Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.ich von der Schärfe meines Verstandes nicht, daß ich den Schluß machte: Ein jeder Widerspruch, den ich nicht lösen kan, ist ein wahrer Widerspruch. Wie viel grosse Leute haben sich durch diesen hohen Gedancken auf die grösten Thor- heiten verleiten lassen? Wie viel Wi- dersprechendes hat man sonst nicht in der beynahe Kugel- runden Form der Er- de, ingleichen in der Bewegung dersel- ben um die Sonne gefunden? Und wer kan alle diejenigen, welche dasselbe nicht haben auflösen können, eines blöden Ver- standes beschuldigen? Jndessen sind nach und nach alle die Zweifel gehoben, wel- che sonst den Witzigsten zu schwer wa- ren. Kan es uns mit andern Dingen nicht eben so gehen? Wie widersinnig schien nicht noch vor kurtzer Zeit den meh- resten Gelehrten die Meynung, daß mehr grosse Behälter von belebten Geschöpfen in der Welt wären, als unser kleines Erd-Pünctgen? Jetzo aber erstaunt man schon über diejenigen, welche sich können einbilden, daß in der unermeßlichen Wei- te der Welt und unter den unzählbaren grossen Cörpern derselben nur diese ein- tzige
ich von der Schaͤrfe meines Verſtandes nicht, daß ich den Schluß machte: Ein jeder Widerſpruch, den ich nicht loͤſen kan, iſt ein wahrer Widerſpruch. Wie viel groſſe Leute haben ſich durch dieſen hohen Gedancken auf die groͤſten Thor- heiten verleiten laſſen? Wie viel Wi- derſprechendes hat man ſonſt nicht in der beynahe Kugel- runden Form der Er- de, ingleichen in der Bewegung derſel- ben um die Sonne gefunden? Und wer kan alle diejenigen, welche daſſelbe nicht haben aufloͤſen koͤnnen, eines bloͤden Ver- ſtandes beſchuldigen? Jndeſſen ſind nach und nach alle die Zweifel gehoben, wel- che ſonſt den Witzigſten zu ſchwer wa- ren. Kan es uns mit andern Dingen nicht eben ſo gehen? Wie widerſinnig ſchien nicht noch vor kurtzer Zeit den meh- reſten Gelehrten die Meynung, daß mehr groſſe Behaͤlter von belebten Geſchoͤpfen in der Welt waͤren, als unſer kleines Erd-Puͤnctgen? Jetzo aber erſtaunt man ſchon uͤber diejenigen, welche ſich koͤnnen einbilden, daß in der unermeßlichen Wei- te der Welt und unter den unzaͤhlbaren groſſen Coͤrpern derſelben nur dieſe ein- tzige
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ich von der Schaͤrfe meines Verſtandes
nicht, daß ich den Schluß machte: Ein
jeder Widerſpruch, den ich nicht loͤſen
kan, iſt ein wahrer Widerſpruch. Wie
viel groſſe Leute haben ſich durch dieſen
hohen Gedancken auf die groͤſten Thor-
heiten verleiten laſſen? Wie viel Wi-
derſprechendes hat man ſonſt nicht in
der beynahe Kugel- runden Form der Er-
de, ingleichen in der Bewegung derſel-
ben um die Sonne gefunden? Und wer
kan alle diejenigen, welche daſſelbe nicht
haben aufloͤſen koͤnnen, eines bloͤden Ver-
ſtandes beſchuldigen? Jndeſſen ſind nach
und nach alle die Zweifel gehoben, wel-
che ſonſt den Witzigſten zu ſchwer wa-
ren. Kan es uns mit andern Dingen
nicht eben ſo gehen? Wie widerſinnig
ſchien nicht noch vor kurtzer Zeit den meh-
reſten Gelehrten die Meynung, daß mehr
groſſe Behaͤlter von belebten Geſchoͤpfen
in der Welt waͤren, als unſer kleines
Erd-Puͤnctgen? Jetzo aber erſtaunt man
ſchon uͤber diejenigen, welche ſich koͤnnen
einbilden, daß in der unermeßlichen Wei-
te der Welt und unter den unzaͤhlbaren
groſſen Coͤrpern derſelben nur dieſe ein-
tzige
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