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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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be an dem Schimmer des Goldes weiden,
und absagen, nie den Anblick eines be-
blühmten Rasen, eines grünen Feldes, be-
laubten Waldes, und des blauen Him-
mels zu geniessen? Oder würde ein solcher
sich lieber an diesen letztern Schönheiten
vergnügen, und es leichter verschmertzen,
wenn der Glantz künstlich und prächtig be-
kleideter Wände nie sein Auge berührte?
Würde ferner ein solcher lieber den ange-
nehmen Unterredungen, deren auch ein Ge-
meiner theilhaftig wird, absagen, und sein
Ohr nur mit den künstlich gemischten Tö-
nen der Saiten und Pfeifen belustigen,
oder wird er dieses letztere lieber fahren las-
sen, und das erstere behalten? Eben so
verhält es sich mit den Vergnügungen des
Geschmacks. Die angenehmsten sind ge-
mein. Wie sehr lieben nicht auch die
Glücklichsten den Geschmack des Brodtes,
der grünen Kräuter und Früchte, und ist
das Saltz nicht auch dieser ihr bestes Ge-
würtz? Werden sie nicht lieber die Spei-
sen, die sie vor andern zum Voraus haben,
fahren lassen, als diejenigen Dinge, wel-
che auch die Niedrigen und Armen ernäh-
ren? Und sollte mancher nicht eher den

Wein,



be an dem Schimmer des Goldes weiden,
und abſagen, nie den Anblick eines be-
bluͤhmten Raſen, eines gruͤnen Feldes, be-
laubten Waldes, und des blauen Him-
mels zu genieſſen? Oder wuͤrde ein ſolcher
ſich lieber an dieſen letztern Schoͤnheiten
vergnuͤgen, und es leichter verſchmertzen,
wenn der Glantz kuͤnſtlich und praͤchtig be-
kleideter Waͤnde nie ſein Auge beruͤhrte?
Wuͤrde ferner ein ſolcher lieber den ange-
nehmen Unterredungen, deren auch ein Ge-
meiner theilhaftig wird, abſagen, und ſein
Ohr nur mit den kuͤnſtlich gemiſchten Toͤ-
nen der Saiten und Pfeifen beluſtigen,
oder wird er dieſes letztere lieber fahren laſ-
ſen, und das erſtere behalten? Eben ſo
verhaͤlt es ſich mit den Vergnuͤgungen des
Geſchmacks. Die angenehmſten ſind ge-
mein. Wie ſehr lieben nicht auch die
Gluͤcklichſten den Geſchmack des Brodtes,
der gruͤnen Kraͤuter und Fruͤchte, und iſt
das Saltz nicht auch dieſer ihr beſtes Ge-
wuͤrtz? Werden ſie nicht lieber die Spei-
ſen, die ſie vor andern zum Voraus haben,
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che auch die Niedrigen und Armen ernaͤh-
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Wein,
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[420/0438] be an dem Schimmer des Goldes weiden, und abſagen, nie den Anblick eines be- bluͤhmten Raſen, eines gruͤnen Feldes, be- laubten Waldes, und des blauen Him- mels zu genieſſen? Oder wuͤrde ein ſolcher ſich lieber an dieſen letztern Schoͤnheiten vergnuͤgen, und es leichter verſchmertzen, wenn der Glantz kuͤnſtlich und praͤchtig be- kleideter Waͤnde nie ſein Auge beruͤhrte? Wuͤrde ferner ein ſolcher lieber den ange- nehmen Unterredungen, deren auch ein Ge- meiner theilhaftig wird, abſagen, und ſein Ohr nur mit den kuͤnſtlich gemiſchten Toͤ- nen der Saiten und Pfeifen beluſtigen, oder wird er dieſes letztere lieber fahren laſ- ſen, und das erſtere behalten? Eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Vergnuͤgungen des Geſchmacks. Die angenehmſten ſind ge- mein. Wie ſehr lieben nicht auch die Gluͤcklichſten den Geſchmack des Brodtes, der gruͤnen Kraͤuter und Fruͤchte, und iſt das Saltz nicht auch dieſer ihr beſtes Ge- wuͤrtz? Werden ſie nicht lieber die Spei- ſen, die ſie vor andern zum Voraus haben, fahren laſſen, als diejenigen Dinge, wel- che auch die Niedrigen und Armen ernaͤh- ren? Und ſollte mancher nicht eher den Wein,

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/438>, abgerufen am 23.11.2024.