Man wird mich ohne Zweifel bey derWiderle- gung des Zweifels, so von den Eyern her- genom- men wird, deren. Brut nicht aus- kommt. obigen Eyer-Philosophie zu halten suchen, und einwenden, daß wenn auch der Stoff der lebendigen Geschöpfe an die Dotter der Eyer gebunden, so würde ich doch dadurch nichts gewinnen, sondern vielmehr verlieh- ren. Man wird mir vorhalten, die vielen Menschen und Thiere, welche umkommen, ehe sie gezeuget haben, bey welchen man doch die Ovula zur Zeugung durch eine genaue Zergliederung findet. Man wird mir entgegen setzen die unsägliche Menge Eyer der Fische und anderer Thiere, wel- che gegessen werden, und deren Brut zu ihrer Vollkommenheit nicht gediehen. Man wird schliessen: Hätte der Schöpfer zum Voraus gesehen, daß dieses und jenes Ey nebst seiner Brut würde ver- nichtet werden, ehe die Brut ihre Voll- kommenheit erreicht; er würde selbi- ge nicht vergeblich zur Würcklichkeit gebracht haben. Wir wollen die Schlüs- se, die hierinne liegen, ordentlich auswi- ckeln, damit wir von ihrer Richtigkeit desto besser urtheilen können. Es sind in die- sem unförmlichen Schlusse verschiedene
Gründe
§. 10.
Man wird mich ohne Zweifel bey derWiderle- gung des Zweifels, ſo von den Eyern her- genom- men wird, deren. Brut nicht aus- kommt. obigen Eyer-Philoſophie zu halten ſuchen, und einwenden, daß wenn auch der Stoff der lebendigen Geſchoͤpfe an die Dotter der Eyer gebunden, ſo wuͤrde ich doch dadurch nichts gewinnen, ſondern vielmehr verlieh- ren. Man wird mir vorhalten, die vielen Menſchen und Thiere, welche umkommen, ehe ſie gezeuget haben, bey welchen man doch die Ovula zur Zeugung durch eine genaue Zergliederung findet. Man wird mir entgegen ſetzen die unſaͤgliche Menge Eyer der Fiſche und anderer Thiere, wel- che gegeſſen werden, und deren Brut zu ihrer Vollkommenheit nicht gediehen. Man wird ſchlieſſen: Haͤtte der Schoͤpfer zum Voraus geſehen, daß dieſes und jenes Ey nebſt ſeiner Brut wuͤrde ver- nichtet werden, ehe die Brut ihre Voll- kommenheit erreicht; er wuͤrde ſelbi- ge nicht vergeblich zur Wuͤrcklichkeit gebracht haben. Wir wollen die Schluͤſ- ſe, die hierinne liegen, ordentlich auswi- ckeln, damit wir von ihrer Richtigkeit deſto beſſer urtheilen koͤnnen. Es ſind in die- ſem unfoͤrmlichen Schluſſe verſchiedene
Gruͤnde
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§. 10.
Man wird mich ohne Zweifel bey der
obigen Eyer-Philoſophie zu halten ſuchen,
und einwenden, daß wenn auch der Stoff
der lebendigen Geſchoͤpfe an die Dotter der
Eyer gebunden, ſo wuͤrde ich doch dadurch
nichts gewinnen, ſondern vielmehr verlieh-
ren. Man wird mir vorhalten, die vielen
Menſchen und Thiere, welche umkommen,
ehe ſie gezeuget haben, bey welchen man
doch die Ovula zur Zeugung durch eine
genaue Zergliederung findet. Man wird
mir entgegen ſetzen die unſaͤgliche Menge
Eyer der Fiſche und anderer Thiere, wel-
che gegeſſen werden, und deren Brut zu
ihrer Vollkommenheit nicht gediehen. Man
wird ſchlieſſen: Haͤtte der Schoͤpfer
zum Voraus geſehen, daß dieſes und
jenes Ey nebſt ſeiner Brut wuͤrde ver-
nichtet werden, ehe die Brut ihre Voll-
kommenheit erreicht; er wuͤrde ſelbi-
ge nicht vergeblich zur Wuͤrcklichkeit
gebracht haben. Wir wollen die Schluͤſ-
ſe, die hierinne liegen, ordentlich auswi-
ckeln, damit wir von ihrer Richtigkeit deſto
beſſer urtheilen koͤnnen. Es ſind in die-
ſem unfoͤrmlichen Schluſſe verſchiedene
Gruͤnde
Widerle-
gung des
Zweifels,
ſo von den
Eyern her-
genom-
men wird,
deren.
Brut
nicht aus-
kommt.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/303>, abgerufen am 24.11.2024.
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