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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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tes und Böses selbst beygebracht, und ihm
die heilsamsten Gesetze gegeben haben.
Da aber wegen der Schrancken des Men-
schen auch nöthig war, daß er daran öff-
ters erinnert wurde, so kan man fragen,
wodurch dieses wol möge geschehen seyn?
Daß GOtt darzu kein geschriebenes Ge-
setz-Buch gebraucht, ist daraus klar, weil
man die Buchstaben erst nach der Sünd-
fluth erfunden, welche man sonsten gleich
vom Anfange müste gehabt haben. Es
muß sich also GOTT wol eines andern
Mittels darzu bedienet haben. Jch bin
auf die Gedancken kommen, daß der ver-
bothene Baum zu gleicher Zeit der Denck-
Zettel der göttlichen Gesetze gewesen, und
aus dieser Ursache der Baum des Erkännt-
nisses Gutes und Böses genennet worden.
Denn es scheinet mir dieser Nahme nichts
anders zu sagen, als daß es ein Baum
sey, welcher anzeigen und dem Menschen
zu Gemüthe führen soll, was gut oder bö-
se sey. Jch bin in dieser Muthmassung
gestärcket worden, da ich mich erinnert,
daß man nicht nur jetzt, sondern auch vor
gantz alten Zeiten mit grossem Eindruck an
Thieren und Bäumen gelernet, was gut

oder





tes und Boͤſes ſelbſt beygebracht, und ihm
die heilſamſten Geſetze gegeben haben.
Da aber wegen der Schrancken des Men-
ſchen auch noͤthig war, daß er daran oͤff-
ters erinnert wurde, ſo kan man fragen,
wodurch dieſes wol moͤge geſchehen ſeyn?
Daß GOtt darzu kein geſchriebenes Ge-
ſetz-Buch gebraucht, iſt daraus klar, weil
man die Buchſtaben erſt nach der Suͤnd-
fluth erfunden, welche man ſonſten gleich
vom Anfange muͤſte gehabt haben. Es
muß ſich alſo GOTT wol eines andern
Mittels darzu bedienet haben. Jch bin
auf die Gedancken kommen, daß der ver-
bothene Baum zu gleicher Zeit der Denck-
Zettel der goͤttlichen Geſetze geweſen, und
aus dieſer Urſache der Baum des Erkaͤnnt-
niſſes Gutes und Boͤſes genennet worden.
Denn es ſcheinet mir dieſer Nahme nichts
anders zu ſagen, als daß es ein Baum
ſey, welcher anzeigen und dem Menſchen
zu Gemuͤthe fuͤhren ſoll, was gut oder boͤ-
ſe ſey. Jch bin in dieſer Muthmaſſung
geſtaͤrcket worden, da ich mich erinnert,
daß man nicht nur jetzt, ſondern auch vor
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[234[230]/0266] tes und Boͤſes ſelbſt beygebracht, und ihm die heilſamſten Geſetze gegeben haben. Da aber wegen der Schrancken des Men- ſchen auch noͤthig war, daß er daran oͤff- ters erinnert wurde, ſo kan man fragen, wodurch dieſes wol moͤge geſchehen ſeyn? Daß GOtt darzu kein geſchriebenes Ge- ſetz-Buch gebraucht, iſt daraus klar, weil man die Buchſtaben erſt nach der Suͤnd- fluth erfunden, welche man ſonſten gleich vom Anfange muͤſte gehabt haben. Es muß ſich alſo GOTT wol eines andern Mittels darzu bedienet haben. Jch bin auf die Gedancken kommen, daß der ver- bothene Baum zu gleicher Zeit der Denck- Zettel der goͤttlichen Geſetze geweſen, und aus dieſer Urſache der Baum des Erkaͤnnt- niſſes Gutes und Boͤſes genennet worden. Denn es ſcheinet mir dieſer Nahme nichts anders zu ſagen, als daß es ein Baum ſey, welcher anzeigen und dem Menſchen zu Gemuͤthe fuͤhren ſoll, was gut oder boͤ- ſe ſey. Jch bin in dieſer Muthmaſſung geſtaͤrcket worden, da ich mich erinnert, daß man nicht nur jetzt, ſondern auch vor gantz alten Zeiten mit groſſem Eindruck an Thieren und Baͤumen gelernet, was gut oder

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 234[230]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/266>, abgerufen am 25.11.2024.