Nachdem wir nun den Ursprung undWelche Vermö- gen der Seele uns zu den meh- resten Vergnü- gen füh- ren. die Beschaffenheit des Vergnügens und Mißvergnügens in etwas betrachtet, so wol- len wir nunmehro sehen, welche von er- wehnten Vermögen der Seele uns zu dem mehresten Vergnügen Anlaß geben. Die erste Gelegenheit zu allen Vergnü- gen geben wol die Sinne. Es wird sel- biges aber nachgehends erhöhet und ver- mehret durch die Krafft zu überlegen, durch die Einbildungs-Krafft, das Gedächtniß, und durch das Vermögen zu urtheilen und zu schliessen. Jch will derowegen haupt- sächlich bey den Sinnen stehen bleiben, und untersuchen, welche uns zu den mehresten und grössesten Vergnügen Anlaß geben. Der innere Sinn vergnüget uns ohne al- len Zweiffel mit auf das empfindlichste, indem er uns überführt, daß wir sind. Wie angenehm uns dieses sey, können wir daraus abnehmen, weil wir, wenn uns anders keine Verzweiffelung unsinnig macht, lieber alles verlieren als unser seyn. Unter den fünf äusserlichen Sinnen führen
uns
genehm, jenes aber zuwider, weil es meine Na- tur so mit sich bringet.
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§. 22.
Nachdem wir nun den Urſprung undWelche Vermoͤ- gen der Seele uns zu den meh- reſten Vergnuͤ- gen fuͤh- ren. die Beſchaffenheit des Vergnuͤgens und Mißvergnuͤgens in etwas betrachtet, ſo wol- len wir nunmehro ſehen, welche von er- wehnten Vermoͤgen der Seele uns zu dem mehreſten Vergnuͤgen Anlaß geben. Die erſte Gelegenheit zu allen Vergnuͤ- gen geben wol die Sinne. Es wird ſel- biges aber nachgehends erhoͤhet und ver- mehret durch die Krafft zu uͤberlegen, durch die Einbildungs-Krafft, das Gedaͤchtniß, und durch das Vermoͤgen zu urtheilen und zu ſchlieſſen. Jch will derowegen haupt- ſaͤchlich bey den Sinnen ſtehen bleiben, und unterſuchen, welche uns zu den mehreſten und groͤſſeſten Vergnuͤgen Anlaß geben. Der innere Sinn vergnuͤget uns ohne al- len Zweiffel mit auf das empfindlichſte, indem er uns uͤberfuͤhrt, daß wir ſind. Wie angenehm uns dieſes ſey, koͤnnen wir daraus abnehmen, weil wir, wenn uns anders keine Verzweiffelung unſinnig macht, lieber alles verlieren als unſer ſeyn. Unter den fuͤnf aͤuſſerlichen Sinnen fuͤhren
uns
genehm, jenes aber zuwider, weil es meine Na- tur ſo mit ſich bringet.
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[151[147]/0183]
(*)
§. 22.
Nachdem wir nun den Urſprung und
die Beſchaffenheit des Vergnuͤgens und
Mißvergnuͤgens in etwas betrachtet, ſo wol-
len wir nunmehro ſehen, welche von er-
wehnten Vermoͤgen der Seele uns zu dem
mehreſten Vergnuͤgen Anlaß geben.
Die erſte Gelegenheit zu allen Vergnuͤ-
gen geben wol die Sinne. Es wird ſel-
biges aber nachgehends erhoͤhet und ver-
mehret durch die Krafft zu uͤberlegen, durch
die Einbildungs-Krafft, das Gedaͤchtniß,
und durch das Vermoͤgen zu urtheilen und
zu ſchlieſſen. Jch will derowegen haupt-
ſaͤchlich bey den Sinnen ſtehen bleiben, und
unterſuchen, welche uns zu den mehreſten
und groͤſſeſten Vergnuͤgen Anlaß geben.
Der innere Sinn vergnuͤget uns ohne al-
len Zweiffel mit auf das empfindlichſte,
indem er uns uͤberfuͤhrt, daß wir ſind.
Wie angenehm uns dieſes ſey, koͤnnen wir
daraus abnehmen, weil wir, wenn uns
anders keine Verzweiffelung unſinnig
macht, lieber alles verlieren als unſer ſeyn.
Unter den fuͤnf aͤuſſerlichen Sinnen fuͤhren
uns
Welche
Vermoͤ-
gen der
Seele
uns zu
den meh-
reſten
Vergnuͤ-
gen fuͤh-
ren.
(*) genehm, jenes aber zuwider, weil es meine Na-
tur ſo mit ſich bringet.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 151[147]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/183>, abgerufen am 20.11.2024.
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