Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.§. 4. Wohindieses Vergnü- gen gehe? Wenn wir bey diesem Vergnügen un- (*) Die (*) Die Erfahrung zeiget dieses augenschein-
lich. Wie viel hat GOtt nicht gethan um des Menschen willen? Man betrachte nur seine Hand. Aus wie vielen Knochen, Sehnen, Ge- lencken, Adern, fleischigten Stücken und Häu- ten ist selbige nicht zusammen gesetzt uns zu einer besondern Vollkommenheit? Denn wie viel tau- senderley Bewegungen können wir nicht vermöge dieser vielen Theile zu unsern grösten Vergnügen machen? Was vor mancherley künstliche Arbeit können wir mit denselben nicht verrichten? Wie viel angenehme und ergötzende Tone können wir nicht mit den Fingern auf Säiten und Pfeiffen machen? Und wer kann den unzehligen Gebrauch der Glieder an der Hand beschreiben, welcher von ihrer Vollkommenheit ein Zeugniß giebet. Und hat GOtt eine so grosse Vollkommenheit in eine eintzige Hand geleget, wie wird man nicht in an- dern Dingen dieser Welt die Begierde GOttes erblicken, die Creatur vollkommen zu machen? Jch übergehe Kürtze halber mit Stillschweigen, was uns die göttliche Offenbahrung von dieser Begierde entdecket. §. 4. Wohindieſes Vergnuͤ- gen gehe? Wenn wir bey dieſem Vergnuͤgen un- (*) Die (*) Die Erfahrung zeiget dieſes augenſchein-
lich. Wie viel hat GOtt nicht gethan um des Menſchen willen? Man betrachte nur ſeine Hand. Aus wie vielen Knochen, Sehnen, Ge- lencken, Adern, fleiſchigten Stuͤcken und Haͤu- ten iſt ſelbige nicht zuſammen geſetzt uns zu einer beſondern Vollkommenheit? Denn wie viel tau- ſenderley Bewegungen koͤnnen wir nicht vermoͤge dieſer vielen Theile zu unſern groͤſten Vergnuͤgen machen? Was vor mancherley kuͤnſtliche Arbeit koͤnnen wir mit denſelben nicht verrichten? Wie viel angenehme und ergoͤtzende Tone koͤnnen wir nicht mit den Fingern auf Saͤiten und Pfeiffen machen? Und wer kañ den unzehligen Gebrauch der Glieder an der Hand beſchreiben, welcher von ihrer Vollkommenheit ein Zeugniß giebet. Und hat GOtt eine ſo groſſe Vollkommenheit in eine eintzige Hand geleget, wie wird man nicht in an- dern Dingen dieſer Welt die Begierde GOttes erblicken, die Creatur vollkommen zu machen? Jch uͤbergehe Kuͤrtze halber mit Stillſchweigen, was uns die goͤttliche Offenbahrung von dieſer Begierde entdecket. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0054" n="18"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head>§. 4.</head><lb/> <note place="left">Wohin<lb/> dieſes<lb/> Vergnuͤ-<lb/> gen gehe?</note> <p>Wenn wir bey dieſem Vergnuͤgen un-<lb/> ſere Gedancken laͤnger aufhalten, und ſel-<lb/> biges weiter unterſuchen, ſo finden wir,<lb/> daß es in GOtt beſonders darinnen beſte-<lb/> he, daß er Dinge, die nur bloß moͤglich<lb/> und noch nicht wuͤrcklich, und alſo noch<lb/> keiner Vollkommenheiten faͤhig ſind, aus<lb/> ihrem Nichts hervor rufft, zur Wuͤrcklich-<lb/> keit bringet, und ihnen ſo viel Vollkom-<lb/> menheiten mittheilet, als durch weiſe Mit-<lb/> tel moͤglich iſt. Es iſt dieſes der Natur<lb/> eines guͤtigen und weiſen Weſens gemaͤß,<lb/> daß es darinnen ſeine Freude ſuchet, wenn<lb/> es andere vollkommen machet. Und da<lb/> nun die Dinge dieſer Welt und ihre ſchoͤ-<lb/> ne Anordnung ohne GOtt nicht ſeyn koͤn-<lb/> nen, jemahls auch nicht geweſen ſind; ſo<lb/> muß es ihm ein Vergnuͤgen ſeyn, wenn er<lb/> Dingen, die nicht ſind, ihre Wuͤrcklichkeit<lb/> giebet, und ſie mit ſo vielen Vollkommen-<lb/> heiten auszieret, als er es ſeiner Weiß-<lb/> heit gemaͤß befindet, Ja da GOtt das<lb/> allervernuͤnfftigſte Weſen iſt, ſo wird ſein<lb/> Vergnuͤgen uͤber die Geſchoͤpffe deſto groͤſ-<lb/> ſer ſeyn, je vollkommener