Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





ben angenommen wird: der Schöpfer
schencke den Creaturen so viel Vollkom-
menheiten, und suche ihre Glückseeligkeit
so hoch zu treiben, als nur durch weise
Mittel möglich ist. Es vergnüget uns
dahero auch bey dieser Meinung ein zu-
verläßiges Vertrauen zu dieser unendli-
chen Güte, indem wir glauben, daß die-
jenigen Vorzüge, welche uns die höchste
Vorsicht nicht mittheilet, keine wahre
Vorzüge sind, sondern nur Nullen, wel-
che sich eine träumende Einbildung als
wahre Zahlen vorstellet. Solte man
aber indessen triftige Gründe finden, wel-
che unsere angegebene Muthmassung völ-
lig umstoßten, und im Gegentheil bewie-
sen: es hätten die freyen Geschöpfe
gar wol überhaupt durch die All-
macht in bessere Umstände können
gesetzt werden; GOtt hätte dieses
aber nicht gewolt, und seine Nei-
gung gienge auch noch nicht dahin;

so unterrichte man mich gütigst, wie man
sich dabey von der Unendlichkeit der Güte
des Schöpfers überführen könne? Die
gröste Gütigkeit, so man gedencken kan,
ist eine Geneigtheit andern so viel Gutes zu
erzeigen, als nur durch weise Mittel mög-
lich ist. Soll also die Güte GOttes un-
endlich und die allerhöchste seyn; so muß
man ihm eben eine solche Geneigtheit zu-

eignen.





ben angenommen wird: der Schoͤpfer
ſchencke den Creaturen ſo viel Vollkom-
menheiten, und ſuche ihre Gluͤckſeeligkeit
ſo hoch zu treiben, als nur durch weiſe
Mittel moͤglich iſt. Es vergnuͤget uns
dahero auch bey dieſer Meinung ein zu-
verlaͤßiges Vertrauen zu dieſer unendli-
chen Guͤte, indem wir glauben, daß die-
jenigen Vorzuͤge, welche uns die hoͤchſte
Vorſicht nicht mittheilet, keine wahre
Vorzuͤge ſind, ſondern nur Nullen, wel-
che ſich eine traͤumende Einbildung als
wahre Zahlen vorſtellet. Solte man
aber indeſſen triftige Gruͤnde finden, wel-
che unſere angegebene Muthmaſſung voͤl-
lig umſtoßten, und im Gegentheil bewie-
ſen: es haͤtten die freyen Geſchoͤpfe
gar wol uͤberhaupt durch die All-
macht in beſſere Umſtaͤnde koͤnnen
geſetzt werden; GOtt haͤtte dieſes
aber nicht gewolt, und ſeine Nei-
gung gienge auch noch nicht dahin;

ſo unterrichte man mich guͤtigſt, wie man
ſich dabey von der Unendlichkeit der Guͤte
des Schoͤpfers uͤberfuͤhren koͤnne? Die
groͤſte Guͤtigkeit, ſo man gedencken kan,
iſt eine Geneigtheit andern ſo viel Gutes zu
erzeigen, als nur durch weiſe Mittel moͤg-
lich iſt. Soll alſo die Guͤte GOttes un-
endlich und die allerhoͤchſte ſeyn; ſo muß
man ihm eben eine ſolche Geneigtheit zu-

