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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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§. 16.
dennoch wegen der allzugrossen Menge der
Menschen, die hier eine Armee sollen ausge-
machet haben, bedencklich vorkommt, der er-
wege, daß man von den jetzigen Armeen auf
jene gar nicht schliessen könne. Es war da-
mals, wie oben schon erinnert, eine gantz an-
dere Verfassung der Welt. Alle Manns-
Personen wurden zum Kriege erzogen, und
alle, welche vermöge der Jahre und Kräfte
fechten konnten, waren verbunden, mit ins
Feld zu gehen. Wenn man nun die Weite
der Länder betrachtet, woraus Xerxes diese
Armee zusammen gezogen, so lässet sich eine
solche Menge gar wohl begreifen. Man
weiß, daß Franckreich auf die zwantzig Mil-
lionen Seelen hat. Mat hat ferner aus-
gemacht, daß unter vier Menschen einer als
streitbar kan angenommen werden. Nach
dieser Rechnung sind in Franckreich fünf
Millionen Manns-Personen, die vermöge
ihres Alters zum Streiten könnten ge-
braucht werden. Was ist aber Franckreich
vor ein kleines Reich, gegen diejenigen Lan-
de, die Xerxes entweder beherrschet, oder zu
Bundesgenossen gehabt? Wer ferner den-
cket, wo sollte eine solche Armee den Pro-
viant her bekommen? Der betrachte das
Land, wo sie gestanden, und ihre Züge gethan,
und daß sie aus 3. Theilen der Welt ohne
viele Weitläuftigkeit Zufuhren zu Wasser
gehabt. Er überlege, wie viele Menschen
in Holland durch die blossen Zufuhren ihre
Lebensmittel haben müssen, da doch Hol-
land bey weiten so bequem zur Zufuhr nicht
liegt, als Griechenland. Wer dieses alles in
Erwegung ziehet, der wird die Möglichkeit
einer solchen Armee und eines solchen Zuges
begreifen.


§. 16.
dennoch wegen der allzugroſſen Menge der
Menſchen, die hier eine Armee ſollen ausge-
machet haben, bedencklich vorkommt, der er-
wege, daß man von den jetzigen Armeen auf
jene gar nicht ſchlieſſen koͤnne. Es war da-
mals, wie oben ſchon erinnert, eine gantz an-
dere Verfaſſung der Welt. Alle Manns-
Perſonen wurden zum Kriege erzogen, und
alle, welche vermoͤge der Jahre und Kraͤfte
fechten konnten, waren verbunden, mit ins
Feld zu gehen. Wenn man nun die Weite
der Laͤnder betrachtet, woraus Xerxes dieſe
Armee zuſammen gezogen, ſo laͤſſet ſich eine
ſolche Menge gar wohl begreifen. Man
weiß, daß Franckreich auf die zwantzig Mil-
lionen Seelen hat. Mat hat ferner aus-
gemacht, daß unter vier Menſchen einer als
ſtreitbar kan angenommen werden. Nach
dieſer Rechnung ſind in Franckreich fuͤnf
Millionen Manns-Perſonen, die vermoͤge
ihres Alters zum Streiten koͤnnten ge-
braucht werden. Was iſt aber Franckreich
vor ein kleines Reich, gegen diejenigen Lan-
de, die Xerxes entweder beherrſchet, oder zu
Bundesgenoſſen gehabt? Wer ferner den-
cket, wo ſollte eine ſolche Armee den Pro-
viant her bekommen? Der betrachte das
Land, wo ſie geſtanden, und ihre Zuͤge gethan,
und daß ſie aus 3. Theilen der Welt ohne
viele Weitlaͤuftigkeit Zufuhren zu Waſſer
gehabt. Er uͤberlege, wie viele Menſchen
in Holland durch die bloſſen Zufuhren ihre
Lebensmittel haben muͤſſen, da doch Hol-
land bey weiten ſo bequem zur Zufuhr nicht
liegt, als Griechenland. Wer dieſes alles in
Erwegung ziehet, der wird die Moͤglichkeit
einer ſolchen Armee und eines ſolchen Zuges
begreifen.
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[212/0230] (*) §. 16. (*) dennoch wegen der allzugroſſen Menge der Menſchen, die hier eine Armee ſollen ausge- machet haben, bedencklich vorkommt, der er- wege, daß man von den jetzigen Armeen auf jene gar nicht ſchlieſſen koͤnne. Es war da- mals, wie oben ſchon erinnert, eine gantz an- dere Verfaſſung der Welt. Alle Manns- Perſonen wurden zum Kriege erzogen, und alle, welche vermoͤge der Jahre und Kraͤfte fechten konnten, waren verbunden, mit ins Feld zu gehen. Wenn man nun die Weite der Laͤnder betrachtet, woraus Xerxes dieſe Armee zuſammen gezogen, ſo laͤſſet ſich eine ſolche Menge gar wohl begreifen. Man weiß, daß Franckreich auf die zwantzig Mil- lionen Seelen hat. Mat hat ferner aus- gemacht, daß unter vier Menſchen einer als ſtreitbar kan angenommen werden. Nach dieſer Rechnung ſind in Franckreich fuͤnf Millionen Manns-Perſonen, die vermoͤge ihres Alters zum Streiten koͤnnten ge- braucht werden. Was iſt aber Franckreich vor ein kleines Reich, gegen diejenigen Lan- de, die Xerxes entweder beherrſchet, oder zu Bundesgenoſſen gehabt? Wer ferner den- cket, wo ſollte eine ſolche Armee den Pro- viant her bekommen? Der betrachte das Land, wo ſie geſtanden, und ihre Zuͤge gethan, und daß ſie aus 3. Theilen der Welt ohne viele Weitlaͤuftigkeit Zufuhren zu Waſſer gehabt. Er uͤberlege, wie viele Menſchen in Holland durch die bloſſen Zufuhren ihre Lebensmittel haben muͤſſen, da doch Hol- land bey weiten ſo bequem zur Zufuhr nicht liegt, als Griechenland. Wer dieſes alles in Erwegung ziehet, der wird die Moͤglichkeit einer ſolchen Armee und eines ſolchen Zuges begreifen.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/230>, abgerufen am 26.11.2024.