Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.aufschieben, und etwa in der letzten Stun- de sprechen: HErr sey mir Sünder gnädig! Man verlässet sich auf das Exempel des Schächers, welcher sich kurtz vor seinem Tode bekehrte. Luc. Cap. 23. v. 42. 43. Es war selbiger zwar ein Mörder oder Räuber Marc. Cap. 15. v. 27. allein wer weiß ob er diesem Laster schon lange nach- gehangen und in demselben eine star- cke Gewohnheit gehabt? Wer weiß, ob er nicht vorher from gewesen und durch Uebereilung und Verführung zu seinem Fall kommen? Es ist bekant, wie sich David vergangen und ein Mörder wor- den, da er doch sonst GOtt fürchtete. 2. Buch Sam. Cap. 11. Dieses mer- cket man wenigstens aus der Rede des Schächers, daß er eine gute Erkäntniß von dem Meßia und seinem Reiche ge- habt, und kan es gar wol seyn, daß er ein guter Mensch gewesen und etwa in einen Aufruhr oder sonst unter lieder- lich Gesindel gerathen, und mit demsel- ben geraubet, aber bald darauf gefan- gen worden, ehe die Sünde rechte Wur- tzeln bey ihm gefasset. Und da haben die grossen Wunder, welche bey der Creutzigung des Mittlers geschahen, leicht bey ihm Eindruck finden, ihn zum Nach- den-
aufſchieben, und etwa in der letzten Stun- de ſprechen: HErr ſey mir Suͤnder gnaͤdig! Man verlaͤſſet ſich auf das Exempel des Schaͤchers, welcher ſich kurtz vor ſeinem Tode bekehrte. Luc. Cap. 23. v. 42. 43. Es war ſelbiger zwar ein Moͤrder oder Raͤuber Marc. Cap. 15. v. 27. allein wer weiß ob er dieſem Laſter ſchon lange nach- gehangen und in demſelben eine ſtar- cke Gewohnheit gehabt? Wer weiß, ob er nicht vorher from geweſen und durch Uebereilung und Verfuͤhrung zu ſeinem Fall kommen? Es iſt bekant, wie ſich David vergangen und ein Moͤrder wor- den, da er doch ſonſt GOtt fuͤrchtete. 2. Buch Sam. Cap. 11. Dieſes mer- cket man wenigſtens aus der Rede des Schaͤchers, daß er eine gute Erkaͤntniß von dem Meßia und ſeinem Reiche ge- habt, und kan es gar wol ſeyn, daß er ein guter Menſch geweſen und etwa in einen Aufruhr oder ſonſt unter lieder- lich Geſindel gerathen, und mit demſel- ben geraubet, aber bald darauf gefan- gen worden, ehe die Suͤnde rechte Wur- tzeln bey ihm gefaſſet. Und da haben die groſſen Wunder, welche bey der Creutzigung des Mittlers geſchahen, leicht bey ihm Eindruck finden, ihn zum Nach- den-
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aufſchieben, und etwa in der letzten Stun-
de ſprechen: HErr ſey mir Suͤnder
gnaͤdig! Man verlaͤſſet ſich auf das
Exempel des Schaͤchers, welcher ſich
kurtz vor ſeinem Tode bekehrte. Luc.
Cap. 23. v. 42. 43. Es war ſelbiger
zwar ein Moͤrder oder Raͤuber Marc.
Cap. 15. v. 27. allein wer weiß
ob er dieſem Laſter ſchon lange nach-
gehangen und in demſelben eine ſtar-
cke Gewohnheit gehabt? Wer weiß, ob
er nicht vorher from geweſen und durch
Uebereilung und Verfuͤhrung zu ſeinem
Fall kommen? Es iſt bekant, wie ſich
David vergangen und ein Moͤrder wor-
den, da er doch ſonſt GOtt fuͤrchtete. 2.
Buch Sam. Cap. 11. Dieſes mer-
cket man wenigſtens aus der Rede des
Schaͤchers, daß er eine gute Erkaͤntniß
von dem Meßia und ſeinem Reiche ge-
habt, und kan es gar wol ſeyn, daß er
ein guter Menſch geweſen und etwa in
einen Aufruhr oder ſonſt unter lieder-
lich Geſindel gerathen, und mit demſel-
ben geraubet, aber bald darauf gefan-
gen worden, ehe die Suͤnde rechte Wur-
tzeln bey ihm gefaſſet. Und da haben
die groſſen Wunder, welche bey der
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Zitationshilfe: | Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 479[475]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/511>, abgerufen am 16.07.2024. |