Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





Man stelle sich vor einen Podagri-
sten, welcher eine starcke Neigung zu schar-
fen Essen und hitzigen Geträncke hat.
Man nehme an, er würde so einge-
schränckt, daß er niemals von diesen
Speisen und Getränck, welche seine
Schmertzen vermehrten, das geringste be-
kommen könte. Würde ihm diese Ein-
schränckung nicht mehr Betrübniß verur-
sachen, als die Schmertzen des Podagra
mit der abwechselnden Sättigung seiner
unvernünftigen Begierden? Würde ihm
der Durst nach Weine nicht empfindlicher
seyn und der Hunger nach scharfen Spei-
sen mehr quälen, als das Podagra selbst?
Wer sich in der Welt ein wenig umsiehet,
wird den Beweiß von dem, was ich ge-
sagt habe, gar bald finden. Man hat
junge Leute, welche sich dem schändlichen
Laster der Hurerey ergeben, und sich da-
durch sehr schmertzliche und eckelhafte
Kranckheiten zuziehen, auch noch wol von
der Obrigkeit scharf gestraft werden. Es
folget keine Besserung bey ihnen. Man
giebt ihnen solche Aufsicht, daß sie zu kei-
ner liederlichen Metze kommen können und
ihr Leib von den Schmertzen der Huren-
Kranckheiten verwahret bleibet. Man
solte meinen: es würde solchen Leuten da-
durch allezeit ein grösser Vergnügen und
eine höhere Glückseeligkeit geschaffet wer-

den,





Man ſtelle ſich vor einen Podagri-
ſten, welcher eine ſtarcke Neigung zu ſchar-
fen Eſſen und hitzigen Getraͤncke hat.
Man nehme an, er wuͤrde ſo einge-
ſchraͤnckt, daß er niemals von dieſen
Speiſen und Getraͤnck, welche ſeine
Schmertzen vermehrten, das geringſte be-
kommen koͤnte. Wuͤrde ihm dieſe Ein-
ſchraͤnckung nicht mehr Betruͤbniß verur-
ſachen, als die Schmertzen des Podagra
mit der abwechſelnden Saͤttigung ſeiner
unvernuͤnftigen Begierden? Wuͤrde ihm
der Durſt nach Weine nicht empfindlicher
ſeyn und der Hunger nach ſcharfen Spei-
ſen mehr quaͤlen, als das Podagra ſelbſt?
Wer ſich in der Welt ein wenig umſiehet,
wird den Beweiß von dem, was ich ge-
ſagt habe, gar bald finden. Man hat
junge Leute, welche ſich dem ſchaͤndlichen
Laſter der Hurerey ergeben, und ſich da-
durch ſehr ſchmertzliche und eckelhafte
Kranckheiten zuziehen, auch noch wol von
der Obrigkeit ſcharf geſtraft werden. Es
folget keine Beſſerung bey ihnen. Man
giebt ihnen ſolche Aufſicht, daß ſie zu kei-
ner liederlichen Metze kommen koͤnnen und
ihr Leib von den Schmertzen der Huren-
Kranckheiten verwahret bleibet. Man
ſolte meinen: es wuͤrde ſolchen Leuten da-
durch allezeit ein groͤſſer Vergnuͤgen und
eine hoͤhere Gluͤckſeeligkeit geſchaffet wer-

