Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.eine Meynung (hypothesin) zu wissen, nach welcher ich die Fortpflantzung bö- ser Begierden von den Eltern auf die Kinder eben so füglich erklären könte, als wenn man annimmt, daß die See- len der Kinder gleichsam junge Schöß- linge von den Seelen der Eltern sind, und deswegen eine gewisse Unart an sich haben, weil sie aus einem wilden Stamme hervor kommen und also des- sen verderbte Natur erben. Dieses Verlangen brachte mich auf folgende Muthmassung, welche dem geneigten Leser zur gütigsten Beurtheilung hiermit überreiche. Es ist aber hierbey meine Absicht gar nicht, dasjenige natürliche Verderben, welches wir die Erb-Sün- de nennen, und dessen Fortpflantzung gäntzlich zu erklären: Denn dieses er- fordert eine weit höhere Einsicht, als ich mir selbst zueigne, ich suche durch meine Muthmassung weiter nichts zu zeigen, als wie ein blosser Philosoph die Mög- lichkeit fortgeerbter Begierden sich vor- stellen könne. Jch schreibe auch dieser Meynung keine grössere Gewißheit zu, als die Muthmassungen für sich haben, wodurch man die mit einander überein- stimmende Würckungen des Leibes und der Seele erkläret. Vielweniger un- terstehe ich mich zu behaupten und für ge-
eine Meynung (hypotheſin) zu wiſſen, nach welcher ich die Fortpflantzung boͤ- ſer Begierden von den Eltern auf die Kinder eben ſo fuͤglich erklaͤren koͤnte, als wenn man annimmt, daß die See- len der Kinder gleichſam junge Schoͤß- linge von den Seelen der Eltern ſind, und deswegen eine gewiſſe Unart an ſich haben, weil ſie aus einem wilden Stamme hervor kommen und alſo deſ- ſen verderbte Natur erben. Dieſes Verlangen brachte mich auf folgende Muthmaſſung, welche dem geneigten Leſer zur guͤtigſten Beurtheilung hiermit uͤberreiche. Es iſt aber hierbey meine Abſicht gar nicht, dasjenige natuͤrliche Verderben, welches wir die Erb-Suͤn- de nennen, und deſſen Fortpflantzung gaͤntzlich zu erklaͤren: Denn dieſes er- fordert eine weit hoͤhere Einſicht, als ich mir ſelbſt zueigne, ich ſuche durch meine Muthmaſſung weiter nichts zu zeigen, als wie ein bloſſer Philoſoph die Moͤg- lichkeit fortgeerbter Begierden ſich vor- ſtellen koͤnne. Jch ſchreibe auch dieſer Meynung keine groͤſſere Gewißheit zu, als die Muthmaſſungen fuͤr ſich haben, wodurch man die mit einander uͤberein- ſtimmende Wuͤrckungen des Leibes und der Seele erklaͤret. Vielweniger un- terſtehe ich mich zu behaupten und fuͤr ge-
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eine Meynung (hypotheſin) zu wiſſen,
nach welcher ich die Fortpflantzung boͤ-
ſer Begierden von den Eltern auf die
Kinder eben ſo fuͤglich erklaͤren koͤnte,
als wenn man annimmt, daß die See-
len der Kinder gleichſam junge Schoͤß-
linge von den Seelen der Eltern ſind,
und deswegen eine gewiſſe Unart an
ſich haben, weil ſie aus einem wilden
Stamme hervor kommen und alſo deſ-
ſen verderbte Natur erben. Dieſes
Verlangen brachte mich auf folgende
Muthmaſſung, welche dem geneigten
Leſer zur guͤtigſten Beurtheilung hiermit
uͤberreiche. Es iſt aber hierbey meine
Abſicht gar nicht, dasjenige natuͤrliche
Verderben, welches wir die Erb-Suͤn-
de nennen, und deſſen Fortpflantzung
gaͤntzlich zu erklaͤren: Denn dieſes er-
fordert eine weit hoͤhere Einſicht, als ich
mir ſelbſt zueigne, ich ſuche durch meine
Muthmaſſung weiter nichts zu zeigen,
als wie ein bloſſer Philoſoph die Moͤg-
lichkeit fortgeerbter Begierden ſich vor-
ſtellen koͤnne. Jch ſchreibe auch dieſer
Meynung keine groͤſſere Gewißheit zu,
als die Muthmaſſungen fuͤr ſich haben,
wodurch man die mit einander uͤberein-
ſtimmende Wuͤrckungen des Leibes und
der Seele erklaͤret. Vielweniger un-
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