ſelbige ſind, und<lb/> wird alſo alles thun, was zu dieſer Voll-<lb/> kommenheit etwas beytragen kann. <note place="foot" n="(*)">Die Erfahrung zeiget dieſes augenſchein-<lb/> lich. Wie viel hat GOtt nicht gethan um des<lb/> Menſchen willen? Man betrachte nur ſeine<lb/> Hand. Aus wie vielen Knochen, Sehnen, Ge-<lb/> lencken, Adern, fleiſchigten Stuͤcken und Haͤu-<lb/> ten iſt ſelbige nicht zuſammen geſetzt uns zu einer<lb/> beſondern Vollkommenheit? Denn wie viel tau-<lb/> ſenderley Bewegungen koͤnnen wir nicht vermoͤge<lb/> dieſer vielen Theile zu unſern groͤſten Vergnuͤgen<lb/> machen? Was vor mancherley kuͤnſtliche Arbeit<lb/> koͤnnen wir mit denſelben nicht verrichten? Wie<lb/> viel angenehme und ergoͤtzende Tone koͤnnen wir<lb/> nicht mit den Fingern auf Saͤiten und Pfeiffen<lb/> machen? Und wer kañ den unzehligen Gebrauch<lb/> der Glieder an der Hand beſchreiben, welcher von<lb/> ihrer Vollkommenheit ein Zeugniß giebet. Und<lb/> hat GOtt eine ſo groſſe Vollkommenheit in eine<lb/> eintzige Hand geleget, wie wird man nicht in an-<lb/> dern Dingen dieſer Welt die Begierde GOttes<lb/> erblicken, die Creatur vollkommen zu machen?<lb/> Jch uͤbergehe Kuͤrtze halber mit Stillſchweigen,<lb/> was uns die goͤttliche Offenbahrung von dieſer<lb/> Begierde entdecket.</note></p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">(*) Die</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0054]
§. 4.
Wenn wir bey dieſem Vergnuͤgen un-
ſere Gedancken laͤnger aufhalten, und ſel-
biges weiter unterſuchen, ſo finden wir,
daß es in GOtt beſonders darinnen beſte-
he, daß er Dinge, die nur bloß moͤglich
und noch nicht wuͤrcklich, und alſo noch
keiner Vollkommenheiten faͤhig ſind, aus
ihrem Nichts hervor rufft, zur Wuͤrcklich-
keit bringet, und ihnen ſo viel Vollkom-
menheiten mittheilet, als durch weiſe Mit-
tel moͤglich iſt. Es iſt dieſes der Natur
eines guͤtigen und weiſen Weſens gemaͤß,
daß es darinnen ſeine Freude ſuchet, wenn
es andere vollkommen machet. Und da
nun die Dinge dieſer Welt und ihre ſchoͤ-
ne Anordnung ohne GOtt nicht ſeyn koͤn-
nen, jemahls auch nicht geweſen ſind; ſo
muß es ihm ein Vergnuͤgen ſeyn, wenn er
Dingen, die nicht ſind, ihre Wuͤrcklichkeit
giebet, und ſie mit ſo vielen Vollkommen-
heiten auszieret, als er es ſeiner Weiß-
heit gemaͤß befindet, Ja da GOtt das
allervernuͤnfftigſte Weſen iſt, ſo wird ſein
Vergnuͤgen uͤber die Geſchoͤpffe deſto groͤſ-
ſer ſeyn, je vollkommener ſelbige ſind, und
wird alſo alles thun, was zu dieſer Voll-
kommenheit etwas beytragen kann. (*)
(*) Die
(*) Die Erfahrung zeiget dieſes augenſchein-
lich. Wie viel hat GOtt nicht gethan um des
Menſchen willen? Man betrachte nur ſeine
Hand. Aus wie vielen Knochen, Sehnen, Ge-
lencken, Adern, fleiſchigten Stuͤcken und Haͤu-
ten iſt ſelbige nicht zuſammen geſetzt uns zu einer
beſondern Vollkommenheit? Denn wie viel tau-
ſenderley Bewegungen koͤnnen wir nicht vermoͤge
dieſer vielen Theile zu unſern groͤſten Vergnuͤgen
machen? Was vor mancherley kuͤnſtliche Arbeit
koͤnnen wir mit denſelben nicht verrichten? Wie
viel angenehme und ergoͤtzende Tone koͤnnen wir
nicht mit den Fingern auf Saͤiten und Pfeiffen
machen? Und wer kañ den unzehligen Gebrauch
der Glieder an der Hand beſchreiben, welcher von
ihrer Vollkommenheit ein Zeugniß giebet. Und
hat GOtt eine ſo groſſe Vollkommenheit in eine
eintzige Hand geleget, wie wird man nicht in an-
dern Dingen dieſer Welt die Begierde GOttes
erblicken, die Creatur vollkommen zu machen?
Jch uͤbergehe Kuͤrtze halber mit Stillſchweigen,
was uns die goͤttliche Offenbahrung von dieſer
Begierde entdecket.
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