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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Matth. Cap. 7. v. 18. Wird man
auch wol einen faulen und unnützen
Baum in einem Augenblick in einen
guten und fruchtbaren Baum verwan-
deln? Wie selten dieses auf dem Kran-
ckenbette geschehe, lehret die Erfahrung
bey denen, welche ihre Gesundheit wie-
der bekommen und zu deren Leben nach
der Kranckheit noch einige Jahre hin-
zugesetzet werden. Hat man viel Exem-
pel, daß nach der Kranckheit ein Zorni-
ger gelinde und gelassen, ein Hochmü-
thiger demüthig, ein Störriger leutsee-
lig, ein Geitziger milde, ein Säuffer
mäßig und ein Zancksüchtiger friedfertig
worden? Gewiß es sind solche Exempel
so rar, daß es auch zum Sprüchwort
worden: Ein Krancker wird nach seiner
Kranckheit ärger. Was ist aber hier-
aus zu schliessen? Dieses, daß die Bus-
se solcher Leute nur in Worten bestan-
den, das Hertz aber nicht geändert wor-
den. Wäre ihre Busse rechtschaffen
gewesen, so müste sie nach der Kranck-
heit ihre Früchte zeigen. (Siehe Luc.
Cap. 3. v. 8.-14. Es. Cap. 58. Matth.
Cap. 7. v. 19.) Man begreiffe hier-
aus, wie wenige sich wahrhaftig be-
kehren, und in den Himmel kommen,
welche ihre Besserung bis an ihr Ende

auf-





Matth. Cap. 7. v. 18. Wird man
auch wol einen faulen und unnuͤtzen
Baum in einem Augenblick in einen
guten und fruchtbaren Baum verwan-
deln? Wie ſelten dieſes auf dem Kran-
ckenbette geſchehe, lehret die Erfahrung
bey denen, welche ihre Geſundheit wie-
der bekommen und zu deren Leben nach
der Kranckheit noch einige Jahre hin-
zugeſetzet werden. Hat man viel Exem-
pel, daß nach der Kranckheit ein Zorni-
ger gelinde und gelaſſen, ein Hochmuͤ-
thiger demuͤthig, ein Stoͤrriger leutſee-
lig, ein Geitziger milde, ein Saͤuffer
maͤßig und ein Zanckſuͤchtiger friedfertig
worden? Gewiß es ſind ſolche Exempel
ſo rar, daß es auch zum Spruͤchwort
worden: Ein Krancker wird nach ſeiner
Kranckheit aͤrger. Was iſt aber hier-
aus zu ſchlieſſen? Dieſes, daß die Buſ-
ſe ſolcher Leute nur in Worten beſtan-
den, das Hertz aber nicht geaͤndert wor-
den. Waͤre ihre Buſſe rechtſchaffen
geweſen, ſo muͤſte ſie nach der Kranck-
heit ihre Fruͤchte zeigen. (Siehe Luc.
Cap. 3. v. 8.-14. Eſ. Cap. 58. Matth.
Cap. 7. v. 19.) Man begreiffe hier-
aus, wie wenige ſich wahrhaftig be-
kehren, und in den Himmel kommen,
welche ihre Beſſerung bis an ihr Ende

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[478[474]/0510] Matth. Cap. 7. v. 18. Wird man auch wol einen faulen und unnuͤtzen Baum in einem Augenblick in einen guten und fruchtbaren Baum verwan- deln? Wie ſelten dieſes auf dem Kran- ckenbette geſchehe, lehret die Erfahrung bey denen, welche ihre Geſundheit wie- der bekommen und zu deren Leben nach der Kranckheit noch einige Jahre hin- zugeſetzet werden. Hat man viel Exem- pel, daß nach der Kranckheit ein Zorni- ger gelinde und gelaſſen, ein Hochmuͤ- thiger demuͤthig, ein Stoͤrriger leutſee- lig, ein Geitziger milde, ein Saͤuffer maͤßig und ein Zanckſuͤchtiger friedfertig worden? Gewiß es ſind ſolche Exempel ſo rar, daß es auch zum Spruͤchwort worden: Ein Krancker wird nach ſeiner Kranckheit aͤrger. Was iſt aber hier- aus zu ſchlieſſen? Dieſes, daß die Buſ- ſe ſolcher Leute nur in Worten beſtan- den, das Hertz aber nicht geaͤndert wor- den. Waͤre ihre Buſſe rechtſchaffen geweſen, ſo muͤſte ſie nach der Kranck- heit ihre Fruͤchte zeigen. (Siehe Luc. Cap. 3. v. 8.-14. Eſ. Cap. 58. Matth. Cap. 7. v. 19.) Man begreiffe hier- aus, wie wenige ſich wahrhaftig be- kehren, und in den Himmel kommen, welche ihre Beſſerung bis an ihr Ende auf-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 478[474]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/510>, abgerufen am 30.11.2024.