Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



hören eben solche Reihen der Dinge da-
zu, als der Weiseste erwählet. (Man
lese Betrachtung IV. §. 18. 19.) Die-
ses aber begreiffen wir Kurtzsichtigen
nicht, wenn der HERR rauhe Wege
mit uns gehet; sondern wir fallen auf
nichts leichter als auf diese Gedancken,
der Allmächtige hätte eine bessere Ein-
richtung machen können. Wer derowe-
gen die Menschen der damaligen Zei-
ten betrachtet, wie sie in ihrer Unvoll-
kommenheit sind, und zu urtheilen pfle-
gen, der wird leicht aus den angeführten
begreiffen, daß, wenn der HERR
ihnen die Zeit seiner Verheissungen und
ihrer Schicksale genau und mit aus-
drücklichen Worten hätte anzeigen las-
sen, seine Verheissungen ihre Krafft
würden verlohren und sein Volck ihm
gäntzlich würde abgesaget haben. So
aber lässet er zu, daß sie sich entfernte
Verheissungen als gantz nahe vorstellen,
und in dieser Hoffnung von einer Zeit
zur andern hingehalten werden, bis end-
lich die Tage kommen, die zu Ausfüh-
rung seiner unerforschlichen Rathschlüsse
am bequemsten sind. Und also zeiget

sich



hoͤren eben ſolche Reihen der Dinge da-
zu, als der Weiſeſte erwaͤhlet. (Man
leſe Betrachtung IV. §. 18. 19.) Die-
ſes aber begreiffen wir Kurtzſichtigen
nicht, wenn der HERR rauhe Wege
mit uns gehet; ſondern wir fallen auf
nichts leichter als auf dieſe Gedancken,
der Allmaͤchtige haͤtte eine beſſere Ein-
richtung machen koͤnnen. Wer derowe-
gen die Menſchen der damaligen Zei-
ten betrachtet, wie ſie in ihrer Unvoll-
kommenheit ſind, und zu urtheilen pfle-
gen, der wird leicht aus den angefuͤhrten
begreiffen, daß, wenn der HERR
ihnen die Zeit ſeiner Verheiſſungen und
ihrer Schickſale genau und mit aus-
druͤcklichen Worten haͤtte anzeigen laſ-
ſen, ſeine Verheiſſungen ihre Krafft
wuͤrden verlohren und ſein Volck ihm
gaͤntzlich wuͤrde abgeſaget haben. So
aber laͤſſet er zu, daß ſie ſich entfernte
Verheiſſungen als gantz nahe vorſtellen,
und in dieſer Hoffnung von einer Zeit
zur andern hingehalten werden, bis end-
lich die Tage kommen, die zu Ausfuͤh-
rung ſeiner unerforſchlichen Rathſchluͤſſe
am bequemſten ſind. Und alſo zeiget

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="143"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ho&#x0364;ren eben &#x017F;olche Reihen der Dinge da-<lb/>
zu, als der Wei&#x017F;e&#x017F;te erwa&#x0364;hlet. (Man<lb/>
le&#x017F;e Betrachtung <hi rendition="#aq">IV.</hi> §. 18. 19.) Die-<lb/>
&#x017F;es aber begreiffen wir Kurtz&#x017F;ichtigen<lb/>
nicht, wenn der HERR rauhe Wege<lb/>
mit uns gehet; &#x017F;ondern wir fallen auf<lb/>
nichts leichter als auf die&#x017F;e Gedancken,<lb/>
der Allma&#x0364;chtige ha&#x0364;tte eine be&#x017F;&#x017F;ere Ein-<lb/>
richtung machen ko&#x0364;nnen. Wer derowe-<lb/>
gen die Men&#x017F;chen der damaligen Zei-<lb/>
ten betrachtet, wie &#x017F;ie in ihrer Unvoll-<lb/>
kommenheit &#x017F;ind, und zu urtheilen pfle-<lb/>
gen, der wird leicht aus den angefu&#x0364;hrten<lb/>
begreiffen, daß, wenn der <hi rendition="#g">HERR</hi><lb/>
ihnen die Zeit &#x017F;einer Verhei&#x017F;&#x017F;ungen und<lb/>
ihrer Schick&#x017F;ale genau und mit aus-<lb/>
dru&#x0364;cklichen Worten ha&#x0364;tte anzeigen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;eine Verhei&#x017F;&#x017F;ungen ihre Krafft<lb/>
wu&#x0364;rden verlohren und &#x017F;ein Volck ihm<lb/>
ga&#x0364;ntzlich wu&#x0364;rde abge&#x017F;aget haben. So<lb/>
aber la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et er zu, daß &#x017F;ie &#x017F;ich entfernte<lb/>
Verhei&#x017F;&#x017F;ungen als gantz nahe vor&#x017F;tellen,<lb/>
und in die&#x017F;er Hoffnung von einer Zeit<lb/>
zur andern hingehalten werden, bis end-<lb/>
lich die Tage kommen, die zu Ausfu&#x0364;h-<lb/>
rung &#x017F;einer unerfor&#x017F;chlichen Rath&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
am bequem&#x017F;ten &#x017F;ind. Und al&#x017F;o zeiget<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0161] hoͤren eben ſolche Reihen der Dinge da- zu, als der Weiſeſte erwaͤhlet. (Man leſe Betrachtung IV. §. 18. 19.) Die- ſes aber begreiffen wir Kurtzſichtigen nicht, wenn der HERR rauhe Wege mit uns gehet; ſondern wir fallen auf nichts leichter als auf dieſe Gedancken, der Allmaͤchtige haͤtte eine beſſere Ein- richtung machen koͤnnen. Wer derowe- gen die Menſchen der damaligen Zei- ten betrachtet, wie ſie in ihrer Unvoll- kommenheit ſind, und zu urtheilen pfle- gen, der wird leicht aus den angefuͤhrten begreiffen, daß, wenn der HERR ihnen die Zeit ſeiner Verheiſſungen und ihrer Schickſale genau und mit aus- druͤcklichen Worten haͤtte anzeigen laſ- ſen, ſeine Verheiſſungen ihre Krafft wuͤrden verlohren und ſein Volck ihm gaͤntzlich wuͤrde abgeſaget haben. So aber laͤſſet er zu, daß ſie ſich entfernte Verheiſſungen als gantz nahe vorſtellen, und in dieſer Hoffnung von einer Zeit zur andern hingehalten werden, bis end- lich die Tage kommen, die zu Ausfuͤh- rung ſeiner unerforſchlichen Rathſchluͤſſe am bequemſten ſind. Und alſo zeiget ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/161
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/161>, abgerufen am 24.11.2024.