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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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an ihre Stelle. Die abgegangenen Theile
würden durch die Lufft fort getrieben, und
die Natur bediente sich selbiger wieder zu
andern Cörpern, welche wir und andere
Menschen ässen und träncken, und wodurch
die abgehende Theile wieder ersetzt wür-
den. Und auf diese Weise wäre dasjeni-
ge, was anjetzo unsere Haut fülte und
besässe, nach kurtzer Zeit an einem andern
menschlichen Leibe. Jnsonderheit aber
dörffte man nicht glauben, daß diejenigen
Glieder und Theile, welche dereinsten der
Sarg und die Grufft einschlösse, oder die
Tieffe des Wassers verschlünge, keinem
andern menschlichen Leibe wieder zu gute
kämen. Denn wer wüste, wie viele hun-
dert andere Adern das Blut schon durch-
krochen, welches sich jetzo in unsern Ge-
fässen bewegte, und wie vielmahl selbiges
schon geronnen in die Grufft geleget, oder
das Wasser der Flüsse und Meere gefär-
bet? Man solte erwegen, ob auf den Grä-
bern nicht Graß wüchse, welches Thiere
frässen deren Fleisch und Milch wir genös-
sen, und wovon wir an unser Fleisch, Haut
und Knochen ansetzten? Man solte beden-
cken ob nicht die Wurtzel manches Bau-
mes seinen Safft aus einem Grabe zöge,

welchen
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an ihre Stelle. Die abgegangenen Theile
wuͤrden durch die Lufft fort getrieben, und
die Natur bediente ſich ſelbiger wieder zu
andern Coͤrpern, welche wir und andere
Menſchen aͤſſen und traͤncken, und wodurch
die abgehende Theile wieder erſetzt wuͤr-
den. Und auf dieſe Weiſe waͤre dasjeni-
ge, was anjetzo unſere Haut fuͤlte und
beſaͤſſe, nach kurtzer Zeit an einem andern
menſchlichen Leibe. Jnſonderheit aber
doͤrffte man nicht glauben, daß diejenigen
Glieder und Theile, welche dereinſten der
Sarg und die Grufft einſchloͤſſe, oder die
Tieffe des Waſſers verſchluͤnge, keinem
andern menſchlichen Leibe wieder zu gute
kaͤmen. Denn wer wuͤſte, wie viele hun-
dert andere Adern das Blut ſchon durch-
krochen, welches ſich jetzo in unſern Ge-
faͤſſen bewegte, und wie vielmahl ſelbiges
ſchon geronnen in die Grufft geleget, oder
das Waſſer der Fluͤſſe und Meere gefaͤr-
bet? Man ſolte erwegen, ob auf den Graͤ-
bern nicht Graß wuͤchſe, welches Thiere
fraͤſſen deren Fleiſch und Milch wir genoͤſ-
ſen, und wovon wir an unſer Fleiſch, Haut
und Knochen anſetzten? Man ſolte beden-
cken ob nicht die Wurtzel manches Bau-
mes ſeinen Safft aus einem Grabe zoͤge,

welchen
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[117[113]/0149] an ihre Stelle. Die abgegangenen Theile wuͤrden durch die Lufft fort getrieben, und die Natur bediente ſich ſelbiger wieder zu andern Coͤrpern, welche wir und andere Menſchen aͤſſen und traͤncken, und wodurch die abgehende Theile wieder erſetzt wuͤr- den. Und auf dieſe Weiſe waͤre dasjeni- ge, was anjetzo unſere Haut fuͤlte und beſaͤſſe, nach kurtzer Zeit an einem andern menſchlichen Leibe. Jnſonderheit aber doͤrffte man nicht glauben, daß diejenigen Glieder und Theile, welche dereinſten der Sarg und die Grufft einſchloͤſſe, oder die Tieffe des Waſſers verſchluͤnge, keinem andern menſchlichen Leibe wieder zu gute kaͤmen. Denn wer wuͤſte, wie viele hun- dert andere Adern das Blut ſchon durch- krochen, welches ſich jetzo in unſern Ge- faͤſſen bewegte, und wie vielmahl ſelbiges ſchon geronnen in die Grufft geleget, oder das Waſſer der Fluͤſſe und Meere gefaͤr- bet? Man ſolte erwegen, ob auf den Graͤ- bern nicht Graß wuͤchſe, welches Thiere fraͤſſen deren Fleiſch und Milch wir genoͤſ- ſen, und wovon wir an unſer Fleiſch, Haut und Knochen anſetzten? Man ſolte beden- cken ob nicht die Wurtzel manches Bau- mes ſeinen Safft aus einem Grabe zoͤge, welchen H 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 117[113]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/149>, abgerufen am 25.11.2024.