Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



und sagen: Der Schöpfer hätte ja ma-
chen können, daß eines ohne den Untergang
des andern und also alles neben einander
zu seiner Vollkommenheit gediehen wäre,
der lese was ich Betracht. VII. §. 13. ge-
schrieben habe.

Endlich liegt in dem obigen unförmli-
chen und zusammen gezogenen Schlusse
auch noch dieser förmliche Schluß:

Wer viele überflüßige und ver-
gebliche Dinge macht, der muß
nicht allwissend seyn.
Der Schöpfer macht viele der-
gleichen; derowegen muß er
nicht alles, besonders zukünfti-
ge Dinge vorher wissen.

Jst es möglich, daß ein Weiser einen
solchen Schluß mache? Woher soll doch
der mittlere Satz desselben bewiesen wer-
den? Er spricht: Die vielen kleinen Cör-
perchen, welche in den Eyern liegen, so nicht
auskommen und viel tausend andere Din-
ge sind ja vergeblich, indem sie das Ziel
des Schöpfers nicht erreichen? Woher
weiß man denn, daß sie vergebens da seyn
und das Ziel des Schöpfers nicht erlan-
gen? Jst denn alles dasjenige vergeblich,

so
Jacobi Betr. 2. Band. T



und ſagen: Der Schoͤpfer haͤtte ja ma-
chen koͤnnen, daß eines ohne den Untergang
des andern und alſo alles neben einander
zu ſeiner Vollkommenheit gediehen waͤre,
der leſe was ich Betracht. VII. §. 13. ge-
ſchrieben habe.

Endlich liegt in dem obigen unfoͤrmli-
chen und zuſammen gezogenen Schluſſe
auch noch dieſer foͤrmliche Schluß:

Wer viele uͤberfluͤßige und ver-
gebliche Dinge macht, der muß
nicht allwiſſend ſeyn.
Der Schoͤpfer macht viele der-
gleichen; derowegen muß er
nicht alles, beſonders zukuͤnfti-
ge Dinge vorher wiſſen.

Jſt es moͤglich, daß ein Weiſer einen
ſolchen Schluß mache? Woher ſoll doch
der mittlere Satz deſſelben bewieſen wer-
den? Er ſpricht: Die vielen kleinen Coͤr-
perchen, welche in den Eyern liegen, ſo nicht
auskommen und viel tauſend andere Din-
ge ſind ja vergeblich, indem ſie das Ziel
des Schoͤpfers nicht erreichen? Woher
weiß man denn, daß ſie vergebens da ſeyn
und das Ziel des Schoͤpfers nicht erlan-
gen? Jſt denn alles dasjenige vergeblich,

ſo
Jacobi Betr. 2. Band. T
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="289"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und &#x017F;agen: Der Scho&#x0364;pfer ha&#x0364;tte ja ma-<lb/>
chen ko&#x0364;nnen, daß eines ohne den Untergang<lb/>
des andern und al&#x017F;o alles neben einander<lb/>
zu &#x017F;einer Vollkommenheit gediehen wa&#x0364;re,<lb/>
der le&#x017F;e was ich Betracht. <hi rendition="#aq">VII.</hi> §. 13. ge-<lb/>
&#x017F;chrieben habe.</p><lb/>
          <p>Endlich liegt in dem obigen unfo&#x0364;rmli-<lb/>
chen und zu&#x017F;ammen gezogenen Schlu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
auch noch die&#x017F;er fo&#x0364;rmliche Schluß:</p><lb/>
          <list>
            <item> <hi rendition="#fr">Wer viele u&#x0364;berflu&#x0364;ßige und ver-<lb/>
gebliche Dinge macht, der muß<lb/>
nicht allwi&#x017F;&#x017F;end &#x017F;eyn.</hi> </item><lb/>
            <item> <hi rendition="#fr">Der Scho&#x0364;pfer macht viele der-<lb/>
gleichen; derowegen muß er<lb/>
nicht alles, be&#x017F;onders zuku&#x0364;nfti-<lb/>
ge Dinge vorher wi&#x017F;&#x017F;en.</hi> </item>
          </list><lb/>
          <p>J&#x017F;t es mo&#x0364;glich, daß ein Wei&#x017F;er einen<lb/>
&#x017F;olchen Schluß mache? Woher &#x017F;oll doch<lb/>
der mittlere Satz de&#x017F;&#x017F;elben bewie&#x017F;en wer-<lb/>
den? Er &#x017F;pricht: Die vielen kleinen Co&#x0364;r-<lb/>
perchen, welche in den Eyern liegen, &#x017F;o nicht<lb/>
auskommen und viel tau&#x017F;end andere Din-<lb/>
ge &#x017F;ind ja vergeblich, indem &#x017F;ie das Ziel<lb/>
des Scho&#x0364;pfers nicht erreichen? Woher<lb/>
weiß man denn, daß &#x017F;ie vergebens da &#x017F;eyn<lb/>
und das Ziel des Scho&#x0364;pfers nicht erlan-<lb/>
gen? J&#x017F;t denn alles dasjenige vergeblich,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Jacobi Betr. 2. Band. T</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0307] und ſagen: Der Schoͤpfer haͤtte ja ma- chen koͤnnen, daß eines ohne den Untergang des andern und alſo alles neben einander zu ſeiner Vollkommenheit gediehen waͤre, der leſe was ich Betracht. VII. §. 13. ge- ſchrieben habe. Endlich liegt in dem obigen unfoͤrmli- chen und zuſammen gezogenen Schluſſe auch noch dieſer foͤrmliche Schluß: Wer viele uͤberfluͤßige und ver- gebliche Dinge macht, der muß nicht allwiſſend ſeyn. Der Schoͤpfer macht viele der- gleichen; derowegen muß er nicht alles, beſonders zukuͤnfti- ge Dinge vorher wiſſen. Jſt es moͤglich, daß ein Weiſer einen ſolchen Schluß mache? Woher ſoll doch der mittlere Satz deſſelben bewieſen wer- den? Er ſpricht: Die vielen kleinen Coͤr- perchen, welche in den Eyern liegen, ſo nicht auskommen und viel tauſend andere Din- ge ſind ja vergeblich, indem ſie das Ziel des Schoͤpfers nicht erreichen? Woher weiß man denn, daß ſie vergebens da ſeyn und das Ziel des Schoͤpfers nicht erlan- gen? Jſt denn alles dasjenige vergeblich, ſo Jacobi Betr. 2. Band. T

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/307
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/307>, abgerufen am 23.11.2024.