeit ſchuldig geweſen. Welches iſt aber das Mittel, Voͤlker von ſolchen unmenſchlichen Verfahren zuruͤck zu bringen und gelindere Gewohnheiten unter ihnen einzufuͤhren? Die Erfahrung lehret, daß nicht leicht, oder vielleicht nie- mahls eine Thorheit und boͤſe Gewohnheit in der Welt abgeſchaffet wird, als bis ſie die Unbequemlichkeit derſelben recht leb- haft empfinden, und durch ſolche Empfin- dungen gezwungen werden, andere Geſin- nungen anzunehmen. War es daher un- gerecht, wenn Gott dieſe Voͤlker eben das- jenige empfinden ließ, was ſie andern an- gethan? Jch erinnere mich, daß in dem Kriege, welcher uͤber die Pohlniſche Koͤ- nigswahl nach dem Tode Auguſtus des
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*) Wie grauſam iſt nicht noch Alexander der Groſſe mit einigen Staͤdten umgegangen? Als er Tyrus eingenommen, ließ er zwey rauſend der Tyrier creuzigen.
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ben und befehlen? Man bedenke aber, daß
eben dieſe Voͤlker, welche die Jſraeliten
ausrotten ſollten, ſich der groͤßten Haͤrte
und allerhand Grauſamkeiten ſchuldig ge-
macht. Es war in jenen rauhen Zeiten
nichts gewoͤhnlicher, als daß man Staͤdte,
wider welche man kriegete, ganz und gar
ausrottete. Man findet davon die Menge
Exempel in den Geſchichten *), und es iſt
nichts glaublicher, als daß jene Voͤlker
eben dieſer Grauſamkeit ſchuldig geweſen.
Welches iſt aber das Mittel, Voͤlker von
ſolchen unmenſchlichen Verfahren zuruͤck
zu bringen und gelindere Gewohnheiten
unter ihnen einzufuͤhren? Die Erfahrung
lehret, daß nicht leicht, oder vielleicht nie-
mahls eine Thorheit und boͤſe Gewohnheit
in der Welt abgeſchaffet wird, als bis ſie
die Unbequemlichkeit derſelben recht leb-
haft empfinden, und durch ſolche Empfin-
dungen gezwungen werden, andere Geſin-
nungen anzunehmen. War es daher un-
gerecht, wenn Gott dieſe Voͤlker eben das-
jenige empfinden ließ, was ſie andern an-
gethan? Jch erinnere mich, daß in dem
Kriege, welcher uͤber die Pohlniſche Koͤ-
nigswahl nach dem Tode Auguſtus des
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*) Wie grauſam iſt nicht noch Alexander der
Groſſe mit einigen Staͤdten umgegangen?
Als er Tyrus eingenommen, ließ er zwey
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/103>, abgerufen am 24.11.2024.
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