Plan einer Festung richtig urtheilen will, ob sie den Regeln einer vernünftigen Kriegsbaukunst gemäß sey oder nicht, muß selbiger nicht, ausser den allgemei- nen Regeln einer Befestigung, die Lage des Orts, die Arten der Angriffe und Gegenwehren, die Veränderungen, wel- che die Wercke bey dem ersten Anfall leiden, und dergleichen genau inne ha- ben? Wird man denjenigen nicht aus- lachen, der sich unterstehet, von einem solchen Plan ein Urtheil zu fällen, wenn er von den oberwehnten Dingen keinen hinlänglichen Begriff hat? Wie will nun ein Mensch von Wercken GOttes in der Welt und deren Einrichtung ur- theilen können, wenn er ihre weitläufti- ge Verbindung und Folgen nicht ein- siehet? Und eben hieraus wird denn auch unmittelbar folgen, daß unsere Vernunft die Einrichtungen des Schö- pfers, die von einiger Wichtigkeit sind, wol bewundern aber nicht leicht beur- theilen darff. Denn unsere Einsicht reicht nicht einmal zu, gantz offenbahre Folgen, die aus kleinen Einrichtungen, die wir selbst machen, entstehen, zu über- sehen: wie viel weniger werden wir im Stande seyn, Dinge uns deutlich vor- zustellen, deren Folgen sich auf eine ewi- ge Zeit erstrecken, und welche mit einem
gros-
Plan einer Feſtung richtig urtheilen will, ob ſie den Regeln einer vernuͤnftigen Kriegsbaukunſt gemaͤß ſey oder nicht, muß ſelbiger nicht, auſſer den allgemei- nen Regeln einer Befeſtigung, die Lage des Orts, die Arten der Angriffe und Gegenwehren, die Veraͤnderungen, wel- che die Wercke bey dem erſten Anfall leiden, und dergleichen genau inne ha- ben? Wird man denjenigen nicht aus- lachen, der ſich unterſtehet, von einem ſolchen Plan ein Urtheil zu faͤllen, wenn er von den oberwehnten Dingen keinen hinlaͤnglichen Begriff hat? Wie will nun ein Menſch von Wercken GOttes in der Welt und deren Einrichtung ur- theilen koͤnnen, wenn er ihre weitlaͤufti- ge Verbindung und Folgen nicht ein- ſiehet? Und eben hieraus wird denn auch unmittelbar folgen, daß unſere Vernunft die Einrichtungen des Schoͤ- pfers, die von einiger Wichtigkeit ſind, wol bewundern aber nicht leicht beur- theilen darff. Denn unſere Einſicht reicht nicht einmal zu, gantz offenbahre Folgen, die aus kleinen Einrichtungen, die wir ſelbſt machen, entſtehen, zu uͤber- ſehen: wie viel weniger werden wir im Stande ſeyn, Dinge uns deutlich vor- zuſtellen, deren Folgen ſich auf eine ewi- ge Zeit erſtrecken, und welche mit einem
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[388[384]/0420]
Plan einer Feſtung richtig urtheilen will,
ob ſie den Regeln einer vernuͤnftigen
Kriegsbaukunſt gemaͤß ſey oder nicht,
muß ſelbiger nicht, auſſer den allgemei-
nen Regeln einer Befeſtigung, die Lage
des Orts, die Arten der Angriffe und
Gegenwehren, die Veraͤnderungen, wel-
che die Wercke bey dem erſten Anfall
leiden, und dergleichen genau inne ha-
ben? Wird man denjenigen nicht aus-
lachen, der ſich unterſtehet, von einem
ſolchen Plan ein Urtheil zu faͤllen, wenn
er von den oberwehnten Dingen keinen
hinlaͤnglichen Begriff hat? Wie will
nun ein Menſch von Wercken GOttes
in der Welt und deren Einrichtung ur-
theilen koͤnnen, wenn er ihre weitlaͤufti-
ge Verbindung und Folgen nicht ein-
ſiehet? Und eben hieraus wird denn
auch unmittelbar folgen, daß unſere
Vernunft die Einrichtungen des Schoͤ-
pfers, die von einiger Wichtigkeit ſind,
wol bewundern aber nicht leicht beur-
theilen darff. Denn unſere Einſicht
reicht nicht einmal zu, gantz offenbahre
Folgen, die aus kleinen Einrichtungen,
die wir ſelbſt machen, entſtehen, zu uͤber-
ſehen: wie viel weniger werden wir im
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 388[384]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/420>, abgerufen am 24.11.2024.
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