Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.diese Vergleichung absehen könne, welche besser und den andern vorzuziehen sey? Wir sind gar fertig zu sagen: Dieses ist wider die Güte, jenes wider die Weisheit GOttes, und die Weisheit muß sich oft von ihren Kindern meistern lassen: allein können wir auch absehen, aus welcher Einrichtung das mehreste Gute in dieser Welt erfolgen würde? Reicht unser Verstand zu, Folgen von mehr als tausend Jahren, ja von einer unermeßlichen Ewigkeit zu übersehen? Sind wir im Stande die mancherley Verbindung vieler Millionen Dinge zu begreiffen, und zu sagen wo die netteste Ordnung anzutreffen? Ueberschreitet die- ses aber die Grentzen unserer schwachen Vernunft, so können wir auch von Din- gen, die weit aussehende Folgen haben und in einen grossen Theil der Welt ver- wickelt sind, nach der blossen Vernunft nicht wol urtheilen, ob selbige den Voll- kommenheiten GOttes gemäß oder nicht. Dörffen wir uns nun wol unterstehen von dem wichtigen Werck der Genug- thuung JEsu Christi nach der blossen Vernunft zu sagen, selbiges streite mit den Vollkommenheiten des höchsten We- sens? Haben wir nicht die gröste Ursach unserer Vernunft ein ehrerbietiges Still- schweigen aufzulegen und bloß die Of- fenbah-
dieſe Vergleichung abſehen koͤnne, welche beſſer und den andern vorzuziehen ſey? Wir ſind gar fertig zu ſagen: Dieſes iſt wider die Guͤte, jenes wider die Weisheit GOttes, und die Weisheit muß ſich oft von ihren Kindern meiſtern laſſen: allein koͤnnen wir auch abſehen, aus welcher Einrichtung das mehreſte Gute in dieſer Welt erfolgen wuͤrde? Reicht unſer Verſtand zu, Folgen von mehr als tauſend Jahren, ja von einer unermeßlichen Ewigkeit zu uͤberſehen? Sind wir im Stande die mancherley Verbindung vieler Millionen Dinge zu begreiffen, und zu ſagen wo die netteſte Ordnung anzutreffen? Ueberſchreitet die- ſes aber die Grentzen unſerer ſchwachen Vernunft, ſo koͤnnen wir auch von Din- gen, die weit ausſehende Folgen haben und in einen groſſen Theil der Welt ver- wickelt ſind, nach der bloſſen Vernunft nicht wol urtheilen, ob ſelbige den Voll- kommenheiten GOttes gemaͤß oder nicht. Doͤrffen wir uns nun wol unterſtehen von dem wichtigen Werck der Genug- thuung JEſu Chriſti nach der bloſſen Vernunft zu ſagen, ſelbiges ſtreite mit den Vollkommenheiten des hoͤchſten We- ſens? Haben wir nicht die groͤſte Urſach unſerer Vernunft ein ehrerbietiges Still- ſchweigen aufzulegen und bloß die Of- fenbah-
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dieſe Vergleichung abſehen koͤnne, welche
beſſer und den andern vorzuziehen ſey?
Wir ſind gar fertig zu ſagen: Dieſes
iſt wider die Guͤte, jenes wider die
Weisheit GOttes, und die Weisheit
muß ſich oft von ihren Kindern meiſtern
laſſen: allein koͤnnen wir auch abſehen,
aus welcher Einrichtung das mehreſte
Gute in dieſer Welt erfolgen wuͤrde?
Reicht unſer Verſtand zu, Folgen von
mehr als tauſend Jahren, ja von einer
unermeßlichen Ewigkeit zu uͤberſehen?
Sind wir im Stande die mancherley
Verbindung vieler Millionen Dinge zu
begreiffen, und zu ſagen wo die netteſte
Ordnung anzutreffen? Ueberſchreitet die-
ſes aber die Grentzen unſerer ſchwachen
Vernunft, ſo koͤnnen wir auch von Din-
gen, die weit ausſehende Folgen haben
und in einen groſſen Theil der Welt ver-
wickelt ſind, nach der bloſſen Vernunft
nicht wol urtheilen, ob ſelbige den Voll-
kommenheiten GOttes gemaͤß oder nicht.
Doͤrffen wir uns nun wol unterſtehen
von dem wichtigen Werck der Genug-
thuung JEſu Chriſti nach der bloſſen
Vernunft zu ſagen, ſelbiges ſtreite mit
den Vollkommenheiten des hoͤchſten We-
ſens? Haben wir nicht die groͤſte Urſach
unſerer Vernunft ein ehrerbietiges Still-
ſchweigen aufzulegen und bloß die Of-
fenbah-
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