den,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0330" n="298[294]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Man &#x017F;telle &#x017F;ich vor einen Podagri-<lb/>
&#x017F;ten, welcher eine &#x017F;tarcke Neigung zu &#x017F;char-<lb/>
fen E&#x017F;&#x017F;en und hitzigen Getra&#x0364;ncke hat.<lb/>
Man nehme an, er wu&#x0364;rde &#x017F;o einge-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nckt, daß er niemals von die&#x017F;en<lb/>
Spei&#x017F;en und Getra&#x0364;nck, welche &#x017F;eine<lb/>
Schmertzen vermehrten, das gering&#x017F;te be-<lb/>
kommen ko&#x0364;nte. Wu&#x0364;rde ihm die&#x017F;e Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nckung nicht mehr Betru&#x0364;bniß verur-<lb/>
&#x017F;achen, als die Schmertzen des Podagra<lb/>
mit der abwech&#x017F;elnden Sa&#x0364;ttigung &#x017F;einer<lb/>
unvernu&#x0364;nftigen Begierden? Wu&#x0364;rde ihm<lb/>
der Dur&#x017F;t nach Weine nicht empfindlicher<lb/>
&#x017F;eyn und der Hunger nach &#x017F;charfen Spei-<lb/>
&#x017F;en mehr qua&#x0364;len, als das Podagra &#x017F;elb&#x017F;t?<lb/>
Wer &#x017F;ich in der Welt ein wenig um&#x017F;iehet,<lb/>
wird den Beweiß von dem, was ich ge-<lb/>
&#x017F;agt habe, gar bald finden. Man hat<lb/>
junge Leute, welche &#x017F;ich dem &#x017F;cha&#x0364;ndlichen<lb/>
La&#x017F;ter der Hurerey ergeben, und &#x017F;ich da-<lb/>
durch &#x017F;ehr &#x017F;chmertzliche und eckelhafte<lb/>
Kranckheiten zuziehen, auch noch wol von<lb/>
der Obrigkeit &#x017F;charf ge&#x017F;traft werden. Es<lb/>
folget keine Be&#x017F;&#x017F;erung bey ihnen. Man<lb/>
giebt ihnen &#x017F;olche Auf&#x017F;icht, daß &#x017F;ie zu kei-<lb/>
ner liederlichen Metze kommen ko&#x0364;nnen und<lb/>
ihr Leib von den Schmertzen der Huren-<lb/>
Kranckheiten verwahret bleibet. Man<lb/>
&#x017F;olte meinen: es wu&#x0364;rde &#x017F;olchen Leuten da-<lb/>
durch allezeit ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Vergnu&#x0364;gen und<lb/>
eine ho&#x0364;here Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit ge&#x017F;chaffet wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298[294]/0330] Man ſtelle ſich vor einen Podagri- ſten, welcher eine ſtarcke Neigung zu ſchar- fen Eſſen und hitzigen Getraͤncke hat. Man nehme an, er wuͤrde ſo einge- ſchraͤnckt, daß er niemals von dieſen Speiſen und Getraͤnck, welche ſeine Schmertzen vermehrten, das geringſte be- kommen koͤnte. Wuͤrde ihm dieſe Ein- ſchraͤnckung nicht mehr Betruͤbniß verur- ſachen, als die Schmertzen des Podagra mit der abwechſelnden Saͤttigung ſeiner unvernuͤnftigen Begierden? Wuͤrde ihm der Durſt nach Weine nicht empfindlicher ſeyn und der Hunger nach ſcharfen Spei- ſen mehr quaͤlen, als das Podagra ſelbſt? Wer ſich in der Welt ein wenig umſiehet, wird den Beweiß von dem, was ich ge- ſagt habe, gar bald finden. Man hat junge Leute, welche ſich dem ſchaͤndlichen Laſter der Hurerey ergeben, und ſich da- durch ſehr ſchmertzliche und eckelhafte Kranckheiten zuziehen, auch noch wol von der Obrigkeit ſcharf geſtraft werden. Es folget keine Beſſerung bey ihnen. Man giebt ihnen ſolche Aufſicht, daß ſie zu kei- ner liederlichen Metze kommen koͤnnen und ihr Leib von den Schmertzen der Huren- Kranckheiten verwahret bleibet. Man ſolte meinen: es wuͤrde ſolchen Leuten da- durch allezeit ein groͤſſer Vergnuͤgen und eine hoͤhere Gluͤckſeeligkeit geſchaffet wer- den,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/330
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 298[294]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/330>, abgerufen am 24.11.2024.