eignen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0350" n="318[314]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ben angenommen wird: der Scho&#x0364;pfer<lb/>
&#x017F;chencke den Creaturen &#x017F;o viel Vollkom-<lb/>
menheiten, und &#x017F;uche ihre Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit<lb/>
&#x017F;o hoch zu treiben, als nur durch wei&#x017F;e<lb/>
Mittel mo&#x0364;glich i&#x017F;t. Es vergnu&#x0364;get uns<lb/>
dahero auch bey die&#x017F;er Meinung ein zu-<lb/>
verla&#x0364;ßiges Vertrauen zu die&#x017F;er unendli-<lb/>
chen Gu&#x0364;te, indem wir glauben, daß die-<lb/>
jenigen Vorzu&#x0364;ge, welche uns die ho&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Vor&#x017F;icht nicht mittheilet, keine wahre<lb/>
Vorzu&#x0364;ge &#x017F;ind, &#x017F;ondern nur Nullen, wel-<lb/>
che &#x017F;ich eine tra&#x0364;umende Einbildung als<lb/>
wahre Zahlen vor&#x017F;tellet. Solte man<lb/>
aber inde&#x017F;&#x017F;en triftige Gru&#x0364;nde finden, wel-<lb/>
che un&#x017F;ere angegebene Muthma&#x017F;&#x017F;ung vo&#x0364;l-<lb/>
lig um&#x017F;toßten, und im Gegentheil bewie-<lb/>
&#x017F;en: <hi rendition="#fr">es ha&#x0364;tten die freyen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/>
gar wol u&#x0364;berhaupt durch die All-<lb/>
macht in be&#x017F;&#x017F;ere Um&#x017F;ta&#x0364;nde ko&#x0364;nnen<lb/>
ge&#x017F;etzt werden; GOtt ha&#x0364;tte die&#x017F;es<lb/>
aber nicht gewolt, und &#x017F;eine Nei-<lb/>
gung gienge auch noch nicht dahin;</hi><lb/>
&#x017F;o unterrichte man mich gu&#x0364;tig&#x017F;t, wie man<lb/>
&#x017F;ich dabey von der Unendlichkeit der Gu&#x0364;te<lb/>
des Scho&#x0364;pfers u&#x0364;berfu&#x0364;hren ko&#x0364;nne? Die<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te Gu&#x0364;tigkeit, &#x017F;o man gedencken kan,<lb/>
i&#x017F;t eine Geneigtheit andern &#x017F;o viel Gutes zu<lb/>
erzeigen, als nur durch wei&#x017F;e Mittel mo&#x0364;g-<lb/>
lich i&#x017F;t. Soll al&#x017F;o die Gu&#x0364;te GOttes un-<lb/>
endlich und die allerho&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;eyn; &#x017F;o muß<lb/>
man ihm eben eine &#x017F;olche Geneigtheit zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eignen.</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318[314]/0350] ben angenommen wird: der Schoͤpfer ſchencke den Creaturen ſo viel Vollkom- menheiten, und ſuche ihre Gluͤckſeeligkeit ſo hoch zu treiben, als nur durch weiſe Mittel moͤglich iſt. Es vergnuͤget uns dahero auch bey dieſer Meinung ein zu- verlaͤßiges Vertrauen zu dieſer unendli- chen Guͤte, indem wir glauben, daß die- jenigen Vorzuͤge, welche uns die hoͤchſte Vorſicht nicht mittheilet, keine wahre Vorzuͤge ſind, ſondern nur Nullen, wel- che ſich eine traͤumende Einbildung als wahre Zahlen vorſtellet. Solte man aber indeſſen triftige Gruͤnde finden, wel- che unſere angegebene Muthmaſſung voͤl- lig umſtoßten, und im Gegentheil bewie- ſen: es haͤtten die freyen Geſchoͤpfe gar wol uͤberhaupt durch die All- macht in beſſere Umſtaͤnde koͤnnen geſetzt werden; GOtt haͤtte dieſes aber nicht gewolt, und ſeine Nei- gung gienge auch noch nicht dahin; ſo unterrichte man mich guͤtigſt, wie man ſich dabey von der Unendlichkeit der Guͤte des Schoͤpfers uͤberfuͤhren koͤnne? Die groͤſte Guͤtigkeit, ſo man gedencken kan, iſt eine Geneigtheit andern ſo viel Gutes zu erzeigen, als nur durch weiſe Mittel moͤg- lich iſt. Soll alſo die Guͤte GOttes un- endlich und die allerhoͤchſte ſeyn; ſo muß man ihm eben eine ſolche Geneigtheit zu- eignen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/350
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 318[314]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/350>, abgerufen am 25.11.2024.