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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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hafteste Art vor Augen lege. Die höch-
ste Weißheit konte nicht anders als die-
se Welt zu einem Spiegel der Vollkom-
menheiten einer unendlichen Gottheit ma-
chen. Die Gerechtigkeit muste sich da-
her in derselben auch in einem unendli-
chen Glantze zeigen. Wir als Sünder
wären unglücklich gewesen, wenn sie sich
an uns hätte spiegeln sollen. So aber
rüstet das höchste Wesen selbst einen
Mittler aus, an welchem sie sich auf die
mercklichste Art offenbahret, und welcher
doch dabey im Stande ist, dasjenige im
kurtzen zu leisten, was uns ewig zur be-
schwehrlichsten Last gereichet hätte. Wer
erblickt aber hierinne nicht die zärtlichste
Liebe GOttes gegen die Menschen und
die weiseste Vorsehung für ihre Wol-
fahrt? Johannes schreibet daher mit
Recht 1 Joh. Cap. 4. v. 9. 10. Da-
ran ist erschienen die Liebe GOttes
gegen uns, daß er seinen einge-
bohrnen Sohn gesandt hat in die
Welt, daß wir durch ihn leben sol-
len. Darin stehet die Liebe, nicht,
daß wir GOTT geliebet haben,
sondern daß er uns geliebet hat,
und gesandt seinen Sohn zur Ver-
söhnung für unsere Sünde.
Sol-
te diese Liebe aber bey einer vernünfti-
gen Seele ohne alle Würckung seyn und

nicht





hafteſte Art vor Augen lege. Die hoͤch-
ſte Weißheit konte nicht anders als die-
ſe Welt zu einem Spiegel der Vollkom-
menheiten einer unendlichen Gottheit ma-
chen. Die Gerechtigkeit muſte ſich da-
her in derſelben auch in einem unendli-
chen Glantze zeigen. Wir als Suͤnder
waͤren ungluͤcklich geweſen, wenn ſie ſich
an uns haͤtte ſpiegeln ſollen. So aber
ruͤſtet das hoͤchſte Weſen ſelbſt einen
Mittler aus, an welchem ſie ſich auf die
mercklichſte Art offenbahret, und welcher
doch dabey im Stande iſt, dasjenige im
kurtzen zu leiſten, was uns ewig zur be-
ſchwehrlichſten Laſt gereichet haͤtte. Wer
erblickt aber hierinne nicht die zaͤrtlichſte
Liebe GOttes gegen die Menſchen und
die weiſeſte Vorſehung fuͤr ihre Wol-
fahrt? Johannes ſchreibet daher mit
Recht 1 Joh. Cap. 4. v. 9. 10. Da-
ran iſt erſchienen die Liebe GOttes
gegen uns, daß er ſeinen einge-
bohrnen Sohn geſandt hat in die
Welt, daß wir durch ihn leben ſol-
len. Darin ſtehet die Liebe, nicht,
daß wir GOTT geliebet haben,
ſondern daß er uns geliebet hat,
und geſandt ſeinen Sohn zur Ver-
ſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde.
Sol-
te dieſe Liebe aber bey einer vernuͤnfti-
gen Seele ohne alle Wuͤrckung ſeyn und

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[450[446]/0482] hafteſte Art vor Augen lege. Die hoͤch- ſte Weißheit konte nicht anders als die- ſe Welt zu einem Spiegel der Vollkom- menheiten einer unendlichen Gottheit ma- chen. Die Gerechtigkeit muſte ſich da- her in derſelben auch in einem unendli- chen Glantze zeigen. Wir als Suͤnder waͤren ungluͤcklich geweſen, wenn ſie ſich an uns haͤtte ſpiegeln ſollen. So aber ruͤſtet das hoͤchſte Weſen ſelbſt einen Mittler aus, an welchem ſie ſich auf die mercklichſte Art offenbahret, und welcher doch dabey im Stande iſt, dasjenige im kurtzen zu leiſten, was uns ewig zur be- ſchwehrlichſten Laſt gereichet haͤtte. Wer erblickt aber hierinne nicht die zaͤrtlichſte Liebe GOttes gegen die Menſchen und die weiſeſte Vorſehung fuͤr ihre Wol- fahrt? Johannes ſchreibet daher mit Recht 1 Joh. Cap. 4. v. 9. 10. Da- ran iſt erſchienen die Liebe GOttes gegen uns, daß er ſeinen einge- bohrnen Sohn geſandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben ſol- len. Darin ſtehet die Liebe, nicht, daß wir GOTT geliebet haben, ſondern daß er uns geliebet hat, und geſandt ſeinen Sohn zur Ver- ſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde. Sol- te dieſe Liebe aber bey einer vernuͤnfti- gen Seele ohne alle Wuͤrckung ſeyn und nicht

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 450[446]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/482>, abgerufen am 27.11.2024.