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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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spitzigen Finger, welche die Nase mit To-
back kitzeln, hierinne eines Jrthums über-
führen; so wird doch dieses gewiß seyn,
daß der Grad des Vergnügens, das uns
Gesicht und Gehör geben, die Belustigung
der übrigen Sinne bey weiten übersteige.
Es wird sich hiervon ein jeder leicht über-
führen, wer da erwegt, ob er nicht lieber
Geschmack, Geruch und Gefühl verlieren
würde als Gesicht und Gehör? Kommen
wir endlich auf die Eibildungs, Krafft,
das Gedächtniß und die Vernunfft, so ist
gewiß keiner von den fünf Sinnen, welcher
diesen mehr dienet als Gesicht und Gehör.
Das Gesicht macht in unserm Gemüth
die allerkläresten Abdrucke und Bilder von
den Dingen die ausser uns sind, kein Ge-
schmack, kein Geruch und kein Gefühl stelt
uns die Cörper und ihre Eigenschafften
deutlicher vor als das Gesicht. Das
Gehör macht uns anderer Gedancken be-
kannt und ihrer Einsicht theilhaftig. Es
bekomt also die Vernunfft durch keine an-
dere Sinne häuffigere Vorwürffe zu be-
urtheilen und Schlüsse daraus herzuleiten
als durch die Augen und die Ohren. Auch
die Einbildungs-Krafft und das Gedächt-
niß ist mit keinen Dingen mehr beschäffti-

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ſpitzigen Finger, welche die Naſe mit To-
back kitzeln, hierinne eines Jrthums uͤber-
fuͤhren; ſo wird doch dieſes gewiß ſeyn,
daß der Grad des Vergnuͤgens, das uns
Geſicht und Gehoͤr geben, die Beluſtigung
der uͤbrigen Sinne bey weiten uͤberſteige.
Es wird ſich hiervon ein jeder leicht uͤber-
fuͤhren, wer da erwegt, ob er nicht lieber
Geſchmack, Geruch und Gefuͤhl verlieren
wuͤrde als Geſicht und Gehoͤr? Kommen
wir endlich auf die Eibildungs, Krafft,
das Gedaͤchtniß und die Vernunfft, ſo iſt
gewiß keiner von den fuͤnf Sinnen, welcher
dieſen mehr dienet als Geſicht und Gehoͤr.
Das Geſicht macht in unſerm Gemuͤth
die allerklaͤreſten Abdrucke und Bilder von
den Dingen die auſſer uns ſind, kein Ge-
ſchmack, kein Geruch und kein Gefuͤhl ſtelt
uns die Coͤrper und ihre Eigenſchafften
deutlicher vor als das Geſicht. Das
Gehoͤr macht uns anderer Gedancken be-
kannt und ihrer Einſicht theilhaftig. Es
bekomt alſo die Vernunfft durch keine an-
dere Sinne haͤuffigere Vorwuͤrffe zu be-
urtheilen und Schluͤſſe daraus herzuleiten
als durch die Augen und die Ohren. Auch
die Einbildungs-Krafft und das Gedaͤcht-
niß iſt mit keinen Dingen mehr beſchaͤffti-

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[153[149]/0185] ſpitzigen Finger, welche die Naſe mit To- back kitzeln, hierinne eines Jrthums uͤber- fuͤhren; ſo wird doch dieſes gewiß ſeyn, daß der Grad des Vergnuͤgens, das uns Geſicht und Gehoͤr geben, die Beluſtigung der uͤbrigen Sinne bey weiten uͤberſteige. Es wird ſich hiervon ein jeder leicht uͤber- fuͤhren, wer da erwegt, ob er nicht lieber Geſchmack, Geruch und Gefuͤhl verlieren wuͤrde als Geſicht und Gehoͤr? Kommen wir endlich auf die Eibildungs, Krafft, das Gedaͤchtniß und die Vernunfft, ſo iſt gewiß keiner von den fuͤnf Sinnen, welcher dieſen mehr dienet als Geſicht und Gehoͤr. Das Geſicht macht in unſerm Gemuͤth die allerklaͤreſten Abdrucke und Bilder von den Dingen die auſſer uns ſind, kein Ge- ſchmack, kein Geruch und kein Gefuͤhl ſtelt uns die Coͤrper und ihre Eigenſchafften deutlicher vor als das Geſicht. Das Gehoͤr macht uns anderer Gedancken be- kannt und ihrer Einſicht theilhaftig. Es bekomt alſo die Vernunfft durch keine an- dere Sinne haͤuffigere Vorwuͤrffe zu be- urtheilen und Schluͤſſe daraus herzuleiten als durch die Augen und die Ohren. Auch die Einbildungs-Krafft und das Gedaͤcht- niß iſt mit keinen Dingen mehr beſchaͤffti- get, K 5

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 153[149]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/185>, abgerufen am 24.11.2024.